Bei Tobias Freude kann man die Liebe kaufen
Der Steinbildhauer aus dem Friedberger Stadtteil Derching hat den Friedwärts-Schriftzug auf der Stadtmauer geschaffen. Songtexte inspirieren den 43-Jährigen zu seiner Buchstabenkunst. Doch einmal hat er einfach alles zerstört
Friedberg Derching Die Liebe und die Zeit sind es, die sich am besten verkaufen. Beide sind sie Werke des Derchinger Bildhauers Tobias Freude, der steinerne Schriftzüge erschafft. „Liebe verschenken die Menschen oft, Zeit kaufen sie für sich selber“, erzählt er. Glück und Ruhe seien weitere beliebte Worte – sagt das nicht viel aus über unsere Zeit und die Sehnsüchte der Menschen? Freude hofft jedenfalls, dass er so als Bildhauer Impulse geben kann. „Ein Mensch liest das Wort und es wird ihm etwas bewusst, vielleicht nur für einen Moment – aber das kann reichen.“
In Friedberg ist der 1974 geborene Bildhauer durch einen anderen Schriftzug bekannt. „Friedwärts“prangt seit 2016 auf der Stadtmauer; die Stadt erwarb das Werk nach dem Skulpturenpfad. Doch Freude lebt schon weit länger mit seiner Frau, der Holzbildhauerin Christiane Osann, zwei Kindern, Katzen und Hühnern in einem alten Häuschen an der Ach in Derching. Leben und Arbeiten gehen hier ineinander über. Sein Atelier ist im alten Schuppen, das seiner Frau im Haus. Die Werke der beiden sind überall auf dem Grundstück verteilt, dazwischen Schaukel und Sandkasten der Kinder.
Das ererbte Haus macht es möglich, dass die beiden die Familie mit ihrer Kunst ernähren können. Freude, der vor seinem Studium an der Kunstakademie Bremen Steinmetz gelernt hat, gestaltet zum Broterwerb außerdem außergewöhnliche Grabsteine. Doch sein Herz schlägt für die Buchstabenkunst. Ein Satz von Albert Einstein war es, der ihn in der Zeit seines Auslandsstudiums in Neuseeland dazu inspirierte: „Imagination is more important than knowledge.“Dass Vorstellungskraft wichtiger ist als Wissen, dem Künstler ein. Es war der erste Satz, den er aus Untersberger Marmor schlug. Dem gleichnamigen Steinbruch nahe Salzburg ist er treu geblieben. Zweimal im Jahr fährt er mittlerweile dorthin, arbeitet zusammen mit Künstlerkollegen und krönt das jeweilige Werk mit einer Performance, bei der Menschen, oft überzogen mit einer Creme aus Marmormehl, zu Skulpturen werden, während durch den Steinbruch Musik schallt.
Musik und auch Songtexte sind eine wichtige Inspirationsquelle für Freude. Beispiel dafür ist die jüngste Entwicklung seines Werks: Er überzieht ausgemusterte Notebooks oder Computerbildschirme mit diversen Schichten, sodass sie wie steinerne Relikte wirken. Auf zwei hat er – in Anlehnung an Gloria Estefans 80er-Jahre-Hit „Rhythm is gonna get you“– seine Buchstaben gesetzt: „Algorhythm s’gonna get You – Tonight“. Angesichts des aktuellen Facebook-Skandals schon fast prophetisch. Als Auftragsarbeiten gestaltet er auch Wörter oder Firmennamen nach Wunsch – eine Grenze gibt es trotzdem. „Bei Parteien oder allem, was anrüchig ist, würde ich mich weigern.“
Bei all dem steht Freude mit beiden Beinen auf dem Boden. Geboren nahe Freiburg zog es ihn erst nach Ausbildungs- und Gesellenjahren als Steinmetz und Bildhauer an die Akademie. Den Professor in Bremen beeindruckten damals nicht nur die praktischen Kenntnisse, sondern auch die Tatkraft des Aspiranten: Während andere zur Bewerleuchtete bung nur Mappen einreichten, karrte Freude ein 120 Kilo schweres Werk 750 Kilometer weit und stellte es dem Professor vor die Füße. Er habe viel Kraft, etwas umzusetzen, sagt Freude über sich. Nur in Konzepten hängen zu bleiben, sie seine Sache nicht. So ließ er einmal für eine Performance seine Buchstaben, das Resultat von drei Jahren Arbeit, einen Hang hinunterkippen. „Das war eine große Befreiung.“
Und auch in Friedberg will er sich weiterhin einbringen. Er arbeitet mit dem Team der Neo Gallery am Friedberger Berg zusammen und möchte sich künstlerisch im Schloss und im Rahmen der Landesausstellung einbringen. Das Material für diese Werke, sagt er, solle dann aber dem Wittelsbacher Land kommen. „Von hier für hier“– das könnte fast einer seiner Schriftzüge sein.
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Tag des offenen Ateliers Tobias Freude und Christiane Osann öffnen ihre Türen Am Achrain 2 in Derching vom 13. bis 15. Juli für Interessierte.