Aichacher Nachrichten

Ein Trikot für Erdogan – darf man das?

Das Treffen der deutschen Nationalsp­ieler mit dem türkischen Präsidente­n hat für Wirbel gesorgt. Dennoch fahren wohl beide zur WM. Wir haben Trainer und Funktionär­e aus Aichach-Friedberg nach ihrer Meinung gefragt

- VON CHRISTOPH LOTTER

Aichach Friedberg War es eine bewusste Provokatio­n? Ein grobes diplomatis­ches Foul? Tatsächlic­h nur ein Versehen? Oder eine Nebensächl­ichkeit? Wie auch immer: Seit die deutschen Fußball-Nationalsp­ieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan am Sonntag zusammen mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan für Fotos posiert und ihm Trikots ihrer Vereinsman­nschaften geschenkt haben, diskutiere­n die Fußballfan­s auch in der Region über das Verhalten der Vorbilder und die korrekte Reaktion darauf. Mittlerwei­le präsentier­te Bundestrai­ner Joachim Löw den vorläufige­n, 26 Mann umfassende­n Kader für die anstehende Weltmeiste­rschaft in Russland. Beide Deutsch-Türken sind dabei. Wir haben mit Trainern und Funktionär­en darüber gesprochen.

● Hüseyin Dagdelen (Abteilungs­leiter SC Oberbernba­ch): „Der ganze Trubel um die Sache ist geradezu lächerlich, und hier von Propaganda zu sprechen, ist absolut nicht gerechtfer­tigt. Das wird viel zu sehr aufgebausc­ht – auch durch die sozialen Medien. Klar, eine Trennung von Sport und Politik ist sinnvoll und auch sehr wichtig, das darf man keinesfall­s vermischen. Aber ich denke nicht, dass die beiden in dieser Situation politisch gedacht haben. Die Nominierun­g von Joachim Löw ist dementspre­chend völlig in Ordnung. Die beiden sind schließlic­h zwei wichtige Spieler für die deutsche Nationalma­nnschaft.“

● Jürgen Dumbs (Abteilungs­leiter und Spieler BC Adelzhause­n): „Die Aktion der beiden war natürlich sehr unglücklic­h und auch ein wenig leichtsinn­ig. Gerade wenn man die Entwicklun­g in den vergangene­n Jahren zwischen Deutsch- land und der Türkei betrachtet, hätte ihnen bewusst sein müssen, dass so etwas in Deutschlan­d nicht gut ankommt. Ich weiß aber nicht, ob den beiden klar war, dass es derart hohe Wellen Man sollte die Geschichte deshalb nicht überbewert­en und unnötig übertreibe­n. Die Trennung von Sport und Politik halte ich für überaus wichtig, das sollte man unter keinen Umständen vermischen. Aber in gewisser Hinsicht sind die Sportler nun mal Botschafte­r und können politisch mitwirken. Man sollte aber nicht alles auf die Goldwaage legen. Die Nominierun­g der beiden ist richtig – gerade weil Sport und Politik strikt getrennt gehören. Ich glaube, dass Löw bewusst war, dass er ein Riesenfass aufgemacht hätte, wenn er die beiden nicht nominiert hätte. Denn aus sportliche­r Sicht gehören Özil und Gündogan auf jeden Fall in den WM-Kader.“● Eugenio Paci (Spielertra­iner FC Igenhausen): „Als ich im Radio gehört habe, dass 70 Prozent der Deutschen diese Aktion schlecht finden, habe ich nur den Kopf geschüttel­t. Ich finde den Aufstand, der deswegen gemacht wird, schlimmer als die Aktion selbst. Ich denke, man muss die beiden verstehen. Immerhin haben sie ihre Wurzeln in der Türkei. Das ist doch klar, dass man da ein andeschläg­t. res Verhältnis hat. Wenn morgen Silvio Berlusconi bei mir anklopfen würde und ein Foto machen möchte, würde ich sofort Ja sagen – und ich bin alles andere als ein Fan von ihm. Schließlic­h muss ich ihn ja nicht gleich heiraten. Die beiden mussten auch unbedingt für die WM nominiert werden. Es wäre absolut lächerlich gewesen, wenn Joachim Löw sie wegen dieser Aktion zu Hause gelassen hätte. Politik und Sport haben einfach nichts miteinande­r zu tun.“● Nail Ünsal (Spielertra­iner Türkspor Aichach): „Ich finde, da wird schon etwas übertriebe­n. Schließlic­h ist es nur ein Foto. Özil und Gündogan haben eben die deutsche und auch die türkische Staatsbürg­erschaft. Außerdem gibt es Schlimmere­s. Von Lionel Messi beispielsw­eise kursieren im Internet auch einige Bilder mit fragwürdig­en Typen. Da sagt keiner was. Die Nominierun­g der beiden finde ich jedenfalls gerechtfer­tigt. Sie sind wichtige Spieler für die DFB-Elf und haben es sich aus sportliche­r Sicht verdient, bei der WM dabei zu sein. Es wäre unklug, wegen so einer Geschichte auf sie zu verzichten. Falls sie doch mal wegen so etwas von der Nationalma­nnschaft suspendier­t werden sollten, können sie gerne zu Türkspor Aichach kommen. Da sind sie jederzeit willkommen.“

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Foto: dpa Ilkay Gündogan, der deutsche Nationalsp­ieler mit türkischen Wurzeln, überreicht dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan ein Manchester City Trikot mit der per sönlichen Widmung „Für meinen Präsidente­n“. Die Aktion, besonders aber die...
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Hüseyin Dagdelen
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Jürgen Dumbs
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Eugenio Paci
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Nail Ünsal

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