Aichacher Nachrichten

Schlange stehen für ein neues Outfit

Mode muss nicht immer teuer sein. Auf dem Fashion-Flohmarkt in der Kongressha­lle gehen vor allem Frauen auf die Suche nach ihrem Lieblingss­tück. Dahinter steht ein gesellscha­ftlicher Trend

- VON EVA MARIA KNAB

Cynthia aus Augsburg ist schon gespannt auf das, was sie erwartet. Die 39-Jährige trägt hochhackig­e Wildleder-Stiefelett­en, knallenge Skinny-Jeans und ein Jäckchen im Biker-Stil. Zusammen mit ihrer Schwester steht sie geduldig in der Warteschla­nge. Die ist so lang, dass sie vom Haupteinga­ng der Kongressha­lle bis hinüber zum Hotelturm reicht. Es ist kurz vor 11 Uhr. Gleich öffnet der „Fashion-Flohmarkt“. Hunderte Besucherin­nen wollen dort nach neuen Lieblingss­tücken Ausschau halten. Neu heißt in diesem Fall gebraucht – oder wie Modeleute sagen: „vintage“.

Neue Kleidung mit gebrauchte­n Stücken vom Flohmarkt mischen, das ist gerade ein großer Trend, auch in Augsburg. Auffällig ist aber: In der Kongressha­lle sieht man so gut wie keine Männer. Dort tummeln sich fast ausschließ­lich Frauen. Frauen jeden Alters, mit sehr unterschie­dlichen modischen Vorlieben und Outfits.

Besucherin Sabine, 34, trägt große silberne Ohrringe, Jeans mit aufgestick­ten Perlen und dazu eine lässige schwarze Fransen-Ledertasch­e. Und sie sagt, was viele hier denken: „Mode ist wichtig für mich und ich möchte meinen Stil je nach Stimmung wechseln.“Ihr Kleidersch­rank daheim ist voll. Auf den Flohmarkt geht sie, um nach ausgefalle­nen Accessoire­s wie Taschen oder Sonnenbril­len zu suchen, und nicht etwa, weil sie sich nichts Neues leisten könnte. „Ich gebe jeden Monat 200 bis 300 Euro für Klamotten aus“, sagt sie.

Gebrauchte Kleidung zu tragen ist heute keine reine Geldfrage mehr, sondern ein gesellscha­ftlicher Trend oder eine Lebenseins­tellung. Das bestätigt Veranstalt­erin Karin Maier vor Ort in der Kongressha­lle. Sie kennt ihr Publikum. Denn sie bietet regelmäßig Modeflohmä­rkte in Augsburg an, und das seit fast 25 Jahren. „Es war von Anfang an viel los, aber die Leute sind inzwischen viel toleranter gegenüber Secondhand-Mode geworden“, erzählt sie. Heute kämen nicht nur Studentin- nen mit kleinem Budget, sondern Frauen quer durch alle gesellscha­ftlichen Schichten bis hin zur Arztgattin. Mittlerwei­le gehöre es zum guten Ton, auch Mode aus zweiter Hand zu tragen. Wie interessan­t das aussehen kann, zeigt Karin Maier mit ihrem eigenen Secondhand­Outfit: Sie kombiniert einen Frühjahrsm­antel im grafischen RetroLook zu Stiefelett­en mit Leopardenm­uster, alles in schwarz-weiß.

Mehrere Frauen auf dem Flohmarkt erzählen, dass sie sich in Modefragen vor allem im Internet informiere­n. Selina aus Batzenhofe­n (Kreis Augsburg) hat eine Lieblings-Bloggerin auf Instagram: „Shopaholic girl“, eine modebewuss­te junge Mama aus Köln. „Sie hat megatolle Kombis, die man im Alltag tragen kann“, sagt Selina. Bei der Bloggerin holt sie sich Anregungen, wie man teure und preisgünst­ige Kleidungss­tücke zu einem harmonisch­en Look verbinden kann. Bei Selina sieht das so aus: Zu Ringelhemd und Jeans trägt sie einen auffällige­n Gürtel, dazu zarten alten Schmuck und eine neue große Damenuhr in Goldoptik.

Ihre ausgemuste­rten Klamotten bietet Selina auf dem Fashion-Flohmarkt in der Kongressha­lle zum Verkauf an. Ähnlich macht es Nathalie aus Königsbrun­n ein paar Stände weiter. Sie trägt Ringelpull­i zur Jeans-Latzhose und auf dem Kopf eine graue Wollmütze. Auch ihr Kleidersch­rank platzt aus allen Nähten. Außerdem will sie ihren Stil umstellen – von häufig wechselnde­n modischen Teilen hin zu wertigen Kleidungss­tücken. Nachrichte­n über das Schicksal vieler Textilarbe­iterinnen in Billiglohn­ländern hätten sie zum Nachdenken gebracht, erzählt sie. „Und eine gute Lederjacke kann man 20 Jahre tragen.“Modische Orientieru­ng holt sich Nathalie nicht im Internet. Sie schaut, was andere junge Leute an coolen Outfits auf der Straße tragen.

Besucherin Cynthia und ihre Schwester sind zum ersten Mal auf dem Fashion-Flohmarkt. Als sie sich durch das bunte Gewimmel wühlen, sind sie anfangs enttäuscht. „Wir hätten uns mehr exklusive Modemarken erwartet“, sagen sie. Der Großteil des Angebots sei aber normale Flohmarktw­are. Etwas später sind die beiden jungen Frauen dann deutlich besser gelaunt. Der Grund: Sie haben eine Lederhandt­asche mit Gliederket­te im Stil der Designerin Stella McCartney erstanden – für 20 Euro.

Auch Annika, 20, verlässt den Flohmarkt in der Kongressha­lle sehr zufrieden. Die Diedorferi­n hat eine gestrickte Jacke mit Leoparden-Print in ihrer Einkaufstü­te. Das Schnäppche­n sei vielseitig einsetzbar, freut sie sich: zum Stadtbumme­l tagsüber genauso wie zum Ausgehen am Abend.

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Annika freut sich über die erworbene Jacke.
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Auch Schmuck wurde auf dem Flohmarkt angeboten.
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Nathalie aus Königsbrun­n an ihrem Ver kaufsstand.

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