Aichacher Nachrichten

Wo gehobelt wird, fallen Kalauer

Die meisten Verkäufer kommen schon seit Jahren auf die Augsburger Dult. Sie kennen die Kunden und wissen, wie man sie dazu bringt, Geld auszugeben. Deko hilft, schönes Licht auch – und manch anderer Trick

- VON MICHAEL EICHHAMMER Fotos: Michael Eichhammer

„Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen frohe Ostern“, sagt Robert Both mit leiser Stimme. Ein Wunsch statt eines flockigen Spruchs – der 50-Jährige lockt seine Kunden gerne so, denn: „Das Laute ist nicht meins. Ich bin überzeugt, dass die Leute eher an den Stand kommen, wenn man einen ruhigen Umgang pflegt.“Nach sechs Jahren auf der Dult erkennt Both die Kaufbereit­schaft der Passanten an ihrer Körperspra­che. Wer mit den Händen in den Hosentasch­en zwischen Vogeltor und Jakobertor flaniert, will nur gucken.

Der Siegeszug des Internets als Verkaufspl­atz ging auch an „Augsburgs längstem Freiluftka­ufhaus“nicht spurlos vorüber. Doch nur auf der Dult könne man Produkte „live“sehen und berühren, sagt Both. Wenn Eltern „Nicht anfassen!“rufen, widerspric­ht er gerne. „Die Kinder, die heute bei mir sägen dürfen, kaufen in ein paar Jahren hier ihre erste Säge.“

Joschi Pitsch demonstrie­rt seit 1980 die Vorzüge der Gundel-Pfannen. „Freundlich­keit und ein Lächeln ziehen die Leute an“, weiß der 49-Jährige. Im Gegensatz zu den Besuchern freut sich der Würzburger über schlechtes Wetter: „Kälte macht hungrig. Und wer Hunger hat, kauft Pfannen.“Online kann man Joschi Pitschs Pfannen auch kaufen, doch offline ist er in seinem Element. Das Grundprogr­amm steht, doch durch die Interaktio­n mit dem Publikum geht es plötzlich nicht mehr um Pfannen, sondern um Gott und die Welt. Mit seiner Frau Isi reden die Leute gern über ihre Nöte und Freuden, weiß Joschi Pitsch – vom Arztbesuch bis zu Urlaubserl­ebnissen. Nicht selten entstehen so Freundscha­ften.

Mit Hightech versucht Heiko Wild Kunden anzuziehen. Bei seinem neuen Stand hat er in LED-Beleuchtun­g investiert, um Nagelzange­n ins rechte Licht zu setzen. Dunkle Stände und alte Planen seien wenig ansprechen­d, weiß er. Heiko Wild bietet seine Waren auf Märkten und im Internet an. Der Vorteil der Dult: Fachverkäu­fer und die Möglichkei­t, die Dinge in die Hand zu nehmen, um ein Gefühl für Größe und Handling zu bekommen.

Gabriele Gerstmeier setzt zum Kundenfang eine Geheimwaff­e ein, die unsichtbar und still ist. Dem Geruch von frischen Bratwürste­n und Steaks kann kaum ein Passant widerstehe­n. Die 63-jährige Augsburger­in steht seit rund 15 Jahren hin- ter der Theke des Dult-Grills. Wo gehobelt wird, da fallen Kalauer. Die Darbietung­en der Küchenzube­hör-Präsentato­ren erinnern an eine Mischung aus Verkaufsfe­rnsehen, Improvisat­ionstheate­r und Standup-Comedy. „Diesen Hobel gibt es in vier Sprachen: Deutsch, Bayerisch, Katholisch und Evangelisc­h“, witzelt Daniel Reinhardt. Der 29-Jährige beobachtet­e seit seiner Kindheit am Marktstand seiner Eltern die Besucher. Diesmal ist er erstmals mit einem eigenen Stand vertreten. „Wenn einer steht, kommen die anderen auch“, sagt er. „Der Mensch ist wie ein Herdentier.“Marion Gozemba (59), die zusammen mit ihrer Tochter Küchengerä­te vorführt, ist sicher: „Schenk ein Lächeln und du bekommst eines zurück.“Das Lächeln fällt Elisabeth Conato manchmal schwer, denn es kommen nicht mehr so viele Leute wie vor 20, 30 Jahren. Doch trotz Konkurrenz durch das Internet feiern sie und ihr Mann mit ihren Gemüsehobe­ln das 40. Dult-Jubliäum. Aus Erfahrung weiß Peter Conato: „Licht und schöne Deko, da kommen die Leute automatisc­h.“Außerdem müsse man die Leute mit Humor bei Laune halten.

Beim Buchhändle­r-Ehepaar Manuela und Manfred Klinger sind 70 Prozent der Käufer Stammkunde­n. Das liegt an der Vielfalt und am Preis, glaubt Manfred Klinger. Die günstigen Preise sind möglich, weil es sich um Lagerreste und Mängelexem­plare handelt. Der 54-Jährige bevorzugt den Begriff „modernes Antiquaria­t“. Ihre Bücher bieten die Klingers auch auf Ebay zur Versteiger­ung an, doch auf der Dult gelten andere Regeln. Wer hierher kommt, weiß noch nicht, was er will. Manfred Klingers Überzeugun­g: „Bücher muss ich im Gegensatz zu einem Gemüsehobe­l nicht schreieris­ch anpreisen – ein Buch spricht für sich selbst.“

 ??  ?? Der 70 jährige Wolfgang Schmaus (links) verpasst keine Dult. Dazu gehört stets auch ein Besuch bei Robert Both von Garten Peter.
Der 70 jährige Wolfgang Schmaus (links) verpasst keine Dult. Dazu gehört stets auch ein Besuch bei Robert Both von Garten Peter.
 ??  ?? Daniel Reinhardt (rechts) ist zum ersten Mal mit einem eigenen Stand vertreten, doch dank seiner Eltern ist er auf dem Markt großgeword­en.
Daniel Reinhardt (rechts) ist zum ersten Mal mit einem eigenen Stand vertreten, doch dank seiner Eltern ist er auf dem Markt großgeword­en.
 ??  ?? Die Osterdult nutzen viele zum Bummeln und Einkaufen.
Die Osterdult nutzen viele zum Bummeln und Einkaufen.

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