Viele erinnern sich an den „schönen Theo“
Etwa 40 Zuschauer sehen im Aichacher Kino die erste Vorführung des überarbeiteten Dokumentarfilms „Theo Berger – Der Al Capone vom Donaumoos“. Darunter sind einige, die die Zeit erlebt haben
Aichach Neu überarbeitet hat Regisseur Oliver Herbrich seinen Dokumentarfilm „Theo Berger – Der Al Capone vom Donaumoos“aus dem Jahr 1985 (wir berichteten). Im Aichacher Kino Cineplex lief er erstmals am Donnerstagabend. Unter den etwa 40 Besuchern waren einige Zeitzeugen. In dem von Filmemacher Oliver Herbrich gedrehten Streifen spielt Berger selbst die Hauptrolle. Dies war nur möglich, weil der an Leukämie unheilbar Erkrankte damals vorzeitig aus der Haft entlassen worden war.
Im Film bekommt Theo Berger die Gelegenheit, sein wildes Räuberleben aus seinem Blickwinkel zu erzählen – in seiner ihm ureigenen, oberbayrisch geprägten MöslerSprache, die dank Untertiteln auch für den Nichtbayern verständlich wird.
Er erzählt, wie er sich schon in der Schule gegen die autoritären Lehrer gewehrt und immer wieder Prügel bezogen hat. Wie er nach mehreren, vermeintlichen Bagatelldelikten schon als 20-Jähriger zu einer, nach seiner Sicht viel zu hohen dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden war und seitdem jeglichen Respekt vor der Obrigkeit verloren hatte. Wie er später mit seiner Bande seine Diebstahls- und Raubdelikte begangen hatte. Wie sein uneheliches Kind gleich nach der Geburt gestorben, der Pfarrer eine kirchliche Beerdigung verweigert und er das Kind schließlich heimlich nachts am Friedhof vergraben hatte.
Der „Al Capone vom Donaumoos“, wie Berger von der Presse einst genannt wurde, kommt als Erzähler beim Kinopublikum nicht unsympathisch an. Viele Besucher lachen sogar laut, wenn er in Angeber-Manier prahlt, wie er die Polizisten jahrelang an der Nase herumgeführt hat. Wie er mit seiner Bande in einem gestohlenen Auto, von Königsbrunn kommend, einen Tankautomaten nach dem anderen geknackt hat. Und die Polizei immer näher gekommen war. Wie im Spiel, wie bei Räuber und Schandi: Der vermeintlich Stärkere gegen den Schwächeren – die Räuber fahren Opel Diplomat oder Admiral, die Schandis VW Käfer.
Als eine Art Al Capone habe er sich nie gefühlt, sagt er im Film. Seine Verbrechen hatten demnach nie mit organisierter Kriminalität zu tun und waren nie minutiös vorbereitet. Sie entstanden meist „spontan und aus dem Bauch heraus“, wie Berger im Film betont.
Im Film kommt auch Bergers Tochter zu Wort, die nie Zärtlichkeit von ihm erfahren hat, aber den- noch glaubt, dass alles anders gekommen wäre, wenn ihr Vater in seiner Jugend eine starke Führung gehabt hätte. Bergers Mutter erzählt scheinbar stolz von den vielen Polizeibesuchen während seiner Flucht: „Er war oft ob’n g’leg’n, wia d’Polizei kemma is.“. Auf die Frage nach dem Verbleib von ihrem Sohn habe sie einmal gesagt: „Grad war er no do. Vor fünf Minuten. Do hot er aus’m Fernseh’ rausgschaugt!“.
Als einer der „Berger-Fänger“wurde der Schrobenhausener Polizeibeamte Josef Paulus bekannt, der in der Dokumentation auch persönlich zu Wort kommt. In der Scharnitz, einem Waldstück zwischen Kühbach und Peutenhausen, war damals Bergers abgestelltes Auto gesichtet worden. Paulus hatte Berger mit einer Maschinenpistole in Schach gehalten, bis dieser schließlich von zwei zu Hilfe gekommenen Aichacher Polizeibeamten gefesselt in die Haftzelle nach Schrobenhausen gebracht werden konnte.
Einer der Zeitzeugen sitzt auch im Kino: Der ehemalige Aichacher Polizeichef Reiner Braun war damals einer der jüngsten Streifenbeamten in Aichach. Er erzählt, wie er immer wieder in die Fahndungen nach dem Flüchtigen eingebunden und auch in seiner Freizeit oft alarmiert worden war. „Wir gehörten damals noch zu Oberbayern. Da gehörte eine Unterstützung der Schrobenhausener Nachbar-Dienststelle zum Dienstbetrieb.“Braun war an Durchsuchungen beteiligt, einmal auch im Wohnhaus der Bergers in Ludwigsmoos. „Nach den Schüssen auf den Schrobenhausener Kollegen war bei Berger mit allem zu rechnen. Ich war damals frisch verheiratet. Meine Frau hatte ständig Angst, mir könnte was passieren.“
Anneliese Späth aus dem Pöttmeser Ortsteil Gundelsdorf kann sich noch gut an die Geschichten vom „schönen Theo“, wie er auch genannt wurde, erinnern. „Meine Mama hat immer g’sagt: Hoffentlich erwischen’s ihn net“, erzählt sie und ergänzt „Ich glaub, in Gundelsdorf hätt’ ihn damals jeder aufg’nomma und versteckt!“
Auch Max, 65, und Ernst, 71, aus Kühbach – ihre Nachnamen wollen sie nicht verraten – zeigen Sympathien für den Räuber. Max vergleicht ihn mit Robin Hood und bewundert ihn für sein Katz-undMaus-Spiel mit den Gendarmen. Eine Mitschuld für die Verrohung von Berger sieht Ernst bei der damaligen Justiz: „Bei seiner ersten Verurteilung wegen der Raubdelikte waren 15 Jahre Knast viel zu lang!“
Ex-Polizist Reiner Braun hingegen ist der Überzeugung, dass Berger im Film etwas zu gut wegkommt. „Am Schluss seiner krimiund nellen Karriere scheute Theo sogar vor einem Mord nicht zurück. Ich bin überzeugt, dass sich nach dem Schuss auf den Schrobenhausener Polizisten die Stimmung in der Bevölkerung gedreht hat.“
Für die Aichacher Kinobesucher bedeutet der unterhaltsam erzählte Dokumentarfilm ein Stück heimischer Geschichte. Schade nur, dass der Regisseur es versäumt hat, im Nachhinein vielleicht auf einer Texttafel das Ende der Räuber-Geschichte zu ergänzen. So erfährt der Zuschauer weder von Theo Bergers Memoiren, die als Buch mit dem Titel „Ausbruch“erschienen sind, noch von der Hochzeit im Gefängnis im Jahr 1991 oder vom Suizid durch Erhängen in seiner Zelle 2003.
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Vorführungen „Theo Berger – Der Al Capone vom Donaumoos“läuft im Aichacher Kino Cineplex täglich um 19.30 Uhr, am Sonntag auch um 12.30 Uhr.