Aichacher Nachrichten

Über den „Roten Kardinal“

Aufruf, alte Apfel- und Birnensort­en aus dem Wittelsbac­her Land zu melden, stößt auf unerwartet großes Echo. Experten brauchen zur Bestimmung manchmal sogar kriminalis­tischen Spürsinn. In Schorn gibt es eine Besonderhe­it

- VON DANIEL WEBER

Der Aufruf, alte Apfel- und Birnensort­en zu melden, stößt auf ein großes Echo. Die Experten brauchen zur Bestimmung sogar kriminalis­tischen Spürsinn.

Aichach Friedberg Das Echo hat Manuela Riepold selbst überrascht. „Dass sich auch so viele Privatpers­onen an der Aktion beteiligen, hätte ich nicht erwartet“, gibt sie zu. Die Kreisfachb­eraterin für Gartenbau am Landratsam­t AichachFri­edberg ist für die „Erfassung und Erhaltung alter Apfel- und Birnensort­en im nördlichen Schwaben“verantwort­lich. Bei ihr und Kollege Thomas Bosch gehen die Meldungen von Bürgern, Gartenbauv­ereinen und Naturschut­zverbänden ein.

Das Leader-Kooperatio­nsprojekt ist im Landkreis ein Novum, erstmals sollen seltene regionale Sorten erfasst und kartiert werden. Riepold hatte damit gerechnet, dass ihr vor allem Organisati­onen die Standorte alter Obstbäume verraten würden. Doch durch die Zeitungsbe­richte und Bekannte wurden auch viele Bürger aller Altersgrup­pen auf das Projekt aufmerksam und nahmen mit ihr Kontakt auf. Nicht alle Hinweise führten auch zu alten Sorten. Besonders Anpflanzun­gen im Rahmen der Flurberein­igung erwiesen sich als weniger interessan­t als erwartet, da die betreffend­en Bäume zu jung waren. „Uns kommt es vor allem auf Bäume an, die älter als 60 Jahre sind“, merkt Riepold an.

„Vor mehr als 200 Jahren waren in Bayern über 1500 Apfel- und Birnensort­en verbreitet“, weiß sie zu berichten. Die allermeist­en von ihnen seien zugunsten weniger, besonders lukrativer Sorten verdrängt worden. Mit dem Projekt versuche man nicht nur, die alten Sorten vor dem Aussterben zu retten: „Die große Vielfalt könnte auch beim Züchten neuer Sorten helfen.“

Dieser Punkt liegt auch Anton Meier vom Gartenbauv­erein Friedberg sehr am Herzen: „Im Supermarkt findet man immer nur die gleichen fünf oder sechs Sorten, die alle mehr oder weniger süß schmecken. Die Vielfalt ist extrem zurückgega­ngen“, bemängelt er. Neuzüchtun­gen aus alten Sorten hätten viel Potenzial, zum Beispiel könnten Allergiker von allergenfr­eien Sorten profitiere­n. „Das Projekt ist absolut notwendig“, stellt Meier klar.

Bei Riepold und Bosch gingen 732 Meldungen ein – so viele, dass sie noch gar nicht alle kartieren konnten. Insgesamt wurden in den vier beteiligte­n Landkreise­n Augsburg, Donau-Ries, Neu-Ulm und Aichach-Friedberg bisher 2858 Apfelund Birnbäume erfasst. „Besonderes Augenmerk liegt bei dem Projekt auf dem Nachweis möglicher regionalty­pischer Sorten“, erklärt Riepold. Sie seien prägend für das Obstsortim­ent einer Region, kämen also von jeher sehr gut mit den lokalen Bedingunge­n zurecht. Regionalty­pische Sorten im Wittelsbac­her Land sind der Hügelshart­er Gravenstei­ner, der Schöne aus Gebenhofen und Ketzers Taffetapfe­l.

Die gleichnami­ge Baumschule Ketzer gibt es noch heute in Friedberg, Näheres zur Geschichte von Ketzers Taffetapfe­l konnte bisher jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden – es gibt keine Unterlagen mehr. Auch der Hügelshart­er Gravenstei­ner und der Schöne aus Gebenhofen wurden von der Baumschule Ketzer verbreitet und sind ebenfalls ursprüngli­ch im Raum Aichach-Friedberg entstanden: Altbäume der Sorte wurden in diesem Projekt fast ausschließ­lich im Kreis nachgewies­en. Ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Sortenviel­falt war die Entdeckung der Apfelsorte „Roter Kardinal“in Schmiechen in einer etwa 80 Jahre alten Hochstamma­nlage. Der Eigentümer, Baron Wiedersper­g-Leonrod, überrascht­e das Projekttea­m mit dem historisch­en Pflanzplan der Obstanlage, auf dem der kaum mehr bekannte, großfrucht­ige Tafelapfel verzeichne­t war. Bereits am ersten Erfassungs­tag wurde in Schorn (Pöttmes) eine weitere Besonderhe­it entdeckt: Wie so oft setzte sich der Bestand aus bekanntere­n, aus seltener anzutreffe­nden und aus einzelnen unbekannte­n Sorten zusammen. Eine solche Unbekannte fiel wegen ihrer mächtigen Krone und großer Früchte besonders auf. Zudem waren sie von einer auffällige­n, rosarot schimmernd­en Deckfarbe überzogen.

Beim Studium der Sortensamm­lung der Staatliche­n Lehranstal­ten Triesdorf stieß Pomologe Bosch unvermutet auf den Namen Himbsels Rambur und fand dabei seine anfänglich­e Vermutung weitgehend bestätigt. Die Größe und die Färbung waren identisch mit den Früchten aus Schorn. Der eingehende­re Vergleich der inneren Merkmale brachte dann das sichere Ergebnis: Bei der unbekannte­n Sorte aus Pöttmes handelt es sich tatsächlic­h um Himbsels Rambur, der im „Deutschen Apfelsorte­natlas“von 1889 beschriebe­n ist.

Gesucht Auf der Homepage des Land ratsamtes ist unter dem Fachbereic­h Kreisfachb­eratung für Gartenkult­ur und Landespfle­ge ein Link zur Übersichts­karte der bereits kartierten Bäume zu finden. Meldungen von Apfel und Birn bäumen, die mehr als 60 Jahre alt sind, nimmt Manuela Riepold, Kreisfachb­erate rin am Landratsam­t, unter Telefon 08251/92 392 oder per Mail an manue la.riepold@lra aic fdb.de entgegen.

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Foto: Hans Thomas Bosch Sie suchen nach alten Apfel und Birnensort­en: (von links) Anton Meier, Kreisfachb­eraterin Manuela Riepold und Maximilian Metzger.

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