Mit Bildung gegen Krieg und Leid
Pater Peter Balleis ist im Aindlinger Ortsteil Hausen aufgewachsen. Lange war er Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes. Jetzt setzt er sich für ein Bildungsprojekt ein
München/Aindling Hausen Seit knapp 30 Jahren verschreibt sich Pater Peter Balleis den Ärmsten der Welt. Es gibt kaum ein Krisengebiet der vergangenen Jahrzehnte, das er nicht selbst aufgesucht hat. Der 60-jährige Pater war von 2007 bis 2014 der internationale Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (Jesuit Refugee Service, kurz JRS). Die internationale Hilfsorganisation unterstützt Flüchtlinge und Kranke in globalen Krisenherden. Seit seinem Rückzug aus der Leitung des JRS befasst sich Pater Balleis mit einem anderen Thema: der Bildung. Damit will er neue Krisen verhindern und künftig keinen Nährboden für extreme und menschenverachtende Gruppierungen mehr bieten.
Mit dem Jesuit Worldwide Learning Projekt werden junge Flüchtlinge direkt in den Notunterkünften unterrichtet. Das Programm läuft seit acht Jahren. Derzeit wird es von Pater Balleis geleitet. Dazu reist der gebürtige Hausener um die ganze Welt, sein Arbeitsplatz ist in der Zentrale in Genf, wo er momentan auch lebt. Aber auch im Flugzeug, Zug oder Bus erledigt der Pater seine Aufgaben. „Durchschnittlich 50 Prozent meiner Arbeit mache ich unterwegs.“Ob ein Gespräch mit den Partneruniversitäten in den USA oder der Besuch eines Lernzentrums in Afghanistan, das Reisen gehört zu seinem Berufsalltag.
Neben Englisch- und Intensivkursen ermöglicht das Hilfsprojekt den Flüchtlingen auch Hochschulkurse. Dazu sind eine gute Internetverbindung und Tutoren vor Ort notwendig. Viele westliche Hochschuldozenten lesen ihre Vorträge per Live-Stream und vermitteln somit ihr Wissen bis in die abgelegensten Winkel der Welt. In den vergangenen Jahren konnten damit über 5000 Jugendliche unterrichtet werden. 2020 sollen jährlich bis zu 10 000 Flüchtlinge von dem Bildungsangebot profitieren. Neben amerikanischen Universitäten sind auch deutsche Hochschulen wie die Katholische Universität Eichstätt oder die Hochschule für Philosophie in München an dem Projekt beteiligt. Finanzielle Unterstützung erhält es unter anderem von der Diözese Augsburg und dem Bayerischen Landtag.
Der inhaltliche Fokus der Hochschulkurse liegt auf den Geisteswissenschaften. So finden sich Kurse über interkulturelle Philosophie oder Religionswissenschaft im Angebot. Eine Vorlesung über Weltreligionen sei besonders gut angekommen, berichtet Pater Balleis. Die Religion der Schüler und Studenten spielt keine Rolle für die Aufnahme in das Programm. Mit dem Bildungsangebot will Pater Balleis künftige Krisen an ihrer Wurzel bekämpfen. Ein gut ausgebildeter Mensch lasse sich nicht so leicht in die Irre leiten, glaubt der Jesuitenpater. In den Kursen sollen vor allem Toleranz und Respekt weitergegeben werden. Nur mit Bildung könne Hassdemagogen das Handwerk gelegt werden, ist sich der Pater sicher. Viele Unruhen und Kriege gehen auf Kultur, Identität und Religion zurück. „Ich habe viele Krisen miterlebt und immer wieder die gleichen Muster gesehen“, sagt er aufgebracht. Aber nicht die Religion sei der Grund für Krieg und Elend, sie werde nur zu gern dafür missbraucht, so der Geistliche weiter. In Wahrheit stecke meist nur die Gier und das Böse im Menschen dahinter. „Weder das Christentum noch der Islam oder der Buddhismus heißen Gewalt und Schrecken gut.“Die Gewalt und das damit einhergehende Leid einfach hinzunehmen, ist für ihn keine Lösung.
„Wissen ist kein lokales, sondern ein globales Gut“, betont der Pater. Dabei denkt er auch an die deutsche Berufsausbildung. Oft werde er gefragt, weshalb in den Krisenländern die Wirtschaft nur so zaghaft anlaufe. Seine Antwort darauf ist der Fachkräftemangel. Der deutsche Gesellenbrief und die duale Berufsausbildung seien wichtige Säulen der Wirtschaft, die auch in anderen Ländern etabliert werden müsse. In den kommenden Jahren soll durch Jesuit Worldwide Learning den Jugendlichen eine Ausbildung zum Mediengestalter ermöglicht werden.
Bei all seinen Projekten sehe er immer zuerst das große Ziel und lasse sich nicht von den vielen kleinen Bedenken abhalten. „Auf dem Weg können alle Probleme gelöst werden, solange man das große Ganze nicht aus den Augen verliert.“Und trotz des Elends, dass er im Laufe der Jahre immer wieder zu Gesicht bekommen hat, glaubt er an das Gute. „Die Welt wird sich verändern, das können auch die Rückwärtsgewandten nicht aufhalten.“