Sehnsucht nach einem besseren Leben
Das Theater der Berufsoberschule in Friedberg zeigt mit „Unschuld“in die Tiefen menschlicher Abgründe hinab
Aichach Friedberg Am Strand einer europäischen Hafenstadt sehen zwei illegale afrikanische Einwanderer tatenlos einer Frau beim Ertrinken zu. Eine blinde Frau tanzt nackt für sehende Männer. Und eine Alleinstehende bittet Opfer von Gewaltverbrechen um Vergebung für Taten, die sie gar nicht begangen hat. Sind sie schuldig oder unschuldig? Oder beides? Dieser Zwiespalt und die Sehnsucht nach einem besseren Leben verbindet die Protagonisten im Stück „Unschuld“nach Dea Loher. Es geht um Geschichten vom Rande der Gesellschaft.
Diese Geschichten wurden von Schülern der Beruflichen Oberschule und jungen Afghanen der Integrationsklasse der Berufsschule Friedberg aufgeführt. Die Thematik des Stücks ist harte Kost, für die sich die Theaterleiterinnen Iris Seemiller und Svenja Lipczinsky aber bewusst entschieden haben. Trotz der deprimierenden Geschichten von Selbstmord, Einsamkeit und Unglücksmenschen strotzt das Stück nur so vor Wortwitz und grotesken Situationen: Wenn unter anderem Frau Habersatt mit hohen Hacken und elegantem Trauerkleid durch die Reihen des Publikums stakst (wunderbar verwirrt gespielt von Zahide Özsoy) und sich als Mutter eines Amokläufers ausgibt. Oder die zuckerkranke Frau Zucker (sehr erfrischend und zynisch von Chantal Tiendrebeogo verkörpert) sich darüber echauffiert, wie lahm das Sexleben der Tochter Rosa und deren Partner sei, nachdem sie sich in der Einzimmerwohnung des Paares eingenistet hat. Manches wurde weggelassen und uminterpretiert. Dadurch blieb vielleicht auch manches für den Zuschauer unklar. Das hat der Aufführung aber nicht geschadet. Auch hinter dem Publikum zerschlug der verzweifelte Elisio (überzeugend Niko Thomas) krachend Kartons zusammen. Auch Livemusik wurde mit Pouya Jafari an der Trommel und Melis Dogan und Seyma Aydogdu im Gesang geboten. Deren Gesang erklang stimmig zur romantisch-melancholischen Szene mit der blinden Stripperin Absolut (wunderbar unaufgeregt von Michelle Richter verkörpert) und dem verliebten Illegalen Fadoul (überzeugend von David Beier gespielt). Die Hoffnung, die sie alle eint, bleibt unerfüllt. Am Schluss sinnieren die gebeutelten Charaktere darüber, wer sie in einer anderen Welt gerne wären. Elisio, der nicht schwimmen kann und einer Frau beim Ertrinken zusehen musste, wäre gerne Rettungsschwimmer.