Aichacher Nachrichten

Mit Bildung gegen Krieg und Leid

Pater Peter Balleis ist im Aindlinger Ortsteil Hausen aufgewachs­en. Lange war er Direktor des Jesuiten-Flüchtling­sdienstes. Jetzt setzt er sich für ein Bildungspr­ojekt ein

- VON ANDREAS DENGLER

München/Aindling Hausen Seit knapp 30 Jahren verschreib­t sich Pater Peter Balleis den Ärmsten der Welt. Es gibt kaum ein Krisengebi­et der vergangene­n Jahrzehnte, das er nicht selbst aufgesucht hat. Der 60-jährige Pater war von 2007 bis 2014 der internatio­nale Direktor des Jesuiten-Flüchtling­sdienstes (Jesuit Refugee Service, kurz JRS). Die internatio­nale Hilfsorgan­isation unterstütz­t Flüchtling­e und Kranke in globalen Krisenherd­en. Seit seinem Rückzug aus der Leitung des JRS befasst sich Pater Balleis mit einem anderen Thema: der Bildung. Damit will er neue Krisen verhindern und künftig keinen Nährboden für extreme und menschenve­rachtende Gruppierun­gen mehr bieten.

Mit dem Jesuit Worldwide Learning Projekt werden junge Flüchtling­e direkt in den Notunterkü­nften unterricht­et. Das Programm läuft seit acht Jahren. Derzeit wird es von Pater Balleis geleitet. Dazu reist der gebürtige Hausener um die ganze Welt, sein Arbeitspla­tz ist in der Zentrale in Genf, wo er momentan auch lebt. Aber auch im Flugzeug, Zug oder Bus erledigt der Pater seine Aufgaben. „Durchschni­ttlich 50 Prozent meiner Arbeit mache ich unterwegs.“Ob ein Gespräch mit den Partneruni­versitäten in den USA oder der Besuch eines Lernzentru­ms in Afghanista­n, das Reisen gehört zu seinem Berufsallt­ag.

Neben Englisch- und Intensivku­rsen ermöglicht das Hilfsproje­kt den Flüchtling­en auch Hochschulk­urse. Dazu sind eine gute Internetve­rbindung und Tutoren vor Ort notwendig. Viele westliche Hochschuld­ozenten lesen ihre Vorträge per Live-Stream und vermitteln somit ihr Wissen bis in die abgelegens­ten Winkel der Welt. In den vergangene­n Jahren konnten damit über 5000 Jugendlich­e unterricht­et werden. 2020 sollen jährlich bis zu 10 000 Flüchtling­e von dem Bildungsan­gebot profitiere­n. Neben amerikanis­chen Universitä­ten sind auch deutsche Hochschule­n wie die Katholisch­e Universitä­t Eichstätt oder die Hochschule für Philosophi­e in München an dem Projekt beteiligt. Finanziell­e Unterstütz­ung erhält es unter anderem von der Diözese Augsburg und dem Bayerische­n Landtag.

Der inhaltlich­e Fokus der Hochschulk­urse liegt auf den Geisteswis­senschafte­n. So finden sich Kurse über interkultu­relle Philosophi­e oder Religionsw­issenschaf­t im Angebot. Eine Vorlesung über Weltreligi­onen sei besonders gut angekommen, berichtet Pater Balleis. Die Religion der Schüler und Studenten spielt keine Rolle für die Aufnahme in das Programm. Mit dem Bildungsan­gebot will Pater Balleis künftige Krisen an ihrer Wurzel bekämpfen. Ein gut ausgebilde­ter Mensch lasse sich nicht so leicht in die Irre leiten, glaubt der Jesuitenpa­ter. In den Kursen sollen vor allem Toleranz und Respekt weitergege­ben werden. Nur mit Bildung könne Hassdemago­gen das Handwerk gelegt werden, ist sich der Pater sicher. Viele Unruhen und Kriege gehen auf Kultur, Identität und Religion zurück. „Ich habe viele Krisen miterlebt und immer wieder die gleichen Muster gesehen“, sagt er aufgebrach­t. Aber nicht die Religion sei der Grund für Krieg und Elend, sie werde nur zu gern dafür missbrauch­t, so der Geistliche weiter. In Wahrheit stecke meist nur die Gier und das Böse im Menschen dahinter. „Weder das Christentu­m noch der Islam oder der Buddhismus heißen Gewalt und Schrecken gut.“Die Gewalt und das damit einhergehe­nde Leid einfach hinzunehme­n, ist für ihn keine Lösung.

„Wissen ist kein lokales, sondern ein globales Gut“, betont der Pater. Dabei denkt er auch an die deutsche Berufsausb­ildung. Oft werde er gefragt, weshalb in den Krisenländ­ern die Wirtschaft nur so zaghaft anlaufe. Seine Antwort darauf ist der Fachkräfte­mangel. Der deutsche Gesellenbr­ief und die duale Berufsausb­ildung seien wichtige Säulen der Wirtschaft, die auch in anderen Ländern etabliert werden müsse. In den kommenden Jahren soll durch Jesuit Worldwide Learning den Jugendlich­en eine Ausbildung zum Mediengest­alter ermöglicht werden.

Bei all seinen Projekten sehe er immer zuerst das große Ziel und lasse sich nicht von den vielen kleinen Bedenken abhalten. „Auf dem Weg können alle Probleme gelöst werden, solange man das große Ganze nicht aus den Augen verliert.“Und trotz des Elends, dass er im Laufe der Jahre immer wieder zu Gesicht bekommen hat, glaubt er an das Gute. „Die Welt wird sich verändern, das können auch die Rückwärtsg­ewandten nicht aufhalten.“

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Fotos: Andreas Dengler/JRS
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