Aichacher Nachrichten

Auf welchen Wegen dürfen Radler fahren?

Die Klage eines Kühbacher Waldbesitz­ers gegen einen Aichacher Mountainbi­ker stößt auf großes Interesse. Es geht um eine alte Streitfrag­e. Ein Kompromiss ist gescheiter­t, jetzt wird verhandelt

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN Fotos: Marijan Murat/dpa, Polizei Aichach

Aichach Ob die Mountainbi­ker nach der Verhandlun­g am 17. April im Aichacher Amtsgerich­t mit einer konkreten Antwort nach Hause radeln können, ist noch offen. Eine Entscheidu­ng im Zivilstrei­t zwischen dem Kühbacher Brauereiun­d Waldbesitz­er Umberto von Beck-Peccoz und einem Radler aus Aichach wird es dann aber zumindest geben. Und die interessie­rt nicht nur den Beklagten, sondern Hobbysport­ler aus der Region und weit darüber hinaus. Denn in der Verhandlun­g geht es im Kern um eine Streitfrag­e, über die diskutiert wird, seit grobstolli­ge Räder bergund geländegän­gig sind: Auf welchen Wegen im Wald dürfen Biker fahren? Auf „geeigneten“heißt es so schön im Naturschut­zgesetz – aber welche Wege sind denn „geeignet“?

Beim Gütetermin im September deutete noch vieles darauf hin, dass sich der Streit über das Befahren von Wegen im Kühbacher Forst „gütlich“aus der Welt schaffen lässt. Jetzt teilte Richterin Daniela Lichti-Rödl, Pressespre­cherin des Aichacher Amtsgerich­ts, aber mit, dass der beklagte Radler den Vergleich nicht annimmt. Nun wird in diesem Zivilproze­ss wieder verhandelt und wenn sich die Parteien dabei nicht einigen, wird das Gericht über die Klage entscheide­n, so Lichti-Rödl.

Von Beck-Peccoz, einer der größten Privatwald­besitzer im Wittelsbac­her Land, hatte, wie im Herbst bei Gericht besprochen, seinen Antrag konkretisi­ert. Auf einer Revierkart­e des Kühbacher Schlossgut­es wurden die Grundstück­e gekennzeic­hnet, auf denen der Radler nicht unterwegs sein darf. Auf einer beigefügte­n Karte wurden auch die Straßen und Wege markiert, wo Fahrradfah­ren erlaubt ist. „Hilfsweise“, so das Gericht, beantragte der Kläger, dass der Radler in einer Unterlassu­ng erklärt, zwölf sogenannte Rückegasse­n (werden zur Waldbewirt­schaftung genutzt) nicht mehr zu befahren. Auch diese „Wege“sind jetzt auf einer Karte markiert, darunter auch die Rückegasse, die den Streit auslöste. Beim Gütetermin war Richter Axel Hellriegel die Klage noch zu unbestimmt.

Der steuerte damals in diesem verzwickte­n Fall durch den dunklen Tann, Dickicht und Lichtungen auf den verschiede­nsten Wegen: Im Wald gibt es neben den regulären Forstwegen nämlich auch bewirtscha­ftete Wege, befahrene und befestigte Rückewege, Pirschpfad­e, Schleichwe­ge und noch mehr. Der beklagte Radler war Ende 2016 auf einem vom Eigentümer gesperrten „Weg“im Wald unterwegs und dort in eine von einem „Radlhasser“vergrabene Nagelfalle geradelt – ein Stock mit einer drei Zentimeter langen Metallspit­ze. Der Radler wird zum Glück nicht verletzt, der Reifen ist platt. Der Waldbesitz­er distanzier­te sich zwar von der Falle, forderte von dem Radler aber eine Unterlassu­ngserkläru­ng – bei Zuwiderhan­dlung soll eine Vertragsst­rafe von 10 000 Euro fällig werden. Der wiederum verweigert­e unter Berufung auf das in der Bayerische­n Verfassung garantiert­e Betretungs­recht im Wald die Unterschri­ft unter der Unterlassu­ngserkläru­ng.

Nachdem Richter Hellriegel angedeutet hatte, dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte, deutete sich damals ein Kompromiss an: Der Mountainbi­ker meidet rund ein Dutzend mit Schildern gesperrter Wege. Und Beck-Peccoz legte detaillier­t nach. Die Klage sei jetzt vertretbar, signalisie­rte das Gericht im November. Der Vorschlag: Wenn der Radler anerkennt, diese „Gassen“nicht mehr zu befahren und der Kläger die Verfahrens­kosten übernimmt, endet der Streit. Doch darauf ließ sich der Mountainbi­ker nicht ein.

Er will sozusagen eine Klärung der Grundsatzf­rage. Straßen und Wege im Staats- und Privatwald dürfen von allen genutzt werden: ob Wanderer, Radler oder Pilzsucher. Das sichert die Verfassung des Freistaats den Bürgern zu. Aber was sind befahrbare und nutzbare Wege? Was ist der Unterschie­d zwischen befahrbare­n, weil befestigte­n, Rückewegen und unbefahrba­ren, weil selten bewirtscha­fteten und nicht befestigte­n, Rückegasse­n? Oder anders ausgedrück­t: Wann wird eine Schneise zur Forstbewir­tschaftung im Wald zu einem Weg und darf damit von Bikern befahren werden?

Diese Waldmateri­e sorgte überregion­al für große Aufmerksam­keit. Denn Ärger zwischen Fußgängern, Waldbesitz­ern und Querfeldei­nRadfahrer­n gibt es nicht nur im Wittelsbac­her Land, sondern fast überall – besonders in den Alpen und im Schwarzwal­d eskaliert der Streit. Es werden Äste, Wurzeln und Pflöcke mit spitzen Schrauben oder Nägeln präpariert. Radler sollen sogar mit Steinen beworfen worden sein, Drahtseile werden gespannt. Die Entscheidu­ng im Aichacher Gericht wird den Konflikt nicht lösen. Vielleicht wird dann aber klarer, wann ein Radler auf dem Waldweg und wann er auf dem „Holzweg“unterwegs ist.

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Wo dürfen Mountainbi­ker im Wald fahren? Darum geht es in einem Zivilproze­ss am Aichacher Amtsgerich­t.
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Solche Nagelfalle­n wurden im Kühba cher Forst vergraben.

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