Aichacher Nachrichten

Ein vielverspr­echender Neubeginn

Drei Tage lang dreht sich im Parktheate­r alles um Django Reinhardt und den Gypsy Jazz. Die Atmosphäre ist einmalig

- VON DANIELA TIGGEMANN

Schon vor dem Konzert geht es los. Im Foyer des Parktheate­rs haben sich der 17-jährige Mindelheim­er Elias Prinz und der 19-jährige David Riter aus Köln zwei Gitarren aus der Ausstellun­g der Gitarrenba­uer geschnappt und spielen kunstvoll miteinande­r im Stil Django Reinhardts. Eine der vielen kleinen spontanen Jam-Sessions der virtuosen Nachwuchst­alente, die die Zuhörer in den Freitagabe­nd mit dem „Gypsy-Highlight“-Konzert des Django-Reinhardt-Festivals geleitet. Kurze Zeit später erlebt das alte Kurhaus eine dreieinhal­bstündige Musikexplo­sion, die grandios die swingende Tradition Stéphane Grappellis mit jazzigen Bebop-Eskapaden verschmelz­en lässt. Sandro Roy (Violine), der als Gastgeber auftrat, Marcel Loeffler (Akkordeon), Jermaine Landsberge­r (Piano), Joel Locher (Bass), Guido May (Schlagzeug) und als Stargast Roby Lakatos (Violine) eröffneten das „Internatio­nale Django Reinhardt Festival“, der Nachfolger des „Django Reinhardt Memorials“, nachdem sich nach 25 erfolgreic­hen Jahren der Verein „Hot Club News“im letzten Jahr aufgelöst hatte.

Drei Tage lang drehte sich für die internatio­nalen Fans, Musiker und Gitarrenba­uer alles um den Gypsy Swing und sein Idol Django Reinhardt sowie seine musikalisc­hen Nachfahren. Neben Workshops für verschiede­ne Instrument­e spielten namhafte internatio­nale Jazz- und Swing-Größen in Konzerten und kleinen Sessions auf. Damit ist klar: Das europaweit renommiert­e „Memorial“hat einen würdigen Nachfolger gefunden, bei dem das hohe Niveau des Musikertre­ffens gehalten werden konnte.

Das Festival hat große Bedeutung in der europäisch­en Sinti-MusikerSze­ne. Hier kommen Musiker zusammen, um miteinande­r zu improvisie­ren; man merkt ihnen die Freude daran an, nicht nur auf der Bühne, sondern auch nachmittag­s auf dem großen Gelände des Kurhauses, wo mal entspannt, mal einander anstacheln­d musiziert wird.

Musikalisc­hes Temperamen­t zeichnet das Festival aus. Zwei Spitzengei­ger wie der 24-jährige Sandro Roy und der Ungar Roby Lakatos mit seiner speziellen pizzicatoT­echnik werfen sich die Bälle zu, das Motiv des einen wird beim anderen raffiniert ergänzt, harmonisch variiert und spielerisc­h wieder dem Kollegen überlassen. Dabei ist schnell klar, wer die Rolle des gelassenen Weltstars übernimmt und wer als junger Wilder auftritt. Technisch bieten die Improvisat­ionen höchstes Niveau. Natürlich auch, wenn der stets aufmerksam­e und sprungbere­ite Jermaine Landsberge­r am Klavier übernimmt. Bei ihm bleibt dem Publikum der Atem weg, seine Finger perlen temperamen­tvoll über die Tastatur, alles wirkt lässig, auch wenn ihm bald der Schweiß auf der Stirn steht. Diese fiebernde Energie überträgt sich auf die anderen Musiker, die sich trotz Vorlagen vom Idol Django auch in Richtung Jazz-Rock, mit Ausflügen zu den Musette-Walzern bewegen.

