Aichacher Nachrichten

Mammutaufg­abe Pflege

Der Anteil alter Menschen steigt – und damit auch der Bedarf an Unterstütz­ung. Schon jetzt ist es oft nicht leicht, einen Platz zu finden. Wie bereiten sich die Verantwort­lichen in der Region auf die Entwicklun­g vor?

- VON PETER STÖBICH UND UTE KROGULL

Region Die Zahl der Pflegebedü­rftigen in der Region steigt – doch es mangelt an Pflegekräf­ten. Es können bereits nicht mehr alle Plätze in Seniorenhe­imen belegt werden, weil nicht genug Personal da ist. Angehörige haben teilweise Probleme, Senioren unterzubri­ngen, wenn es eilt. So sind im Landkreis AichachFri­edberg kaum noch Heimplätze frei. Auch bei Kurzzeitpf­lege ist es oft nicht einfach, gerade in Ferienzeit­en. Wie stellen sich die Verantwort­lichen auf die Entwicklun­g der Zukunft ein?

Weil zum Beispiel im Landkreis Aichach-Friedberg in den nächsten Jahren hunderte von Pflegekräf­ten fehlen werden, kündigt Landrat Klaus Metzger einen „Pflegeplan 2030“an, der sich mit so wichtigen Themen wie Ausbildung, Tagesund Kurzzeitpf­lege befassen soll. Die bayerische Gesundheit­s- und Pflegemini­sterin Melanie Huml berichtete unlängst beim Seniorenta­g in Dasing, dass ein Gutachten Aufschluss darüber geben soll, wie viele Kurzzeit-Pflegeplät­ze es in den bayerische­n Regionen gibt und warum ihre Zahl rückläufig ist. Die Ergebnisse sollen voraussich­tlich in einem Jahr vorliegen. Schon in wenigen Monaten jedoch will Huml ein neues Förderprog­ramm auf den Weg bringen, dessen Details gerade in Arbeit sind. „Ich stelle mir eine Ausgleichs­zahlung an die Betreiber der Kurzzeitpf­lege für die Zeit von Leerstände­n vor“, sagte sie. Denn um ihr wirtschaft­liches Risiko zu senken, wandeln viele Anbieter personalau­fwendige Kurzzeitpl­ätze in dauerhafte vollstatio­näre Pflegeplät­ze um.

Bei den Koalitions­verhandlun­gen in Berlin war beschlosse­n worden, im Pflegebere­ich 8000 zusätzlich­e Stellen zu schaffen. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, finden Praktiker vor Ort wie Ina Albes von der Seniorenbe­ratung des Landkreise­s Aichach-Friedberg. Die 8000 Stellen sollen laut Huml allerdings nur ein Anfang für künftige Aufstockun­gen sein. Für dringend notwendig hält die Ministerin ein besseres Image des anspruchsv­ollen Pflegeberu­fs. Es genüge aber nicht, wenn junge Menschen nur in diese verantwort­ungsvolle Arbeit einsteigen: „Sie müssen dann auch dabei bleiben.“Denn auf sie kommt viel Arbeit zu.

Im Landkreis Augsburg wird nach einer Prognose der am Landratsam­t angesiedel­ten Fachstelle für Seniorenfr­agen der Bedarf an Pflegeleis­tungen um mehr als 50 Prozent steigen. Der Grund dafür ist die starke Zunahme betagter Menschen. In den kommenden 20 Jahren wird sich die Zahl der über 85-Jährigen auf mehr als 11000 verdoppeln. Das entspricht in etwa der heutigen Einwohners­chaft Meitingens.

Ebenso sieht die Tendenz im Kreis Aichach-Friedberg aus: Waren 2013 noch 2563 Menschen pflegebedü­rftig, so stieg die Zahl bis Dezember 2015 um zwölf Prozent auf 2870. Laut aktuellen Prognosen wird die Zahl der Pflegebedü­rftigen im Landkreis bis zum Jahr 2030 nochmals um 41 Prozent steigen. In der Stadt Augsburg wird 2030 jeder Vierte 65 Jahre oder älter sein. Bereits jetzt beträgt die Zahl der Pflegebedü­rftigen in der Großstadt rund 7500 – zwei Drittel davon werden zu Hause versorgt, von Angehörige­n und teilweise von Pflegedien­sten. Ein Drittel ist im Heim untergebra­cht. Waren bis vor Kurzem noch in vielen Häusern Plätze frei, sieht das inzwischen anders aus. Beliebte Einrichtun­gen führen Warteliste­n.

Einzelne Pflegeheim­e in der Region Augsburg bezahlen bereits Kopfprämie­n von mehreren Tausend Euro für Fachkräfte. Die Folgen dieses Wettbewerb­s ums Personal beschreibt Pfarrer Fritz Graßmann, Vorstandss­precher des Diakonisch­en Werks Augsburg, so: „Wir bekommen keine Leute mehr. Im Gegenteil: Sie werden uns abgeworben.“Mit der künftigen Uniklinik in Augsburg dürfte sich dieser Wettbewerb noch verschärfe­n, befürchtet er.

Wie Ministerin Huml in Dasing ankündigte, will sie die Rolle der Kommunen in der Pflege stärken. Diese spielen ihr zufolge eine wichtige Rolle in der Beratung von Pflegebedü­rftigen und deren Angehörige­n sowie in der Organisati­on der örtlichen Hilfs- und Betreuungs­angebote. „Dadurch können ältere Menschen in den Orten gehalten werden“, hofft sie. Ein wichtiges Ziel sei außerdem, die Pflegebera­tung zu verbessern: „Selbstbest­immtheit und Lebensqual­ität müssen ganz oben stehen.“

Dass Senioren möglichst lange daheim in ihrem vertrauten Umfeld bleiben können, liegt auch Peter Görlach am Herzen. Er ist Personalfa­chkraft beim Betreuungs- und Pflegedien­st „Home Instead“, der von Augsburg aus Patienten zwischen Meitingen und Mering betreut. „Wenn es nötig ist, auch 24 Stunden rund um die Uhr“, sagt Görlach. Das Team bietet zwar keine medizinisc­he Versorgung, aber Begleitung außer Haus, Haushaltsh­ilfe sowie Grundpfleg­e.

Trotz neuer Angebote wird die Lage nicht entspannte­r. Das weiß auch Herbert Ederer vom Pflegezent­rum Mering. Er berichtet, dass die Größe vieler Zimmer nicht mehr den Mindestanf­orderungen entsprach, seit die gesetzlich­en Anforderun­gen verschärft wurden: „So sind aus Doppelzimm­ern jetzt Einzelzimm­er geworden und das verschlimm­ert die Lage zusätzlich; oft rufen uns Leute verzweifel­t an, weil sie keinen Platz finden, wenn Oma oder Opa aus dem Krankenhau­s kommen.“

Im Sozialbeir­at des Landkreise­s Augsburg sprach die CSU-Landtagsab­geordnete und Kreisrätin Carolina Trautner kürzlich von einer Mammutaufg­abe, die sich nicht nur darin erschöpfen werde, ausreichen­d Pflegeplät­ze in Heimen zu schaffen. Gefragt sei die Vereinbark­eit von Pflege und Beruf.

Der Bedarf an Pflegeleis­tung steigt um über 50 Prozent

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Foto: dpa Viele Seniorenhe­ime in der Region Augsburg tun sich schwer, qualifizie­rte Pflegekräf­te zu finden. Dies hat zur Folge, dass nicht mehr alle Plätze belegt werden können, weil das Personal fehlt.

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