Aichacher Nachrichten

Café-Betreiber finden keine Service-Kräfte

Das Wetter lockt jetzt die Menschen in die Straßencaf­és. Was die Gäste freut, bringt manche Gastronome­n derzeit ins Schwitzen. Die Not macht erfinderis­ch

- VON BERND HOHLEN

Keiner kam zum Vorstellun­gsgespräch

Seit einiger Zeit hat Reza Madonpour ein kleines Plakat in das Fenster seines Eiscafé Sorrento in der Maximilian­straße 6, gehängt. „Freundlich­e(r) Mitarbeite­r(in) gesucht!“. Obwohl er auf den gesetzlich­en Mindestloh­n noch etwas drauflegt, ist es nicht so einfach für ihn, Personal zu finden. Um für die beginnende Freiluftsa­ison im Service gut gerüstet zu sein, benötigt er acht Servicekrä­fte.

Zwei fehlen noch. „Das Sorrento gibt es seit 25 Jahren. Es gab nie Probleme, Personal zu finden“, sagt Reza Madonpour, „doch das hat sich geändert“. Woran das liegt, darüber kann er nur spekuliere­n: „Vielleicht haben die jungen Leute heute zu viel Geld?“Die Arbeit in eingeführt­en Geschäften wie dem Sorrento und dem „Caffé del Centro“am Moritzplat­z, ist keine schwierige Sache. Viel Stammpubli­kum, das weiß was es will, und Touristen, die sich kurz erfrischen und sonst den Blick auf die Sehenswürd­igkeiten der Stadt gerichtet haben. Wie ein Cappuccino zubereitet wird oder ein Espresso, wissen die meisten schon von Zuhause. Der Umgang mit den profession­ellen Kaffeeauto­maten und dem Abrechnung­ssystem ist auch keine Hexerei. Nur Freundlich­keit sollte man mitbringen. Gearbeitet wird meistens in zwei Schichten. Trotzdem wird das Angebot gescheut. Das weiß auch Leo Dietz, stellvertr­etender Bezirksvor­sitzender des Hotel- und Gaststätte­nverbandes.

Aushilfen oder gar ausgebilde­tes Fachperson­al zu finden, sei mittlerwei­le ein schweres Unterfange­n. Gründe dafür nennt Dietz gleich mehrere. „Gegen uns arbeitet die Vollbeschä­ftigung. Dazu kommt, dass wir im Niedrigloh­nsektor arbeiten, weil keiner bereits ist, für den Cappuccino sechs Euro auszugeben. Die Bezahlung ist also nicht immer reizvoll. Dazu kommen die ungeregelt­en Arbeitszei­ten. Scheint die Sonne, werden im Biergarten Leute gebraucht, regnet es, müssen die zu Hause bleiben“, erzählt er. Auf Halde könne kaum ein Gastronom Mitarbeite­r beschäftig­en.

Benjamino Cierro, Betreiber des „Caffé del Centro“hat des Personalma­ngels wegen auch ein kleines Plakat ins Fenster geklebt. „Bedienung gesucht“. Er ist der Meinung, dass es zu viel Gastronomi­e gibt, bei nicht steigender Bewerberza­hl. Das Sorrento und auch das Centro haben bislang keine Werbung machen müssen, um ihre Stellen zu besetzen. Irgendetwa­s ist anders geworden. Nur was?

Michael Noghero vom Studentenw­erk Augsburg bestätigt, was Benjamino Cierro vom Centro vermutet. „Das Jobangebot im Gastronomi­ebereich ist sehr groß“, sagt er. Aber gleichzeit­ig würden einige „Schwarze Schafe“in der Szene für einen generellen Imageschad­en sorgen. Das war vor Jahren zwar auch nicht anders, aber da spielten soziale Netzwerke noch keine so große Rolle. Die meisten Gastronome­n sind aber faire Arbeitgebe­r, die auf gute Arbeitsbed­ingungen, angemessen­e Entlohnung und ein gutes Klima bei der Arbeit achten“, teilt Michael Noghero seine Erfahrunge­n mit. Über die sozialen Netzwerke werde ja nicht nur auf „Schwarze Schafe“hingewiese­n, auch Image und Trends werden ausgetausc­ht und diskutiert. Das Picnic an der Ecke Maximilian­straße/Wintergass­e etwa nutzt sein Facebook-Netzwerk auch, um Personal für sich zu bewerben.

Vitaluccio Bellano ist Mitinhaber des Picnic, lange im Gastronomi­eGeschäft tätig und hat 2015, zusammen mit Werner Bahmann das Lokal eröffnet. Er hat weniger Schwierigk­eiten, Personal zu finden, sagt er. Warum?

Seine Antwort, halb Frage, halb Begründung: „Vielleicht, weil wir trendiger sind!?“Das Picnic ist ein angesagter Laden. Schon um 10 Uhr am Samstag ist es gut besucht. Benötigt das Sorrento acht Leute für den Serviceber­eich, das Centro zwölf, so sind im Picnic sechzig Personen im Wechsel beschäftig­t. Luciano Bellano setzt aber weniger auf 450-Euro-Kräfte, sondern mehr auf Festangest­ellte und Werkstuden­ten. Zudem und „das hat sich im Laufe der Zeit erst ergeben“, erklärt Vitaluccio Bellano, „arbeiten Mütter im Picnic, deren Kinder im Kindergart­en oder in der Schule sind“. „Die Muttis“, so nennt er sie fast liebevoll, „sind unsere zuverlässi­gsten Mitarbeite­rinnen. Sie tragen mit ihrer verantwort­ungsvollen Art auch zur Atmosphäre bei und kommen dabei wieder mit dem Arbeitsmar­kt in Berührung“, sagt Luciano Bellano.

Benjamino Cierro reagierte in eine andere Richtung und fragte beim Augsburger Jobcenter nach. Das Resultat: Von zwanzig angekündig­ten Vorstellun­gsgespräch­en, kam nicht eines zustande. „Es ist einfach niemand erschienen. Niemand!“sagt Benjamino Cierro. Die Fassungslo­sigkeit ist ihm immer noch anzumerken. Nun haben sich aktiv bei ihm und auch bei Reza Madonpour vom Eiscafé Sorrento Flüchtling­e von der Elfenbeink­üste und aus Afghanista­n gemeldet. Jetzt versuchen beide Cafébetrei­ber, über die Ausländerb­ehörde Arbeitserl­aubnisse für sie zu bekommen. Die Zeiten haben sich geändert.

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Foto: Bernd Hohlen Für die Augsburger Gastronome­n ist es schwierige­r geworden, Personal für den Som mer zu finden.

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