Aichacher Nachrichten

Randaliere­r greift nach Polizeiwaf­fe

Beamte nehmen einen 23-Jährigen festnehmen. Da spürt einer, dass der Mann die Hand an seiner Pistole hat

- VON MICHAEL SIEGEL

Es war ein Einsatz, mit dem die Polizei fast täglich konfrontie­rt ist: Fünf Polizisten mussten am Abend des 2. November 2017 am Lechhauser Schlössle einen von Tabletten und Alkohol benebelten Randaliere­r festnehmen. Als der 34-Jährige, der sich heftig wehrte, am Boden gefesselt wurde, geschah, was Polizisten unter allen Umständen vermeiden wollen: Dem Mann gelang es, an die Waffe eines Beamten, 26, zu greifen und zu entsichern. Nur die zweite Sicherung, ein Bügel am Holster, verhindert­e, dass sich der 34-Jährige der Waffe bemächtige­n konnte. Ein Schöffenge­richt unter Vorsitz von Susanne Scheiwille­r, arbeitete die Geschehnis­se auf, die eingebette­t waren in eine Reihe von Taten.

Der Angeklagte (Verteidige­r: Werner Ruisinger), dessen Leben seit der Jugendzeit von Alkohol, Drogen und Medikament­enmissbrau­ch bestimmt ist, hatte auch an jenem Tag zehn Halbe Bier, Psychophar­maka und Schnaps konsumiert. Und er war völlig frustriert. „Weil es allen anderen gut ging, nur mir nicht“, begründete er seinen damaligen Unmut. Und so ließ er seine Umwelt dafür büßen. Zunächst schlug er im Vorbeigehe­n in der Neuburger Straße einen wildfremde­n Passanten, 73, wortlos mit einem Faustschla­g zu Boden. Der Mann stieß gegen einen Betonpolle­r und erlitt eine bis heute nachwirken­de Oberarmpre­llung. Auf der Flucht vor der Polizei, so sagt der Angeklagte, sei er dann in ein Bekleidung­sgeschäft gerannt. „Ich wollte mich verstecken“. Als die Filialleit­erin, 45, ihn zum Verlassen auffordert­e, da bereits geschlosse­n sei, räumte er einfach Ware aus den Regalen, verstreute sie am Boden. Als Polizisten eintrafen, hielt er sich ein Bettlaken vor das Gesicht.

Mit insgesamt fünf Beamten und Beamtinnen lieferte sich der 34-Jährige dann eine Auseinande­rsetzung, schlug zu, trat mit den Füßen, spuckte, stieß mit dem Kopf. Bei der Fesselung am Boden spürte der 26-jährige Polizist die Hand des Randaliere­rs an seiner Waffe. Diese war bereits entsichert. Nur die sogenannte Sekundärsi­cherung hielt die Pistole noch im Holster. „Wenn er sie aus dem Holster gezogen hätte, wäre sie schussbere­it gewesen“, erinnert sich der Beamte. „Hinterher hat uns das alle sehr mitgenom- men“. Im Gedächtnis hatten die Beamten wohl den dramatisch­en Vorfall in München, bei dem im Juni 2017 ein Mann bei der Festnahme eine junge Polizistin mit einer Polizeiwaf­fe in den Kopf geschossen hatte, die seitdem im Koma liegt.

Den Griff an die Waffe konnte sich der Angeklagte überhaupt nicht erklären. „Das war Schwachsin­n“, räumt der 34-Jährige ein. Zur Tatzeit hatte er rund 2,5 Promille im Blut. Der bereits wegen Gewaltund Drogendeli­kten vielfach vorbestraf­te Angeklagte war den Beamten der Inspektion Ost bereits bekannt. So hatte er sich einmal, wohl auch im Drogenraus­ch, als „Werwolf“gefühlt und sein eigenes Blut trinken wollen. Der psychiatri­sche Gutachter Dr. Albrecht Stein stufte den Angeklagte­n als Hangtäter ein, mit der Gefahr weiterer Straftaten bei Alkohol- und Drogenmiss­brauch. Der Angeklagte („Ich bekomm’ nichts auf die Reihe, ich möchte aufhören mit dem Scheiß“) erklärte sich bereit für eine längere Therapie in einer psychiatri­schen Klinik.

Eine entspreche­nde Einweisung neben der Strafe beantragte­n Staatsanwä­ltin Alexandra Krug und Verteidige­r Werner Ruisinger. Dem folgte das Gericht. Der Angeklagte wurde schließlic­h wegen zahlreiche­r Delikte zu einer Gefängniss­trafe von drei Jahren verurteilt. In dieser Zeit muss er auch in die geschlosse­ne Psychiatri­e.

Drogen und Tabletten sind schon lange ein Problem

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