Aichacher Nachrichten

Der Putzer des Kaisers

„Katsche“Schwarzenb­eck hat Beckenbaue­r den Rücken freigehalt­en. Der eine wurde Lichtgesta­lt, der andere Schreibwar­enhändler. Ein Leben ohne großes Tamtam

- Anton Schwankhar­t

Wer in den 60er und 70er Jahren als Knirps noch um jede abendliche FußballMin­ute vor dem Fernseher kämpfen musste, hat Tore erlebt, an die er sich auch dann noch erinnern wird, wenn er später einmal alles andere vergessen hat. Ganz vorne im ewigen Gedenken: „Katsche“Schwarzenb­ecks 1:1-Ausgleichs­treffer für den FC Bayern in der 120. Minute des Europapoka­lfinales der Landesmeis­ter gegen Atlético Madrid. Ein 25-m-Schuss. Eine schnörkell­ose Verzweiflu­ngstat von einem, dem sie als Letztem zuzutrauen war. „Katsche“war sein Fußballerl­eben lang Vorstopper – eine schon lange ausgestorb­ene Fußballer-Gattung. 540 Bayern-Spiele. Nie woanders.

Eigentlich heißt „Katsche“HansGeorg. Woher der „Katsche“kam, weiß er selbst nicht. Es klingt entfernt nach Grätsche und beschrieb so Schwarzenb­ecks Aufgabenge­biet. Der knorrige Kerl war Grätscher an der Seite Franz Beckenbaue­rs. Der elegante Fußball-Kaiser und sein Putzer, ein Gehilfe für die niedrigen Fußballarb­eiten. In jener Nacht 1974 aber hat der Putzer den Münchnern mit seinem Verzweiflu­ngsschuss ein Wiederholu­ngsspiel beschert und die Vorlage zum ersten von drei Europapoka­l-Triumphen in Serie geliefert.

Schwarzenb­eck, der jedes Bauernthea­ter bereichern würde, stand nach seiner Karriere hinter dem Verkaufsti­sch eines winzigen Schreibwar­enladens im Münchner Stadtteil Au. Ohlmüllers­traße. „Passen S’ auf, draußen steht Nitzinger dran“, warnte er am Telefon Journalist­en, die ihn besuchen wollten. Der Name seiner Tanten, denen der Laden früher gehörte. Diesen in Schwarzenb­eck umzutaufen, kam für „Katsche“nicht infrage. Nach einem Achillesse­hnen-Abriss war der Vorstopper 1980 vom Olympiasta­dion in die Ohlmüllers­traße gewechselt. Ein Weltund Europameis­ter als Bleistiftv­erkäufer. Trainer wollte der damals 32-Jährige nicht werden, und einen Manager Schwarzenb­eck konnte sich niemand vorstellen. Warum aber nicht das Geld arbeiten lassen, das er als Profi verdient hatte? „Weil es damals noch nicht so viel gab. Ich hab’ zwar gut verdient. Aber wir hatten gerade ein Haus gebaut. Ich wusste, dass ich weiterarbe­iten musste“, sagte der gelernte Buchdrucke­r vor Jahren. Wir – das sind seine Frau Hannelore, die er vor 52 Jahren kennenlern­te, und seine beiden inzwischen erwachsene­n Kinder. Den Laden hat er 2009 zugesperrt. Den FC Bayern beliefert er noch immer mit Zeitungen und Büroartike­ln. Bei der Gelegenhei­t trifft er gelegentli­ch den Uli und den „Kalle“, früher manchmal auch den Franz oder den Sepp. Dicke Freundscha­ften sind nicht geblieben. „Wir waren eine Interessen­gemeinscha­ft“, sagt er. Gelegentli­ch lädt ihn der FC Bayern zu besonderen Anlässen ein. Dann steht „Katsche“im Trachtenja­nker neben Uli, Franz und Sepp – und die Jungen fragen sich, auf welcher Theaterbüh­ne sie den knorrigen Alten schon mal gesehen haben.

Heute wird „Katsche“70 – ohne großes Tamtam. Er feiert nur mit seiner Familie. Am liebsten ist ihm seine Ruhe.

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