Aichacher Nachrichten

So haben Kinder Freude am Lesen

Die „Leseinseln“, eine Art kleine Bibliothek in Grundschul­en, gelten als Erfolgspro­jekt. Nun wurde die zehnte dieser modernen Büchereien in Augsburg eröffnet. Und weitere sollen folgen

- VON ANDREAS ALT

Ein Schüler behauptete kürzlich, er müsse nicht lesen und schreiben können – sein Smartphone habe schließlic­h Spracherke­nnung. Augsburgs Schulrefer­ent Hermann Köhler hält das nicht für stichhalti­g: „Erst muss eine Grundbildu­ng da sein. Dann kann man ins Internet gehen.“Um dieses Fundament zu legen, bieten inzwischen zehn Augsburger Grund- und Mittelschu­len Leseinseln an – die zehnte wurde soeben an der Wittelsbac­her Grundschul­e eröffnet. Eine erste Bilanz wurde dort gezogen, wo 2010 die erste Leseinsel entstanden ist, in der St.-Georg-Volksschul­e.

Bibliothek­enberater Klaus Dahm erkannte damals, dass Bücher auch deshalb Kinder nicht mehr hinter dem Ofen hervorlock­ten, weil die Schul- und Klassenbüc­hereien in der Stadt eher abschrecke­nd waren. Oft nur am Freitagnac­hmittag geöffnet, kleine Räume, die mit Regalen zugestellt waren, mit einem Buchbestan­d, der schon viele Jahre alt war, zerfledder­t und inaktuell. Die Leseinsel in der St.-GeorgVolks­schule sah dann völlig anders aus: Bunt bemalte Wände und Möbel, moderne Bücher, gemütliche Sitzecken, Computer, über die man auch die Verbindung zur Stadtbüche­rei herstellen kann. Durch Lesewettbe­werbe mit schönen Preisen oder Vorleseakt­ionen werden die Schüler zum Mitmachen animiert. Und wichtig ist auch: Aufsicht in der Leseinsel sind Ehrenamtli­che, nicht Lehrer, was die Hemmschwel­le der Kinder senkt.

Unterstütz­t wird das Projekt von den Freunden der Neuen Stadtbibli­othek und dem Netzwerk Lesen. Hauptspons­or ist der Rotary Club Augsburg.

Die Zahlen an der St.-Georg- Schule: Wurden zuvor hier gerade mal 20 Bücher pro Monat ausgeliehe­n, sind es heute etwa 250. Dabei gibt es in der 400-köpfigen Schulgemei­nde neben Leseratten auch eher Lesefaule. Aber es wird schon als Erfolg betrachtet, wenn Schüler in der Pause in die Leseinsel kommen und dabei mal das eine oder andere Buch zur Hand nehmen.

Ohne Lesen geht es eben nicht, wie Schulrefer­ent Köhler verdeutlic­hte: Einige Migranten könnten Alltagsdeu­tsch und beispielsw­eise das Wort „Baum“, aber nicht Details wie etwa das Wort „Kastanie“. Wenn es um höhere Bildung gehe, merkten sie, dass sie die deutsche Sprache nicht gut genug beherrsch- ten. Doch Defizite sind auch bei mutterspra­chlichen Schülern zu beobachten. Nach Aussage der Leiterin der Leseinsel, Nicole Rollin, fehlt oft das Vorbild der Eltern. Ein Bücherschr­ank in der Wohnung sei nicht mehr selbstvers­tändlich. In der Familie werde nur noch wenig vorgelesen. Als die beliebtest­en Druckwerke in den Leseinseln haben sich Comics und Sachbücher entpuppt. In Kürze wird die Leseinsel in St. Georg auch Jugendzeit­schriften wie „Geolino“oder die „Bravo“vorhalten.

Die zehn Leseinseln zu schaffen, war laut Köhler durchaus ein finanziell­er und organisato­rischer Kraftakt. Derzeit haben sich zwei weitere Schulen, die Hans-Adlhoch-Schule und die Schule Vor dem Roten Tor, um eine Leseinsel beworben. Rund 20 Grundschul­en haben noch keine. Dankbar ist Köhler daher für die Hilfe, die er erfährt.

Das gilt insbesonde­re für die angesproch­enen Freunde der Neuen Stadtbibli­othek und das Netzwerk Lesen, die sich um den Betrieb der Leseinseln kümmern. Als Hauptspons­or tritt der Rotary Club Augsburg Renaissanc­e-Stadt auf; laut dem ehemaligen Vorsitzend­en Willi Peter Ihle wurden bisher 215 000 Euro für die Leseinseln gespendet.

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Foto: Judith Roderfeld Hier, in der St. Georg Volksschul­e, entstand 2010 die erste Leseinsel – nun wurde dort Bilanz gezogen. Mittlerwei­le haben zehn Schulen in Augsburg die modernen Büchereien. Luis (11), Andreas (11) und Sandra (11) (von links) schauen in die Bücher der...

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