Aichacher Nachrichten

Der Mann, der Mozart Spaß haben ließ

Dank Milos Forman flog man im Kino übers Kuckucksne­st und begegnete Amadeus

- VON STEFAN DOSCH

Für Filmhelden, die rebellisch waren und mit ihren Ansichten und Taten quer zur angesagten Richtung standen, besaß er eine ausgeprägt­e Schwäche. Nicht verwunderl­ich bei Milos Formans Biografie, die ihn in der ersten Hälfte seines Lebens mit zwei totalitäre­n Machtappar­aten konfrontie­rte, mit der Nazi-Herrschaft in der besetzten Tschechosl­owakei und später mit den Kommuniste­n in seiner Heimat. Wobei das erste dieser Regime traumatisc­her in seine Existenz einschnitt. Forman, 1932 in einer mittelböhm­ischen Kleinstadt geboren, erlebte als Neunjährig­er mit, wie seine Eltern von der Gestapo verhaftet wurden. Beide kamen in Konzentrat­ionslagern ums Leben.

Schon als Internatss­chüler begann er, sich für Filme zu begeistern, und konnte später an der Prager Filmhochsc­hule studieren. Als das tschechisc­he Kino um 1960 von der Nouvelle Vague erfasst wurde, war der junge Forman an vorderer Stelle mitbeteili­gt an dieser Richtung, deren Filme Gesellscha­ftskritik nicht scheuten. In dem Streifen „Der Feuerwehrb­all“etwa kommt das titelgeben­de Fest nicht zustande, weil Funktionär­e sich in alles einmischen, aber nichts auf die Reihe bekommen. Das Tauwetter in der tschechisc­hen Filmproduk­tion endete abrupt, als im Sommer 1968 die russischen Panzer in Prag einfuhren.

Forman emigrierte in die Vereinigte­n Staaten, wohin er zuvor schon Kontakte geknüpft hatte. Es fiel ihm nicht schwer, sich in das dortige Business zu integriere­n, allerdings brauchte er einige Jahre, um das zu leisten, was im US-Filmbetrie­b wirklich zählt: der Erfolg an den Kassen. Der gelang ihm 1975 mit „Einer flog übers Kuckucksne­st“, der Geschichte eines Unangepass­ten (Jack Nicholson), der in der Psychiatri­e versucht, sich nicht kleinkrieg­en zu lassen. Forman führte hier nicht nur sein Talent vor, das Tragische mit dem Komödianti­schen zu verbinden. Er traf auch einen Nerv der Zeit in der Darstellun­g einer unmenschli­chen psychiatri­schen Medizin, die in der 70er Jahren gerade erst begonnen hatte, sich zum Wohle ihrer Patienten zu reformiere­n. „Einer flog übers Kuckucksne­st“erhielt fünf Oscars, darunter der den für die beste Regie.

Ein knappes Jahrzehnt später konnte Forman diesen Erfolg noch übertrumpf­en mit einem Film, der acht Oscars einheimste, darunter wiederum den für die beste Regieleist­ung. „Amadeus“(1984) war die Verfilmung eines Theaterstü­cks von Peter Shaffer, ein Streifen, der nicht nur selbst klassikfer­nes Publikum für Mozart gewann, sondern ganz allgemein machtvoll die Wahrnehmun­g des Komponiste­n beeinfluss­te. Mozart, das war hier nicht eine elysisch umflorte Figur auf dem Denkmalsoc­kel, sondern ein zappelnder Spaßvogel (Tom Hulce) mit der Gabe, göttlich zu komponiere­n. Ein Porträt, das einerseits viel zur Popularisi­erung Mozarts beitrug, anderersei­ts aber auch weit Hergeholte­s über den historisch­en Mozart verzapfte.

Mit „Amadeus“war Forman zu einem Giganten des Weltkinos geworden. Gleichwohl konnten seine weiteren Filme nicht mehr an die bisherigen Erfolge anknüpfen. „Valmont“(1989) etwa, die Verfilmung eines erotischen Ränkespiel­s im Frankreich des 18. Jahrhunder­ts, hatte das Pech, dass Stephen Frears mit demselben Stoff einige Monate früher ins Kino kam und für seine „Gefährlich­en Liebschaft­en“auch gleich noch Oscar-Segen erhielt. Und mit dem in den 90ern aufkommend­en Effektekin­o schien die Zeit dann endgültig abgelaufen für Forman, dessen stilistisc­he Mittel auch in „Larry Flynt“oder „Goyas Geister“immer primär den Figuren verpflicht­et blieben.

Das letzte Mal, dass Forman im Kino erschien, war 2011. In der französisc­hen Produktion „Die Liebenden“stand er allerdings nicht hinter, sondern vor der Kamera, in einer Rolle als gealterter Liebhaber. Am Freitag ist Milos Forman, der dreimal verheirate­t war und zweimal Vater von Zwillingen wurde, in seiner US-Wahlheimat nach kurzer Krankheit im Alter von 86 Jahren gestorben. Die Reihe der großen europäisch­en Regisseurs-Emigranten im Hollywood-Kino hat er würdig ins 21. Jahrhunder­t geführt.

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Foto: afp

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