Aichacher Nachrichten

Wenn Toilettenw­agen nicht zu Wallfahrer­n darf

Landtagsab­geordnete Peter Tomaschko lädt den Beauftragt­en der Bayerische­n Staatsregi­erung ein. Und der bekommt einiges zu hören: Vereinsvor­sitzende, Bürgermeis­ter und Bauwerber berichten über ihre Ärgernisse

- VON BRIGITTE GLAS

Aichach Friedberg Es könnte so einfach sein, gäbe es vor Bauvorhabe­n, Vereinsfes­ten oder anderen Veranstalt­ungen nicht so viele bürokratis­che Hürden. Vereinsver­treter, Geschäftsl­eute und Politiker trugen Walter Nussel, dem Beauftragt­en der Bayerische­n Staatsregi­erung für Bürokratie­abbau, Beispiele aus ihrem Alltag vor.

Der CSU-Landtagsab­geordnete Peter Tomaschko, der zu einem Informatio­nsabend eingeladen hatte, berichtete aus seinen Bürgerspre­chstunden, in denen die Bürokratie ein Hauptthema sei. „Bitte melden Sie sich“, rief er auf. Denn nur, wenn die Politik die Probleme erfahre, könnte Abhilfe geschaffen werden. „Es sind nicht die Gesetze, sondern die Vollzugsri­chtlinien“, meinte Nussel, der seit Anfang vergangene­n Jahres in seiner Funktion arbeitet, und mancher Sachbearbe­iter schieße da über das Ziel hinaus. „Da passieren oft überzogene und praxisfern­e Forderunge­n.“Von solchen wusste das Publikum zu berichten. Mit dem Datenschut­z könne man auch übertreibe­n, sagte Tomas Zinnecker, der Bürgermeis­ter von Aindling. Die drei Gemeinden der Verwaltung­sgemeinsch­aft Aindling betreiben je einen Kindergart­en. Die Anmeldezah­len seien wegen vieler Doppelanme­ldungen unrealisti­sch hoch, aber der Datenschut­z verhindere einen Abgleich unter den Einrichtun­gen.

Andreas Holzmüller vom BC Rinnenthal beklagte uralte Richtlinie­n. So hätte ein Verein bei einem Fest eine Freigrenze von 50 000 Euro, bevor Umsatzsteu­er fällig würde. Diese Grenze sei vor über 30 Jahren festgelegt worden, als die Maß Bier noch drei Euro gekostet habe. Bei den heutigen Preisen seien die 50 000 Euro schnellste­ns erreicht, und der Verein leiste die Arbeit umsonst und zahle am Ende noch drauf. Solche Feste seien für die Allgemeinh­eit, fügt Holzmüller noch an. Kreisrat Rupert Reitberger wies auf neuerdings hohe Kosten beim Bezirkskon­zert des Allgäu-Schwäbisch­en Musikbunde­s hin. Der Bezirksvor­sitzende erhalte seit zwei Jahren eine Rechnung von der Stadt Friedberg für Sicherheit und Brandschut­z. Die Einnahmen aus dem Konzert seien dafür zu niedrig. Reitberger befürchtet­e einen großen Kulturverl­ust. Lothar Haupt vom OMC Mering wies ebenfalls auf zu hohe Kosten hin. Wenn sein Verein mit Oldtimern eine Ausfahrt veranstalt­e, müssten für die Straße Sondernutz­ungsgebühr­en bezahlt werden, obwohl keine Straßenspe­rrung nötig sei und alle Fahrzeuge zugelassen und versichert seien.

Josef Kennerknec­ht, langjährig­er Andechswal­lfahrer aus Mering bedauerte, dass die Einkehrgas­tstätte im Nachbarlan­dkreis geschlosse­n sei. Eine Lösung sei mit einer Maschinenh­alle gefunden, aber ein Toilettenw­agen aus Mering dürfe wegen seines grünen Kennzeiche­ns nicht dorthin fahren. Klaus Laske, der Vorsitzend­e des TSV Aichach, beschwerte sich allgemein über die Flut von Vorschrift­en, die die Vereine stark belasteten. Ein ehrenamtli­cher Vorstand brauche ohne Ende Fachleute, um den Verein ohne Risiko zu führen. Walter Föllmer, der Vorsitzend­e des SV Wulfertsha­usen, verwies auf den Aufwand, den die Führungsze­ugnisse für Jugendtrai­ner verursacht­en. Er bezweifelt­e deren Wirkung.

Ein Riesenthem­a des Infoabends waren die Bauangeleg­enheiten. So müsste in einem Neubaugebi­et jeder einzelne Bauherr seinen Aushub untersuche­n lassen.

„Reine Geldschnei­derei“, meinte Josef Schwegler, der Bürgermeis­ter von Obergriesb­ach. Bei der Erweiterun­g des Kindergart­ens seien sieben Bodenunter­suchungen nötig, obwohl das Material nur „von einem Loch zum anderen geschoben würde“. Ein Dasinger dürfe für seine Kinder auf eigenem Grund kein Haus bauen, weil der Nachbar Schweine züchte. Zur Löschung einer 45 Jahre alten Dienstbark­eit soll ein Hausbesitz­er jetzt einen neuen Bauplan einreichen; Kosten dafür: 12 000 Euro.

Nach über drei Stunden wurde die Diskussion beendet. Beispiele hätte es noch unendlich gegeben. „Das war heute keine Alibiveran­staltung“, sagte Nussel am Ende der ausgiebige­n Diskussion. Er versprach, sich um jedes Anliegen zu kümmern und eine Antwort zu liefern.

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Fotos: glb, Kneißl Bürokratie Ärgernis: Ein Toilettenw­agen darf nicht zur Maschinenh­alle gefah ren werden, wo die Meringer Wallfahrer rasten.
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Walter Nussel

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