Randalierer greift nach Polizeiwaffe
Beamte nehmen einen 23-Jährigen festnehmen. Da spürt einer, dass der Mann die Hand an seiner Pistole hat
Es war ein Einsatz, mit dem die Polizei fast täglich konfrontiert ist: Fünf Polizisten mussten am Abend des 2. November 2017 am Lechhauser Schlössle einen von Tabletten und Alkohol benebelten Randalierer festnehmen. Als der 34-Jährige, der sich heftig wehrte, am Boden gefesselt wurde, geschah, was Polizisten unter allen Umständen vermeiden wollen: Dem Mann gelang es, an die Waffe eines Beamten, 26, zu greifen und zu entsichern. Nur die zweite Sicherung, ein Bügel am Holster, verhinderte, dass sich der 34-Jährige der Waffe bemächtigen konnte. Ein Schöffengericht unter Vorsitz von Susanne Scheiwiller, arbeitete die Geschehnisse auf, die eingebettet waren in eine Reihe von Taten.
Der Angeklagte (Verteidiger: Werner Ruisinger), dessen Leben seit der Jugendzeit von Alkohol, Drogen und Medikamentenmissbrauch bestimmt ist, hatte auch an jenem Tag zehn Halbe Bier, Psychopharmaka und Schnaps konsumiert. Und er war völlig frustriert. „Weil es allen anderen gut ging, nur mir nicht“, begründete er seinen damaligen Unmut. Und so ließ er seine Umwelt dafür büßen. Zunächst schlug er im Vorbeigehen in der Neuburger Straße einen wildfremden Passanten, 73, wortlos mit einem Faustschlag zu Boden. Der Mann stieß gegen einen Betonpoller und erlitt eine bis heute nachwirkende Oberarmprellung. Auf der Flucht vor der Polizei, so sagt der Angeklagte, sei er dann in ein Bekleidungsgeschäft gerannt. „Ich wollte mich verstecken“. Als die Filialleiterin, 45, ihn zum Verlassen aufforderte, da bereits geschlossen sei, räumte er einfach Ware aus den Regalen, verstreute sie am Boden. Als Polizisten eintrafen, hielt er sich ein Bettlaken vor das Gesicht.
Mit insgesamt fünf Beamten und Beamtinnen lieferte sich der 34-Jährige dann eine Auseinandersetzung, schlug zu, trat mit den Füßen, spuckte, stieß mit dem Kopf. Bei der Fesselung am Boden spürte der 26-jährige Polizist die Hand des Randalierers an seiner Waffe. Diese war bereits entsichert. Nur die sogenannte Sekundärsicherung hielt die Pistole noch im Holster. „Wenn er sie aus dem Holster gezogen hätte, wäre sie schussbereit gewesen“, erinnert sich der Beamte. „Hinterher hat uns das alle sehr mitgenom- men“. Im Gedächtnis hatten die Beamten wohl den dramatischen Vorfall in München, bei dem im Juni 2017 ein Mann bei der Festnahme eine junge Polizistin mit einer Polizeiwaffe in den Kopf geschossen hatte, die seitdem im Koma liegt.
Den Griff an die Waffe konnte sich der Angeklagte überhaupt nicht erklären. „Das war Schwachsinn“, räumt der 34-Jährige ein. Zur Tatzeit hatte er rund 2,5 Promille im Blut. Der bereits wegen Gewaltund Drogendelikten vielfach vorbestrafte Angeklagte war den Beamten der Inspektion Ost bereits bekannt. So hatte er sich einmal, wohl auch im Drogenrausch, als „Werwolf“gefühlt und sein eigenes Blut trinken wollen. Der psychiatrische Gutachter Dr. Albrecht Stein stufte den Angeklagten als Hangtäter ein, mit der Gefahr weiterer Straftaten bei Alkohol- und Drogenmissbrauch. Der Angeklagte („Ich bekomm’ nichts auf die Reihe, ich möchte aufhören mit dem Scheiß“) erklärte sich bereit für eine längere Therapie in einer psychiatrischen Klinik.
Eine entsprechende Einweisung neben der Strafe beantragten Staatsanwältin Alexandra Krug und Verteidiger Werner Ruisinger. Dem folgte das Gericht. Der Angeklagte wurde schließlich wegen zahlreicher Delikte zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt. In dieser Zeit muss er auch in die geschlossene Psychiatrie.
Drogen und Tabletten sind schon lange ein Problem