Immer neugierig, nie resigniert
Man mag es nicht glauben: Die Schauspielerin und Sängerin Christel Peschke wird 80 Jahre alt
Steckt da eine versteckte Botschaft dahinter? Als nächsten Text von Brecht hat sich Christel Peschke „Die unwürdige Greisin“vorgenommen. Im Brechthaus wird sie ihn vortragen. Zuerst feiert sie aber heute ihren Geburtstag. Von einer Greisin, noch dazu einer unwürdigen, ist die Schauspielerin Christel Peschke meilenweit entfernt. Zu lebendig, zu interessiert, zu neugierig ist die – man will es nicht wahrhaben – nun 80-Jährige. 1965 kam sie an die Städtischen Bühnen Augsburg. Sie erinnert sich: „Damals hatte ich von Bertolt Brecht kaum eine Ahnung. Engagiert wurde ich ja als Operetten- und Musicalsängerin.“
Die inzwischen aus Augsburg nicht wegzudenkende SchauspielInstitution Christel Peschke wurde 1938 in der schlesischen Stadt Troppau geboren und 1945 mit ihrer Familie von dort vertrieben. In dieser schrecklichen Zeit hat sie sich den oft wiederholten Satz ihrer Mutter „Setz dich über alles hinweg, freu dich über jeden Dreck“zu Herzen genommen. Zum Beispiel, als sie als junge Schauspielerin von ihrem Augsburger Oberspielleiter Hannes Schönfelder mit folgenden Worten empfangen wurde: „Sie werden es schwer haben, ihre Vorgängerin war sehr beliebt!“
Peschke setzte sich über viele Widrigkeiten hinweg und äußerst beliebt ist sie bis heute. Wenn sie sich zurückerinnert, fällt ihr zum Beispiel das 1970 inszenierte Musical „Irma la Douce“ein. Im Programmheft gab es ein Poster zum Ausklappen, auf welchem die bestrapsten Oberschenkel der IrmaDarstellerin Peschke zu sehen waren. Überklebt mit einem Streifen, auf dem „Pfui“stand, ging das Poster anonym zurück ans Theater. Was damals kaum einer wusste: Just in der Zeit war Peschke, verheiratet mit dem Regisseur Rolf Joanning, Mutter geworden. Für ihren Sohn Gregor radelte sie zum Stillen zwischen den Irma-Proben nach Hause. Damals wie heute ist sie ausschließlich mit dem Fahrrad unterwegs.
Wann trat nun, bildlich gesprochen, Bertolt Brecht in ihr Leben? Laut eigener Aussage hat sie ihn in seiner Geburtsstadt „lieben gelernt“und sich dafür bald als Brecht-Interpretin einen Namen gemacht. Mit Brecht vertraut gemacht hat sie der damals in Augsburg engagierte Schauspieler und spätere Entertainer Harald Schmidt bei vielen Treffen in der Altstadtkneipe „Grauer Adler“. Schmidt setzte für Peschke sogar Brechts Gedicht der „Rosen vom Schipkapass“in Noten, ein Lied, das später gerne der Männergesangverein „Bismarck Frohsinn“vortrug.
Eine ihrer Lieblingsballaden von Brecht ist „Hannah Cash“, und Peschke glaubt, dass „Der gute Mensch von Sezuan“sie am weitesten gebracht habe. Intendant Peter Baumgardt betraute sie „endlich“mit der Rolle der „Mutter Courage“. Jedoch – das machte sie damals traurig – durfte sie die „Courage“-Lieder nicht singen. Baumgardts Erklärung: „Das Stück ist so gut, es lohnt sich, die ,Courage‘ auch ohne Songs zu spielen.“
Gerne erinnert sie sich an den sehr jungen Intendanten (1992 bis 1997), der sie zu Beginn gefragt hatte: „Wie konnten Sie das alles nur unbeschadet überstehen?!“Gemeint hatte er damit ihre damals 30 Jahre am Theater, mit all den Intendantenund Kollegenwechseln und überhaupt und außerdem… Peschke dazu: „Das Überstehen war leicht, weil ich meine ungezügelte Neugierde nie verloren habe und nie resigniere.“
Deshalb auch am 12. April im Brechthaus die Lesung der Kurzgeschichte „Die unwürdige Greisin“. Diese hatte BB im Exil verfasst und 1949 in seine Kalendergeschichten aufgenommen. Außer dieser wird Christel Peschke noch andere BBFrauengeschichten vortragen, „Hannah Cash“gehört dazu. Der letzte Vers dieser Ballade lautet: „Gott mach’s ihr einmal wett!“