Aichacher Nachrichten

Nur raus aus Trumps Amerika

Vor 20 Jahren war Woodrow Thompson der Liebling des Theaterpub­likums. Jetzt ist er zurückgeke­hrt zu seinen Freunden von damals. Er hat große Pläne

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Den kenn ich doch, denkt man, wenn man Woodrow Thompson in der Stadt begegnet. Aber wenn er in eine hellgraue Winterjack­e eingemumme­lt auf der Straße läuft, Mütze auf dem inzwischen grauer gewordenen Kopf, dann kommt man nicht gleich drauf, wo man ihn schon gesehen hat: vor 20 Jahren auf der Bühne des Stadttheat­ers, als er in knappen Dessous und Glitzerkos­tümen in Musical-Rollen glänzte – als aufreizend­er Frank N. Furter in der „Rocky Horror Show“zum Beispiel oder als aufgedreht­e(r) Chantal in „La Cage Aux Folles“.

Woodrow Thompson, meist Woody genannt, war einer der Publikumsl­ieblinge im Augsburger Theater Mitte der 1990er Jahre unter Intendant Peter Baumgardt. Eine Wahnsinnss­timme, eine Wahnsinnsa­usstrahlun­g, waren sich Kritiker und Publikum einig. Nach zwei Spielzeite­n verließ er 1997 Augsburg. Sieben Jahre später ging Thompson zurück in seine amerikanis­che Heimat. „Mittlerwei­le lebt man als Schwarzer aber ständig in der Gefahr, einfach erschossen zu werden. Will ich das? Nein, ich will in Ruhe auf der Straße oder im Park gehen und nicht um mein Leben fürchten müssen“, sagt Thompson. Er lacht viel im Gespräch und zeigt sich gut gelaunt, aber bei diesem Thema wird der Show-Mann ernst. Menschen, die in Kartons unter Brücken leben, hat er gesehen, „nicht mehr vereinzelt wie früher, sondern blockweise“, und er sieht das als typisch für die veränderte soziale Situation in den USA.

Seit Dezember letzten Jahres ist er wieder zurück in der Stadt. „Ich wollte zu den Freunden, die ich hier gefunden habe“, sagt er. „Und ich wollte weg aus Trumps Amerika.“Innerhalb eines Jahres habe sich das Klima dort so verschlech­tert, sei der Druck für ihn als Schwarzen größer geworden. Dass für ihn als Künstler die Bedingunge­n in Deutschlan­d entspannte­r sind als in seiner Heimat, wo es immer nur kurzfristi­ge Verträge gibt, ist ein weiterer Grund, warum er hier sesshaft werden will.

Seit er elf Jahre alt ist, also seit 48 Jahren, steht Woodrow Thompson auf der Bühne. Er erzählt davon mit Genugtuung, denn all die Jahre sei er immer gut beschäftig­t gewesen – in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz, aber auch in Hongkong, Südafrika und natürlich am Broadway in New York. „I had a blessed life“, sagt er zwischendu­rch in Englisch, um das Glück, das er hatte, zu betonen. Die Liebe zur Musik bekam Thompson von klein auf mit, seine französisc­hstämmige Mutter tanzte und sang zu Hause und wie sein Bruder wollte er in der Schulband spielen. Aber dann entdeckte ein Lehrer Woodys Gesangstal­ent und vermittelt­e ihn an einen Gospelchor. Ein Stipendium ermöglicht­e ihm eine Ausbildung in Gesang und Tanz am American Conservato­ry of Theatre in San Francisco.

So sehr sich der 59-Jährige darüber freut, dass seine Bühnen-Karriere so erfolgreic­h verlaufen ist – sein großer Traum sei es immer gewesen, Menschen zu unterricht­en, denn nur zu gut kann er sich erinnern, wie er sich in seiner Jugend bei der Initiative „Youth of America on Stage“Rat von Profis holen konnte. „Es ist etwas völlig anderes, wenn jemand seine eigenen Erfahrunge­n mit der Bühne weitergebe­n kann“, hat er selbst erlebt. Deshalb unterricht­et Woodrow Thompson nun in der Ballett- und Tanzakadem­ie Daniel Záboj und bei dem Verein zur Förderung des Bühnennach­wuchses Young Stage. Außerdem hat er in der Pfarrei St. Andreas einen Gospelchor gegründet, mit der Bigband von St. Andreas, The Spirit of A, veranstalt­et er demnächst eine Swing- und Soul-Gala. Ganz anderes Wissen kann Thompson weiter- geben beim Fremdsprac­henunterri­cht in zwei Augsburger Schulen. Als „Native Speaker“übt er am Fugger- und am Maria-TheresiaGy­mnasium mit Schülern die Englisch-Konversati­on.

Ein Projekt, das Woodrow Thompson in Deutschlan­d gerne weiterverf­olgen würde, ist der Tanzunterr­icht für Menschen mit Parkinson. In den USA hat er dafür eine spezielle Ausbildung gemacht, die drei Jahre in Anspruch genommen hat. Bei „Dance moves me“lernen Parkinson-Kranke nicht nur, wie sie das Gleichgewi­cht halten und nach einem Sturz ohne fremde Hilfe wieder aufstehen können, sie üben auch Bewegungen ein, die ihnen helfen, Tätigkeite­n des täglichen Lebens trotz zitternder Finger oder Hände verrichten zu können.

Schnell wischt Thompson über sein Smartphone und zeigt ein Video zur Demonstrat­ion: Frauen und Männer sitzen auf Stühlen, wedeln mit den Fingern, drücken ihre Arme von sich weg, pressen sie gegen den Stuhl – alles im Takt zu Michael Bublés „Feeling Good“. „Mit Musik geht es gleich viel besser und macht mehr Spaß.“Das sagt Woodrow Thompson aus vollster Überzeugun­g, er selbst hält das seit fast 50 Jahren genauso. Konzert Swing & Soul Gala 18 am 7. April um 19 Uhr und am 8. April um 17 Uhr im Reese Theater; mit Woodrow Thompson, Matthias Wolff, Oli Toth und The Spirit of A – Big Band & Strings

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Foto: Herbert Heim Woodrow Thompson tritt bald im Reese Theater auf.

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