„Das war unglaublich“
Alwin Fink war beim FC Augsburg Kapitän, als Helmut Haller aus Italien zurückkehrte. Der 15. August 1973 bleibt für ihn unvergesslich (Serie/13)
Ich denke mal, der 15. August 1973 ist für Sie ein besonderes Datum?
Fink: Sie sprechen auf das Spiel beim TSV 1860 München an. So etwas vergisst man natürlich nicht. Wir wurden damals total überrascht. Das war unglaublich, diese Massen an Zuschauern.
Es waren rund 90000 Zuschauer im Stadion an diesem 2. Spieltag in der Regionalliga. Weder zuvor noch danach waren so viele Fans im Münchner Olympiastadion. Menschen, die keine Karten mehr bekamen, sind über Zäune geklettert. Wie haben Sie das auf dem Feld wahrgenommen? Sie haben die Mannschaft als Kapitän angeführt ...
Fink: Eigentlich gar nicht so sehr. Wir waren alle auf das Spiel fokussiert. Wir haben erst später von den Vorkommnissen erfahren. Als Werner Luxi nach zwei Minuten für 1860 das 1:0 erzielte, stürmten ja Leute, die noch draußen standen, das Stadion. Soweit ich noch weiß, gab es damals 130 Verletzte.
Dass so viele Menschen zu einem Regionalligaspiel (die Regionalliga war damals die zweithöchste Liga, Anm. d. Red.) kommen würden, war ja auch nicht abzusehen ... Fink: Nein, aber wir sind schon auf der Hinfahrt nach München oft im Stau gestanden, weil sich viele Augsburger auf den Weg nach München gemacht haben. Aber wir waren entspannt. Wir wussten ja, ohne uns können die nicht anfangen (lacht).
Und die Bild-Zeitung titelte am Tag nach dem 1:1: „Dieser alte Helmut Haller ist der größte Kassenknaller.“Seine Rückkehr damals aus Italien zum FC Augsburg war die große Sensation ...
Fink: Schon bei der Ballannahme hat Helmut seine Gegenspieler ins Leere laufen lassen. Wir hatten schon eine tolle Zeit. Helmut hatten wir viel zu verdanken.
Am Ende dieser Saison hat Augsburg als Aufsteiger den ersten Platz erreicht und stand in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Eine Sensation oder wurde intern dieses Ziel ausgegeben?
Fink: Nein, nach dieser Saison wurde ja die 2. Bundesliga eingeführt und wir wollten uns mit einer vorderen Platzierung dafür qualifizieren. Mit der Meisterschaft hatte kein Mensch gerechnet. In der Aufstiegsrunde hatten wir dann Pech. Torwart Georg Mögele war in einer grandiosen Verfassung, doch er hat sich nach dem ersten Aufstiegsspiel beim FC St. Pauli verletzt. Ich bin mir sicher, er sich nicht verletzt hätte, wären wir damals aufgestiegen.
Wie war eigentlich der große Star Helmut Haller im Umgang mit den anderen?
Fink: Helmut war ein Mensch ohne Allüren. Wir hatten eine riesige Kameradschaft. Die war ja mitentscheidend für diese tolle Saison. Vor der Saison kam mit Milovan Beljin ein neuer Trainer und viele Neuzugänge und dass die alle eingeschlagen haben, war schon etwas Besonderes.
Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen, aber die meisten haben ja noch zusätzlich gearbeitet. Auch Ihr Leben hat sich nicht ausschließlich um Fußball gedreht ...
Fink: Ich war in der Zeit Junglehrer an der Hauptschule in Bobingen. In der Aufstiegsrunde haben wir während der Woche an einem Mittwoch in Hamburg gespielt. Die Mannschaft ist anschließend oben geblieben, und ich bin nach dem Spiel mit dem Nachtzug heimgefahren und war am nächsten Tag wieder im Schuldienst.
