Mammutaufgabe Pflege
Der Anteil alter Menschen steigt – und damit auch der Bedarf an Unterstützung. Schon jetzt ist es oft nicht leicht, einen Platz zu finden. Wie bereiten sich die Verantwortlichen in der Region auf die Entwicklung vor?
Region Die Zahl der Pflegebedürftigen in der Region steigt – doch es mangelt an Pflegekräften. Es können bereits nicht mehr alle Plätze in Seniorenheimen belegt werden, weil nicht genug Personal da ist. Angehörige haben teilweise Probleme, Senioren unterzubringen, wenn es eilt. So sind im Landkreis AichachFriedberg kaum noch Heimplätze frei. Auch bei Kurzzeitpflege ist es oft nicht einfach, gerade in Ferienzeiten. Wie stellen sich die Verantwortlichen auf die Entwicklung der Zukunft ein?
Weil zum Beispiel im Landkreis Aichach-Friedberg in den nächsten Jahren hunderte von Pflegekräften fehlen werden, kündigt Landrat Klaus Metzger einen „Pflegeplan 2030“an, der sich mit so wichtigen Themen wie Ausbildung, Tagesund Kurzzeitpflege befassen soll. Die bayerische Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml berichtete unlängst beim Seniorentag in Dasing, dass ein Gutachten Aufschluss darüber geben soll, wie viele Kurzzeit-Pflegeplätze es in den bayerischen Regionen gibt und warum ihre Zahl rückläufig ist. Die Ergebnisse sollen voraussichtlich in einem Jahr vorliegen. Schon in wenigen Monaten jedoch will Huml ein neues Förderprogramm auf den Weg bringen, dessen Details gerade in Arbeit sind. „Ich stelle mir eine Ausgleichszahlung an die Betreiber der Kurzzeitpflege für die Zeit von Leerständen vor“, sagte sie. Denn um ihr wirtschaftliches Risiko zu senken, wandeln viele Anbieter personalaufwendige Kurzzeitplätze in dauerhafte vollstationäre Pflegeplätze um.
Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin war beschlossen worden, im Pflegebereich 8000 zusätzliche Stellen zu schaffen. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, finden Praktiker vor Ort wie Ina Albes von der Seniorenberatung des Landkreises Aichach-Friedberg. Die 8000 Stellen sollen laut Huml allerdings nur ein Anfang für künftige Aufstockungen sein. Für dringend notwendig hält die Ministerin ein besseres Image des anspruchsvollen Pflegeberufs. Es genüge aber nicht, wenn junge Menschen nur in diese verantwortungsvolle Arbeit einsteigen: „Sie müssen dann auch dabei bleiben.“Denn auf sie kommt viel Arbeit zu.
Im Landkreis Augsburg wird nach einer Prognose der am Landratsamt angesiedelten Fachstelle für Seniorenfragen der Bedarf an Pflegeleistungen um mehr als 50 Prozent steigen. Der Grund dafür ist die starke Zunahme betagter Menschen. In den kommenden 20 Jahren wird sich die Zahl der über 85-Jährigen auf mehr als 11000 verdoppeln. Das entspricht in etwa der heutigen Einwohnerschaft Meitingens.
Ebenso sieht die Tendenz im Kreis Aichach-Friedberg aus: Waren 2013 noch 2563 Menschen pflegebedürftig, so stieg die Zahl bis Dezember 2015 um zwölf Prozent auf 2870. Laut aktuellen Prognosen wird die Zahl der Pflegebedürftigen im Landkreis bis zum Jahr 2030 nochmals um 41 Prozent steigen. In der Stadt Augsburg wird 2030 jeder Vierte 65 Jahre oder älter sein. Bereits jetzt beträgt die Zahl der Pflegebedürftigen in der Großstadt rund 7500 – zwei Drittel davon werden zu Hause versorgt, von Angehörigen und teilweise von Pflegediensten. Ein Drittel ist im Heim untergebracht. Waren bis vor Kurzem noch in vielen Häusern Plätze frei, sieht das inzwischen anders aus. Beliebte Einrichtungen führen Wartelisten.
Einzelne Pflegeheime in der Region Augsburg bezahlen bereits Kopfprämien von mehreren Tausend Euro für Fachkräfte. Die Folgen dieses Wettbewerbs ums Personal beschreibt Pfarrer Fritz Graßmann, Vorstandssprecher des Diakonischen Werks Augsburg, so: „Wir bekommen keine Leute mehr. Im Gegenteil: Sie werden uns abgeworben.“Mit der künftigen Uniklinik in Augsburg dürfte sich dieser Wettbewerb noch verschärfen, befürchtet er.
Wie Ministerin Huml in Dasing ankündigte, will sie die Rolle der Kommunen in der Pflege stärken. Diese spielen ihr zufolge eine wichtige Rolle in der Beratung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sowie in der Organisation der örtlichen Hilfs- und Betreuungsangebote. „Dadurch können ältere Menschen in den Orten gehalten werden“, hofft sie. Ein wichtiges Ziel sei außerdem, die Pflegeberatung zu verbessern: „Selbstbestimmtheit und Lebensqualität müssen ganz oben stehen.“
Dass Senioren möglichst lange daheim in ihrem vertrauten Umfeld bleiben können, liegt auch Peter Görlach am Herzen. Er ist Personalfachkraft beim Betreuungs- und Pflegedienst „Home Instead“, der von Augsburg aus Patienten zwischen Meitingen und Mering betreut. „Wenn es nötig ist, auch 24 Stunden rund um die Uhr“, sagt Görlach. Das Team bietet zwar keine medizinische Versorgung, aber Begleitung außer Haus, Haushaltshilfe sowie Grundpflege.
Trotz neuer Angebote wird die Lage nicht entspannter. Das weiß auch Herbert Ederer vom Pflegezentrum Mering. Er berichtet, dass die Größe vieler Zimmer nicht mehr den Mindestanforderungen entsprach, seit die gesetzlichen Anforderungen verschärft wurden: „So sind aus Doppelzimmern jetzt Einzelzimmer geworden und das verschlimmert die Lage zusätzlich; oft rufen uns Leute verzweifelt an, weil sie keinen Platz finden, wenn Oma oder Opa aus dem Krankenhaus kommen.“
Im Sozialbeirat des Landkreises Augsburg sprach die CSU-Landtagsabgeordnete und Kreisrätin Carolina Trautner kürzlich von einer Mammutaufgabe, die sich nicht nur darin erschöpfen werde, ausreichend Pflegeplätze in Heimen zu schaffen. Gefragt sei die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Der Bedarf an Pflegeleistung steigt um über 50 Prozent