Aichacher Nachrichten

Wenn am Grab Hits erklingen

Viele jüngere Menschen wünschen sich bei einer Beisetzung moderne Lieder. Für Pfarrer und Bestatter ist das in den meisten Fällen kein Problem. Es gibt aber Dinge, auf die Angehörige achten sollten, und Musik, die gar nicht geht

- VON MAREIKE KÖNIG

Viele wünschen sich bei einer Beisetzung moderne Lieder. Für Pfarrer und Bestatter ist das meist kein Problem.

Aichach Friedberg Andreas Gabalier kennen viele als launigen Schlagersä­nger. Und als einen Mann, der Rekorde jagt. Im September spielte der Musikstar aus Österreich auf dem Hockenheim­ring ein Konzert vor 100 000 Zuschauern. „Wie dein Herz aufhört zu schlagen und du rauf zu den Engeln fliegst. Dann habe keine Angst und lass dich einfach tragen, weil es gibt etwas nach dem Leben, du wirst schon sehen.“

Dieser Text gehört nicht zu einem von Gabaliers Stimmungsl­iedern. Es gehört zum Stück „Amoi seg’ ma uns wieder“, das den Österreich­er vor knapp zehn Jahren bekannt gemacht hat. Auch mit diesem Lied, das Gabalier für seinen Vater und seine Schwester schrieb, die beide Suizid begingen, jagt er Rekorde. Aber auf eine andere Art und Weise: Das Stück läuft seit Jahren auf Beerdigung­en rauf und runter.

Auch in Mering, wie Pfarrerin Carola Wagner von der dortigen evangelisc­h-lutherisch­en Gemeinde erklärt. Bekannte englischsp­rachige Lieder wie „Time to Say Goodbye“, ein Song über die Zeit des Abschiedne­hmens von Sarah Brightman und Andrea Bocelli, oder „Tears in Heaven“(„Tränen im Himmel“) wünschen Angehörige ebenfalls sehr häufig. In Letzterem verarbeite der Sänger Eric Clapton übrigens den Tod seines Sohnes. „Manchmal gibt es auch Lieder, die dem Verstorbe- nen sehr wichtig waren“, sagt Wagner. Auch diese Musik könne dann selbstvers­tändlich Teil der Trauerfeie­r sein. Einmal jedoch, erinnert sich Wagner, habe sie einer Familie davon abgeraten, ein Lied zu spielen nämlich „Es lebe der Zentralfri­edhof“des Österreich­ers Wolfgang Ambros. „Der Verstorben­e hatte einen sehr skurrilen Sinn für Humor und das Lied hätte gut zu ihm gepasst“, sagt Wagner. „Aber es war für eine Trauerfeie­r unangemess­en.“Mit der Familie entschied sie, das Lied nicht zu spielen, dafür aber eine Strophe in ihrer Predigt vorzutrage­n. Bei einem anderen Stück ist Wagner aber ganz kategorisc­h: „,Highway to Hell‘ würde ich auf keinen Fall spielen oder zitieren.“Ein Song über die „Autobahn in die Hölle“widersprec­he der christlich­en Auferstehu­ngshoffnun­g.

Das sieht Stadtpfarr­er Steffen Brühl aus Friedberg etwas anders. „Ich erlaube oder verbiete keine Musik, sondern ich berate“, sagt Brühl. Wenn es wirklich einen besonderen Grund gebe, weshalb die Angehörige­n den AC/DC-Hit „Highway to Hell“spielen wollten, habe er nichts dagegen. Grundsätzl­ich hat Pater Brühl zu modernen Liedern auf Beerdigung­en aber ein zwiespälti­ges Verhältnis. „Musik aus dem Lautsprech­er ist seelenlose Musik“, findet er. Und bei Stücken wie „Amoi seg’ ma uns wieder“von Gabalier wummern die Bässe. „Viele Angehörige unterschät­zen die bedrückend­e Stimmung, die sie mit solcher Musik erzeugen.“Brühl rät den Angehörige­n vor allem in der Aussegnung­shalle eher zu leichten, hoffnungsv­ollen Liedern. „Die Musik soll die Trauernden unterstütz­en und nicht aufwühlen“, sagt er.

Winfried Stahl, Pfarrer in den evangelisc­h-lutherisch­en Gemeinden Aichach und Altomünste­r, stimmt dem zu. Eine christlich­e Trauerfeie­r habe eine gewisse Dramaturgi­e, so Stahl. „Man kommt in der Kirche an, dann wird einem bewusst, warum man hier ist, und wird traurig. Man konzentrie­rt sich auf das, was man verloren hat“, erklärt er. An diese Stelle der Feier passe moderne Musik sehr gut. Der zweite Teil der Beerdigung sei dann dazu da, Zuversicht zu vermitteln. „Im Gottesdien­st sucht man Hilfe im christlich­en Glauben und geht dann in Hoffnung nach Hause“, sagt Stahl. Dieses Gefühl solle auch die Musik transporti­eren.

Manfred Kögl setzt bei Beerdigung­en in seinem Hause musikalisc­he Grenzen, obwohl dort vor allem weltliche Trauerfeie­rn stattfinde­n. Kögl ist Betriebsle­iter des Krematoriu­ms in Kissing. Zwar hat er mit Heavy-Metal-Musik und selbst „Highway to Hell“keine Probleme. „Wenn aber Leute aus der rechten Szene ihre Musik hier abspielen wollen, geht das gar nicht“, sagt Kögl. Seiner Erfahrung nach ist der Trend zu moderner Musik vor allem eine Generation­enfrage. Wenn Menschen beerdigt werden, die nach 1960 geboren wurden, merke man das direkt an der Musik. „Die Angehörige­n bringen dann für die Trauerfeie­r Rock, Pop oder Schlager auf einem USB-Stick mit“, sagt Kögl. Und manchmal brummen dann auch die Bässe von „Amoi seg’ ma uns wieder“durchs Kissinger Krematoriu­m.

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Fotos: Ralf Lienert (2), dpa Eric Clapton, Johann Sebastian Bach oder Andreas Gabalier? Nicht alle Musikwün sche der Angehörige­n werden bei Bestattung­en erfüllt.
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