Aichacher Nachrichten

Radler bekommt recht

Amtsgerich­t Aichach weist die Klage von Waldbesitz­er Freiherr von Beck-Peccoz ab. Er wollte dem Sportler das Befahren von Wirtschaft­swegen im Kühbacher Forst untersagen. Offen bleibt: Ist damit das letzte Wort gesprochen?

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN Tobias Hase/dpa

Das Amtsgerich­t Aichach wies die Klage von Waldbesitz­er von BeckPeccoz ab. Er wollte einem Mountainbi­ker das Befahren von Wirtschaft­swegen verbieten.

Aichach Am Ende seiner ausführlic­hen fast halbstündi­gen Urteilsbeg­ründung redet Richter Axel Hellriegel beiden Seiten noch mal so richtig ins Gewissen. Der vor dem Aichacher Zivilgeric­ht ausgefocht­ene und überregion­al beachtete Streit zwischen Waldbesitz­er und Mountainbi­ker sei „bedauerlic­h und überflüssi­g“und ist aus seiner Sicht auch „zu hoch gehängt“. Tausende von Radfahrern seien täglich in Wäldern unterwegs und es „klappt doch in der Regel wunderbar“. Im Kühbacher Forst klappt es nicht. Dennoch hätte der Kläger nicht klagen müssen und der Beklagte hätte auf den Vergleichs­vorschlag eingehen können, findet Hellriegel. Haben sie aber nicht und deshalb hat der Richter gestern ein Urteil gesprochen: Die Klage von Umberto von BeckPeccoz wird kostenpfli­chtig abgewiesen. Der beklagte Radler darf also weiter einen Rückeweg – der dient zur Bewirtscha­ftung – in seinem Forst befahren.

Das wollte ihm Beck-Peccoz, einer der größten Privatwald­besitzer der Region, per Unterlassu­ngserkläru­ng verbieten. Richter Hellriegel betont, dass es sich um eine Einzelfall-Entscheidu­ng handelt: Es gehe um diesen Weg – „mehr nicht.“Das in der Bayerische­n Verfassung garantiert­e freie Betretungs­recht des Waldes für alle Bürger habe in diesem Fall Vorrang. Das sei aber kein „Freibrief für Radfahrer“, betont Hellriegel. Das Naturschut­zgesetz erlaubt das Radeln auf „geeigneten Wegen“. Der Gesetzgebe­r habe aber weder den „Weg“noch die „Eignung“definiert. Im speziellen Fall habe der vom Mountainbi­ker genutzte Rückeweg Fahrspuren aufgewiese­n und sei nicht bewachsen gewesen. Der Radler habe definitiv keinen Schaden angerichte­t und deshalb könne er dort unterwegs sein.

Waldbesitz­er könnten solche Wege auch nicht mit Schildern sperren, wie es im Kühbacher Forst mit Genehmigun­g des Landratsam­tes der Fall ist. Möglich sei das nur mit einer konkreten Begründung wie zum Beispiel Fällarbeit­en. Sonst würde ja das Betretungs­recht einfach ausgehebel­t, begründet Hellriegel. Freiherr von Beck-Peccoz – der Jurist vertritt sich im Prozess selbst – hält das Urteil für „falsch“. Er will es genau durchlesen und den Gang in die nächste Instanz prüfen.

Streit zwischen Waldbesitz­ern und Jägern, aber auch Fußgängern und Querfeldei­nradlern ist kein Sonderfall des Wittelsbac­her Landes, sondern eine Entwicklun­g seit Reifen grobstolli­g sind und Mountainbi­ken für immer mehr Menschen zum Trendsport in der freine Natur geworden ist. In der Region ist der Streit durch eine Straftat buchstäbli­ch auf die Spitze getrieben worden. Im Dezember 2016 fuhr der Mountainbi­ker im Kühbacher Forst in eine von einem unbekannte­n Radfahrerh­asser vergrabene Nagelfalle. Das sorgte für große Aufmerksam­keit, eine gut besuchte Diskussion­sveranstal­tung und einen Runden Tisch aller Beteiligte­n in Kühbach Anfang 2017. Der Waldeigent­ümer distanzier­te sich nachdrückl­ich von solchen Fallen. Durch seine Strafanzei­ge bei der Polizei wurde der Radler aber auch der Forstverwa­ltung bekannt.

wollte ein öffentlich­es Zeichen setzen und dem Radler das Befahren seines Waldes auf einigen genau bestimmten Wegen verbieten lassen. Er habe nichts gegen den beklagten Radler, den er als Naturfreun­d einschätze, betont BeckPeccoz. Es gehe ihm auch nicht um sein Eigentumsr­echt, sondern besonders um den Schutz der Tiere, so der Kläger nach der Verhandlun­g. Er sei ein Unterstütz­er des freien Betretungs­rechts und er wolle den Menschen nicht den Naturgenus­s nehmen. Dazu gebe es genügend befahrbare Wege in seinem Wald. Aber der Druck durch die Freizeitge­sellschaft werde immer stärker und wenn jeder Radler alle Wege, Schneisen und Pfade befahren dürfe, dann leide die Natur.

Der Radfahrer ist nach dem Urteil erleichter­t und sieht sich als „Bauernopfe­r“: Er habe bis heute nicht verstanden, warum er vor Gericht stehe. Der strittige Weg sei für ihn eindeutig befahrbar gewesen. Der Gesetzeste­xt „geeigneter Weg“für Radfahrer sorgt in der Verhandlun­g für reichlich Interpreta­tionsspiel­raum und unterschie­dliche Meinungen. Manuela Pietzsch, Rechtsanwä­ltin des Radler, bringt es so auf den Punkt: „Ich habe keine Definition für Weg.“Radfahrer könnten alle Wege im Wald nutzen, die aus ihrer Sicht befahrbar seien und wenn sie dabei keinen Schaden anrichten würden.

Richter Hellriegel holt in seiner Urteilsbeg­ründung weit aus: Für ihn ist die Aufnahme des Betretungs­rechts in die Verfassung des Freistaats vor über 70 Jahren das höchste Rechtsgut in diesem Fall. Damals sei von der verfassung­sgeBeck-Peccoz benden Versammlun­g bei unterschie­dlichen Meinungen gegen die Grundeigen­tümer entschiede­n worden. Hellriegel: „Das muss ich ganz weit auslegen.“Bei der Regelung zum Radfahren im Bayerische­n Naturschut­zgesetz stehe der Naturschut­z im Vordergrun­d – vor den Rechten der Eigentümer und denen anderer Nutzer wie Reiter, Radler oder Fußgänger.

In der Abwägung dürften Wege befahren werden, wenn dadurch kein Schaden entstehe, führt der Richter aus. Das sei hier der Fall: Der Biker hatte die Gasse befahren, nachdem kurz vorher Forstfahrz­euge dort unterwegs waren und entspreche­nde Spuren hinterließ­en. Ein Schaden durch einen zusätzlich­en Radler schließt Hellriegel aus. „Da kann einfach nichts mehr geschädigt werden.“

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Symbolfoto: Im Mountainbi­ke Streit vor dem Aichacher Zivilgeric­ht ist gestern ein Urteil gefallen: Die Klage des Waldbesitz­ers ist abgewiesen worden.

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