Mit ihm macht die Englischstunde Spaß
Der Amerikaner Woodrow Thompson arbeitet als Fremdsprachenassistent an zwei Gymnasien. Mit den Schülern übt er Texte, tanzt und erzählt aus seinem Leben – etwa von einem Treffen mit Michael Jackson
Erwartungsvoll sitzen die Schüler der 7c des Jakob-Fugger-Gymnasiums im Kreis. Die kommende Englischstunde wird nicht wie sonst sein: Sie erwarten einen Gast. Woodrow Thompson ist seit wenigen Monaten an ihrer Schule und auch am Maria-Theresia-Gymnasium Fremdsprachenassistent. Das heißt, dass der gebürtige Amerikaner Lehrer in den Unterricht begleitet, sich mit den Schülern in seiner Muttersprache unterhält, mit ihnen singt und tanzt.
„Welche Musik hören die Jugendlichen in Amerika am meisten?“, will ein Schüler wissen. „Hip-Hop und Rap“, beantwortet der 59-Jährige seine Frage. In welchen Staaten er gelebt hat und welchen Sport er macht, wollen andere wissen. Zu zwei Themen kommen besonders viele Fragen: zum Umgang mit Waffen in den Staaten und zu Präsident Donald Trump.
Er sei nicht der Richtige für den Job – davon ist Thompson überzeugt. Er sei auch ein Grund gewesen, warum er wieder nach Augsburg zurückgekehrt sei. Hier ist er kein Unbekannter. Vor 20 Jahren war er der Liebling des Theaterpublikums. Mitte der 90er-Jahre verbrachte er unter Intendant Peter Baumgardt zwei Spielzeiten hier. Sieben Jahre später zog es ihn zurück nach Amerika. Nun ist er wieder da. Er ist ein Reisender. Der Sänger, Tänzer und Musicaldarsteller hat schon in vielen Ländern gelebt und gearbeitet. Den Schülern berichtet er, wie er noch an der Universität in San Francisco vom Fleck weg engagiert wurde. Er erhielt eine Rolle im Broadway-Musical „A Chorus Line“in New York. Danach ging es auf Tour.
Er erzählt von seinem Treffen mit Superstar Michael Jackson, das im Januar 1984 in Los Angeles stattfand. Damals wurde im Shrine Auditorium ein Werbespot für den Getränkehersteller Pepsi gedreht. Die Dreharbeiten sollten drei Tagen dauern. Woodrow Thompson war als Tänzer gebucht und bekam hautnah mit, wie am zweiten Tag die Haare von Michael Jackson in Flammen aufgingen. Ein Stunt mit Feuerwerkskörpern war schiefgegangen. „Er hat es erst sehr spät mitbekommen, deshalb waren die Verbrennungen so schlimm.“Michael Jackson sei tief getroffen gewesen von diesem Vorfall, berichtet Woodrow Thompson, der einmal kurz mit ihm sprechen konnte. „Dieser Vorfall war schlimm. Es war der Anfang seiner Leidenszeit. Doch so richtig glücklich war er davor auch nicht. Er hat aus seiner Kindheit erzählt: Während andere Kinder in den Park zum Spielen gingen, ging es für ihn mit den Jackson Five auf die Bühne.“
Bei diesen Geschichten hören die Schüler gespannt zu. Sie lernen im Jahr Englisch und sind in Konversation gut geschult, was einerseits der Lehrplan so vorsieht und andererseits so mancher Schüler nachmittags beim Abspielen von Youtube-Videos perfektioniert. Mühelos animiert der Fremdsprachenassistent die Schüler dazu, bei einem Gospellied mitzusingen. „Er hat einen fantastischen Zugang zu den Schülern“, lobt Englischlehrer Camillo Walcher. Er kennt Woodrow Thompson schon lange und hat sich mit anderen Kollegen dafür eingesetzt, dass das Schulverwaltungsamt die Stelle bewilligt. „Und dann mussten noch 1000 Papiere für die Aufenthaltsgenehmigung ausgefüllt werden“, erzählt Camillo Walcher. Es hat geklappt.
Zwölf Stunden ist der Amerikaner nun wöchentlich an den Gymnasien beschäftigt. Mal übt er mit einer Handvoll Schülern die Aussprache, mal werden Texte szenisch umgesetzt, mal wird ein Thema diskutiert. „Das kommt bei den Schülern gut an. Er ist ein Menschenfänger und eine Bereicherung für den Unterricht“, sagt auch Jürgen Denzel, Schulleiter des Maria-TheresiaGymnasiums. Daneben engagiert sich Woodrow Thompson bei der Big Band Spirit of A und als Chorleiter eines Jazz- und Gospelchors in der Pfarrei St. Andreas im Herrenbach.
Seine Engagements machen ihm Spaß – und sie machen ihn glücklich. Er hofft, dass er auch im komdritten menden Schuljahr als Fremdsprachenassistent arbeiten kann. Spötter behaupten, er würde nun sein „Gnadenbrot“in Augsburg erhalten, berichtet er. Doch das sei nicht wahr. „Ich bin 48 Jahre auf der Bühne gestanden. Jeden Abend eine Show abliefern zu müssen, wollte ich nicht mehr“, betont er.
Er liebt nun sein ruhigeres Leben in der Stadt. Er sei gut vernetzt, habe etliche Freunde und treffe viele neue Menschen – vor allem auch neugierige Schüler. „Magst du Las Vegas?“, will einer von ihnen wissen. „Klar. Ich liebe Las Vegas. Ich habe da ein halbes Jahr gearbeitet“, antwortet Thompson – und beginnt, die nächste Geschichte aus seinem Leben zu erzählen.