Aichacher Nachrichten

OP unter freiem Himmel

Ein Wildpferd-Hengst musste im Stadtwald kastriert werden

- VON EVA MARIA KNAB

Bei den Wildpferde­n im Gehege im Stadtwald gab es zuletzt immer wieder Zoff. Deshalb musste Hengst „Marlon“kastriert werden, wie der zuständige Betreuer und Biologe Norbert Pantel vom städtische­n Landschaft­spflegever­band mitteilt. Die Operation habe unter freiem Himmel stattgefun­den.

Der Eingriff wurde am Mittwoch von zwei Tierärzten der Tierklinik Gessertsha­usen durchgefüh­rt, unterstütz­t durch Mitarbeite­r des Augsburger Zoos und des Landschaft­spflegever­bands. Der Schritt sei nötig gewesen, um das aggressive Verhalten von Marlon gegenüber den anderen Hengsten in der Herde einzudämme­n, so Pantel.

Das Przewalski­pferd „Marlon“wurde 2006 im Stuttgarte­r Zoo Wilhelma geboren und ist mit knapp zwölf Jahren das älteste Pferd im Beweidungs­projekt des Landschaft­spflegever­bandes. Marlon ist auch der letzte der ursprüngli­chen Hengstherd­e aus dem Jahr 2007. Hintergrun­d der Kastration sei, dass er sich in den vergangene­n Monaten zunehmend aggressiv gegenüber zwei jüngeren Hengsten verhalten habe, so Pantel. Diese hätten Bisswunden davongetra­gen. Die Verletzung­en seien inzwischen wieder verheilt. Die Auslöser der Attacken seien unklar. Deshalb hätten der Landschaft­spflegever­band, der Zoo als Projektpar­tner und die Besitzer der Tiere sich dafür entschiede­n, „Marlon“zu kastrieren, um sein Aggression­spotenzial zu senken.

Pantel geht davon aus, dass die Ausraster gegenüber den beiden jüngeren Hengsten Ausnahmen waren, gegenüber den anderen Pferden habe „Marlon“später keine Aggression­en gezeigt. In jedem Fall spiele aber der Hormonspie­gel eine Rolle.

Mit der Kastration will der Landschaft­spflegever­band aber offenbar auch auf der sicheren Seite sein. Bereits

Marlon soll auch in Zukunft der „Chef“sein

im Jahr 2011 hatte sich „Marlon“einen heftigen Rangordnun­gskampf mit einem jungen Hengst geliefert. Für seinen Kontrahent­en endete die Auseinande­rsetzung letztendli­ch tödlich. Hengst „Elrond“musste damals wegen seiner schweren Verletzung­en eingeschlä­fert werden.

Derzeit ist man beim Landschaft­spflegever­band jedoch sehr zufrieden, wie „Marlon“seine Rolle als Leithengst der Gruppe ausfüllt. Er sei umsichtig und nicht ängstlich, sagt Pantel. Weil „Marlon“den jüngeren Hengsten körperlich überlegen ist, geht er davon aus, dass er auch in näherer Zukunft das ranghöchst­e Tier in der Herde bleiben wird. Dies sei wichtig, weil sich die Gruppe durch Zu- und Abgänge bei den Przewalski­pferden wahrschein­lich erst in etwa einem Jahr ändern werde.

Die Kastration sei auch mit dem vom Kölner Zoo koordinier­ten Europäisch­en Erhaltungs­zuchtprogr­amm für Przewalski­pferde abgesproch­en, hieß es. Nach dem Stand von Anfang 2017 gab es im gesamten Zuchtprogr­amm 860 Pferde in 72 Haltungen. „Nur sechs davon halten reine Junggesell­engruppen, die als Pool für die zukünftige Zucht in Europa wichtig sind“, erläutert die Augsburger Zoodirekto­rin Barbara Jantschke. Da „Marlons“Gene in der europäisch­en Zoopopulat­ion schon häufig vorkommen, wird er nicht zur Zucht eingesetzt. Aus diesem Grund habe auch das Zuchtprogr­amm der Kastration zugestimmt.

Kurz nach der Kastration ist „Marlon“derzeit noch nicht ganz fit. Er laufe „etwas unrund“, sagt Pantel, die Hinterbein­e seien teils mit Blut bedeckt.

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