Dieses Festival kann sich hören lassen
Das Mozartfest war ein Erfolg. An der einen oder anderen Stellschraube könnte man aber noch drehen
Es wird vermutlich niemanden geben, der in diesem Jahr mit dem Mozartfest in Augsburg kategorisch unzufrieden gewesen wäre. Der künstlerische Ertrag des am Sonntag zu Ende gegangenen Klassikfestivals bot dazu auch wirklich keinen Anlass, im Gegenteil: Die Künstler waren durchweg hochkarätig, die gebotenen Konzerte reichten in ihrer Intensität wiederholt über das Erwartbare hinaus, die viel beschworene Festival-Atmosphäre stellte sich ein – genau das also, was man man von einem solchen Veranstaltungstypus erwartet. Auch die Auslastung, nach Festivalangaben bei etwa 90 Prozent, spricht für sich.
Simon Pickel, Leiter des städtischen Mozartbüros, hat beim zweiten von ihm konzipierten Mozartfest gegenüber dem Vorjahr an einigen Punkten nachjustiert, zum Vorteil des Gesamten. Die Dichte der Veranstaltungen zum Beispiel: Dass sie 2018 knapper ausfiel, hat dem Mozartfest nichts an Attraktivität genommen. Zehn Konzerte über zehn Tage verteilt, das genügt vollauf bei einem Festival, dessen Publikum nicht in immer wieder neuer Zusammensetzung von weither anreist, sondern sich im Wesentlichen aus Augsburg und dem Umland rekrutiert.
Ein Treffer wurde mit den neu aufgestellten Künstlergesprächen gelandet. Diese finden nun unmittelbar nach den Konzerten statt, und fraglos ist das Publikum genau dann (und nicht Tage zuvor oder danach) neugierig darauf, was die Interpreten zu sagen haben – ob nun über die von ihnen vorgetragenen Werke oder auch über Auffälliges wie bei Peter Simonischek, der gefragt wurde, weshalb er denn so dämonisch aussehe (weil, so die Antwort, er anderswo auf einer Theaterbühne gerade einen pakistanischen Taxifahrer spielt und deshalb die Augenbrauen schwarz gefärbt bekam).
Apropos Künstler: Zu einer Art Hit des Mozartfests wird immer mehr die „Freistil“-Reihe, jene Konzerte also, die von den beiden aus Augsburg stammenden TopMusikern Sarah Christian und Ma- ximilian Hornung kuratiert werden. Nicht nur, dass hier junge Stars nach Augsburg kommen und hinreißende Aufführungen hinlegen. Mit dem Duo Christian/Hornung ist auch glänzend die Frage gelöst, wie denn die lokalen Mozart Player ohne Qualitätsverlust in das Festival integriert werden können.
Ein solch erfreuliches HabenKonto bedeutet allerdings nicht, dass an der einen oder anderen Stellschraube nicht auch künftig noch nachgedreht werden könnte. Dass Simon Pickel gerade auch ein jüngeres Publikum ansprechen will, ist begrüßenswert, umso mehr, als er dies auf keineswegs anbiedernde Weise versucht. Aber muss man eine Veranstaltung wirklich erst um jugendliche 23 Uhr ansetzen, noch dazu, wenn zuvor schon ein „normales“Konzert über die Bühne ging? Wäre es nicht besser, auch in Würdigung der hochrangigen auftretenden Künstler, die „Mozartclubnacht“zumindest auf einen ansonsten freien Abend zu legen?
Großen Wert legt Simon Pickel auf den programmatischen Zuschnitt des Mozartfests. Nicht nur ein zufälliges Nebeneinander von Spielterminen hat er im Sinn, nein, eine thematische Klammer soll die Veranstaltungen überformen – in diesem Jahr gebündelt in dem Motto „Machtspiele“. Dagegen ist nichts einzuwenden. Mal funktioniert so etwas mehr – ist im Idealfall sogar erhellend –, ein andermal weniger, der Musik tut’s jedenfalls nicht weh.
Doch bei allem programmatischen Sinn: Ein bisschen ist Simon Pickel in diesem Jahr der Mozart abhandengekommen. Um gleich klarzustellen: Nein, ein Mozartfest muss nicht in jedem Konzert einen Mozart, heiße er nun Leopold oder Wolfgang, auf dem Notenpult haben. Trotzdem, das Festival trägt diesen Namen und es findet nun mal statt an einem Ort, der propagiert, „die deutsche Mozartstadt“zu sein. 2018 aber gab es gerade mal am Abschlussabend einen veritablen Mozart mit der c-Moll-Messe – dass die Bayerische Kammerphilharmonie und die Banda Franui jeweils ein wenig mozartelten, kann nicht ins Gewicht fallen.
Vom Augsburger Mozartfest aber darf man ein klein wenig mehr Auseinandersetzung mit einem Komponisten erwarten, der auch im dritten Jahrhundert nach seinem Tod noch auf Geist und Gemüt zielt wie kaum ein anderer. Das betrifft auch das Festival-Programmbuch, das, anstatt steile Thesen über den Zusammenhang von Smartphones und Mozartmusik zu entwerfen, sich lieber an der Quadratur versuchen sollte, tatsächlich gehaltvolle Fragen zur Musik in breitenverständlichem Ton aufzubereiten.
Und doch, noch einmal: Das Mozartfest ist unter Simon Pickel auf dem richtigen Weg. Man ist schon jetzt gespannt auf 2019, wenn das Festival mit dem Violinwettbewerb Hand in Hand geht.