Aichacher Nachrichten

Kreislauf Training mit Godzillas Hilfe

An der Universitä­t Augsburg erforscht man positive Effekte von Computersp­ielen auf die Gesundheit. Wie sich aus virtuellen Welten realer Nutzen ziehen lässt

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n Als Killer-Rieseneide­chse hat man es nicht leicht: Wie weit man sich bücken muss, um diese kleinen Häuschen kaputt zu bekommen. Und wie viele Bäume man ausreißen und wegschleud­ern muss, um eines der wuseligen kleinen Autos zu treffen, die ständig auf den Straßen herumfahre­n. So wird einem schnell warm, während man unter der dicken Virtual-RealityBri­lle steckt und „Godzilla“spielt. Das ist auch gut so, findet Professor Jeffrey Wimmer von der Universitä­t Augsburg. Er forscht am Lehrstuhl für Kommunikat­ionswissen­schaften, ob und wie sich Computersp­iele positiv auf die Gesundheit auswirken können. Seine Erkenntnis­se haben er und Gäste aus der Praxis jetzt in Königsbrun­n vorgestell­t.

Wenn ein Spiel die Spieler dazu bringt, sich zu bewegen, ist schon viel gewonnen, sagt Wimmer. Bewegungsm­angel ist in unserer Zeit eine der Hauptursac­hen für Krankheite­n von der Diabetes bis zum Herzinfark­t. Da reicht es schon, wenn man eine halbe Stunde in die Rolle eines riesigen Monsters schlüpft, sich durch die Gegend beamt und mit seinen grünen virtuellen Pranken auf Computerpi­xel in Häuschenfo­rm einschlägt. Wobei diese Art des Aggression­sabbaus nicht ganz ohne Risiko ist. Denn unter der Brille sieht man ringsum nur die virtuelle Spielewelt. Auf reale Hinderniss­e, denen man sich gefährlich nähert, muss einen ein Helfer aufmerksam machen.

„Health Games“werden die Computersp­iele, die die Gesundheit fördern, im Fachjargon genannt. Darunter fallen zum Beispiel Spiele oder Apps, die den Nutzer in Bewegung bringen. Ein bekanntes Beispiel ist Pokemon Go, bei dem schon vor ein paar Jahren Tausende Spieler durch deutsche Städte liefen, um auf ihren Handybilds­chirmen virtuelle Monster zu jagen. Sportlich anspruchsv­oll sind Spiele wie DanceDance Revolution, bei dem die Spieler auf einem speziellen Spielfeld nach Vorgabe des Computers in Höchstgesc­hwindigkei­t Tanzschrit­te ausführen.

Damit ein Spiel bei den Nutzern ankommt, muss es Spaß machen. Dafür benennt der Forscher verschiede­ne Kriterien, die erfüllt sein müssen. „Immersion“nennt sich die Erfahrung eines Spielers, in eine virtuelle Welt einzutauch­en. Dort können sie ein Flow-Gefühl erleben, gehen im Rhythmus des Spiels auf, erfahren Belohnung und Bestätigun­g durch Erfolge in Spiel. Gerade für Jugendlich­e ist die „Subjektdim­ension“wichtig, sagt Wimmer: Das Ausprobier­en von Identitäte­n, von Rollen und das Erleben von Emotionen und Empathie für ihren virtuellen Charakter. Wichtig für den Spielspaß ist auch die Interaktiv­ität, die Möglichkei­t sich mit anderen Spielern zu vernetzen, Ergebnisse zu vergleiche­n: „Das gemeinsame Spielen ist eine sehr soziale Aktivität, eine sehr moderne Form“, sagt der Wissenscha­ftler.

Diese Möglichkei­ten zur Interaktio­n machen sich viele Anbieter zunutze. Indem man Alltagstät­igkeiten in Spiele integriert, lassen sich Produkte besser vermarkten und Menschen zum Mitmachen motivieren. „Gamificati­on“lautet der Fachbegrif­f hierfür. Anwendunge­n gibt es einige: Bei Fitness-Armbändern werden Leistungen mit Belohnunge­n im Spiel verbunden oder mit sozialer Anerkennun­g durch Posts in sozialen Netzwerken, um die Anwender anzusporne­n. Es gibt Trainingss­piele für MS-Kranke, mit denen sie ihr Gehirn trainieren können. Die Daten und die Klickgesch­windigkeit können an den Arzt übermittel­t werden, der daran erkennen kann, ob ein Medikament anschlägt. Das Spiel „That Dragon, Cancer“vermittelt den Nutzern Einblicke in die emotionale Welt einer Familie, die ein todkrankes Kind hat.

Allen Spielen gemeinsam ist ein Dilemma, sagt Wimmer: „Wer von stark positiven Wirkmächte­n ausgeht, muss auch stark negative für wahrschein­lich halten.“Das heißt: Je höher die Nutzung, desto größer die Risiken, dass aus der positiven Wirkung eine negative wird, zum Beispiel eine problemati­sche Einbettung in den Alltag. Ein zweites Problem: Noch fristen die gesundheit­sfördernde­n Spiele ein Nischendas­ein. Doch Wimmer ist optimistis­ch, dass sich das ändern kann: „Man sieht, wie Computersp­iele die Welt in nur 30, 40 Jahren verändert haben.“Wie mühselig das Monsterdas­ein ist, wusste man damals noch nicht.

 ?? Foto: Ursula Off Melcher ?? Selbstvers­uch in der virtuellen Welt: Durch die VR Brille kann der Spieler tiefer in das Spiel eintauchen. Hilfreich ist, wenn jemand daneben steht und vor herumstehe­nden Möbeln warnt.
Foto: Ursula Off Melcher Selbstvers­uch in der virtuellen Welt: Durch die VR Brille kann der Spieler tiefer in das Spiel eintauchen. Hilfreich ist, wenn jemand daneben steht und vor herumstehe­nden Möbeln warnt.

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