Gab es von Ihrer Seite nie Überlegungen, den Beruf an den Nagel zu hängen, um nur noch Fußball zu spielen? Fink: Das war nie eine Option. Mein Beruf war mir immer wichtig und den hätte ich auch nie aufgegeben. Das wäre auch fatal gewesen, weil ich im Alter von 27 Jahren dann leider viel zu früh Sportinvalide geworden bin.
Fällt man da nicht in ein tiefes Loch? Fink: Das war schon ein harter Einschnitt, aber der Beruf hat mich da schon ein bisschen aufgefangen.
Damals gab es auch die Amateur-Nationalmannschaft. Sie absolvierten dabei vier Länderspiele ...
Fink: Da gibt es auch eine komische Geschichte. 1974 war ich im Kader von Trainer Jupp Derwall. Wir haben im damaligen Jugoslawien mit Holland und Spanien die Europameisterschaft gespielt. Nach einem Sieg gegen Holland standen wir im Finale gegen Jugoslawien. Ich war in der Startaufstellung. Doch wegen heftiger Regenfälle fiel das Spiel aus und wurde nicht nachgeholt.
Warum?
Fink: Die Spieler mussten am nächsten Tag wieder zurück zu ihren jeweiligen Klubs. So wurden beide Finalisten zum Europameister erklärt. Das ärgert mich schon noch. Ich hätte gerne gespielt.
Welche Spieler standen damals in der Auswahl?
Fink: Da waren gute Leute dabei. Matthias Herget von Bayer Uerdinwenn gen, Charly Körbel von Eintracht Frankfurt, Bernd Förster vom VfB Stuttgart oder Norbert Eder vom 1. FC Nürnberg.
Wie verlief dann das Leben nach der Karriere?
Fink: Ich war immer im Schuldienst. 1974, als wir in der 2. Bundesliga spielten, habe ich noch mein 2. Staatsexamen gemacht. Später war ich noch Konrektor in Steppach. 2011 bin ich in die Altersteilzeit.
Sie sind jetzt 69 Jahre alt. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Fink: Vor kurzem hatte ich eine Hüftoperation und muss momentan noch zur Reha. Ansonsten geht es gut.
Was unternehmen Sie heute in Ihrer Freizeit?
Fink: Ich war beim Bergsteigen auf dem Kilimandscharo oder auf dem Cotopaxi, dem zweithöchsten Berg in Ecuador. Da waren wir aber nicht ganz oben. Nach 5700 Metern mussten wir umdrehen, weil die Sicht schlecht war. Mit dem Faltboot bin ich auch schon auf dem Yukon River gepaddelt. Und natürlich bin ich bei jedem Heimspiel des FCA.
Und was sagen Sie zur Entwicklung des FCA?
Fink: Sensationell, jetzt sind wir dann das achte Jahr in der Bundesliga. Das hätte ich im Leben nie gedacht. Am meisten freut mich, dass beim FCA junge Spieler eine Chance bekommen. Wie Kevin Danso, Raphael Framberger, Marco Richter oder zuletzt Simon Asta.
Gibt es noch Kontakte zu den Kollegen von früher?
Fink: Es gibt öfter ein Treffen. Auch zum Todestag von Helmut Haller. Bei der Einweihung vom HallerDenkmal waren wir ja auch alle in der Arena.
Interview Wolfgang Langner
● Alwin Fink, 69, zählte zum erfolg reichen Meisterteam des FC Augs burg, das im Jahr 1974 nur knapp den Aufstieg in die Bundesliga verpasst hat. „Winni“wie ihn die Fans nann ten, war dabei Ka pitän einer Mannschaft, die deutschland weit für Erstaunen sorgte. Natür lich und vor allem auch wegen Hel mut Haller, der aus Italien in seine Heimatstadt zurückkehrte. Bei den Schülern spielte Alwin Fink noch beim TSV Steppach. Ansonsten im mer beim BC oder später FC Augs burg. Am 14. März 1976 hat er seine Laufbahn beendet.