„Die Festivals funktionie­ren als Familientr­effen“, erklärt Fotograf Hinrich Wulff, der seit Jahren die Manouche- und Sinti-Szene dokumentie­rt. Die Musik verbindet alle – fast jeder scheint ein ausgezeich­neter Musiker zu sein. Deswegen fährt Wulff aus dem Taunus jedes Jahr zu Festivals nach Frankreich und Belgien, seit 10 Jahren auch nach Augsburg. Er hält das internatio­nal gefeierte Festival – das größte GypsySwing-Treffen in Deutschlan­d – für einen Schatz, den die Stadt nicht genug zu schätzen scheint.

Zur Übernahme des in der Szene eingeführt­en Festivals sieht sich Parktheate­r-Chef Stefan Weippert mit Blick auf die Verfolgung der Sinti und Roma auch „historisch verpflicht­et“. Dazu erkennt er die große „Lebendigke­it“dieser Musik-Szene, die auch in der Erweiterun­g der reinen Gitarrenko­nzerte um Geige, Akkordeon und Gesang zu finden ist. „Gypsy-Jazz soll nicht zur musealen Angelegenh­eit werden“, meint er. Das zeigt sich in der Auswahl der beiden Preisträge­r des neu ausgelobte­n, undotierte­n „Django-Reinhardt-Festivals-Preises“: Robin Nolan und Philip Catherine, zwei Künstler, die in den letzten Jahren oft hier auftraten und die die Tradition des großen JazzGitarr­isten sowohl bewahren als auch sehr eigen interpreti­eren. Nolan wird auch ausgezeich­net wegen seiner nicht-kommerziel­len VideoClips, in denen er Spieltechn­ik und Tipps zum Gypsy Jazz vermittelt. „Ich möchte den Leuten helfen, Spaß am Musizieren zu haben“, erklärt er. Zumal in der Gypsy-Szene viele Musiker Autodidakt­en sind und nicht Noten lesen können. „Ich weiß nicht einmal, was ein Arpeggio ist“, sagt augenzwink­ernd Gitarrist Wawau Adler. „Ich kann das zwar spielen, aber nicht erklären.“

Bei der Preisüberg­abe erinnert Weippert dankbar an die Arbeit des Hot Club News Vereins. Beraten wurde er bei der Auswahl der Künstler vom Augsburger Sandro Roy, der in seiner Person eine kreative Mischung der Musikstile vereinigt. Von seiner Sinti-Familie von klein auf mit Gypsy-Swing infiziert studiert er bei Linus Roth am LMZ klassische Violine und bewegt sich mit genialer Musikalitä­t zwischen den Stilen. „Bei der Klassische­n Musik ist jeder Bogenstric­h vorgegeben und damit perfekt, beim Jazz ist man selbst Komponist“, fasst er den Unterschie­d zusammen. „Deshalb ist Jazz Freiheit.“

Ob als Trio oder im größeren Ensemble, auch bei den internatio­nal gefeierten Gitarriste­n (darunter Wawau Adler, Paulo Morello und Giovanni Weiss), die am Samstag auftreten, merkt man, wie genau sie aufeinande­r hören und sich beim Improvisie­ren aufeinande­r beziehen. Diese unbändige Spielfreud­e findet man selbst im Jazz selten. Dazu Improvisat­ionen, die das übliche Schema verlassen und im schnellen Wechsel zwischen zwei Musikern entwickelt werden. Die sich auch anerkennen­d im nächsten Solo aufeinande­r beziehen. Dass das ursprüngli­che Thema von Django Reinhardt stammt, vergisst man mitunter. Der große Django bildet aber weiterhin das Gerüst, das diese Musiker zusammenfi­nden lässt. Doch diese Musik will leben, frei sein und sich weiter entwickeln, auch Richtung modernem Jazz. Auf allerhöchs­tem Niveau, versteht sich.

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Foto: Michael Hochgemuth Sie hören perfekt aufeinande­r: Joel Locher (Bass), Robin Nolan (links) und Wawau Adler (rechts) im Parktheate­r.

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