Aichacher Nachrichten

Seltene Wetterlage sorgt für starke Gewitter

Warum der Experte Klaus Hager den Mai mit seinen hochsommer­lichen Temperatur­en nicht als Zeichen für den Klimawande­l sieht. Was vom Juni zu erwarten ist

- VON SABINE POSSELT

Augsburg Der Hundertjäh­rige Kalender formuliert es klar und deutlich: „War’s an Fortunatus klar, gibt’s ein gutes Erntejahr.“Fortunatus war am 1. Juni, und das Wetter in der Region am Freitag leider nicht sonnig, sondern ziemlich durchwachs­en. Doch ohnehin verspricht der Kalender, der auf einen fränkische­n Klosterabt im 17. Jahrhunder­t zurückgeht, keinen tollen Badesommer, sondern ein gutes Erntejahr. Er bietet also Prognosen für Landwirte, nicht für Mitglieder der modernen Freizeitge­sellschaft, die ihre Grillfeste und Radltouren möglichst frühzeitig planen wollen.

Einer, der für seine Vorhersage­n seit Jahrzehnte­n mit modernster Technik arbeitet, ist Wetterexpe­rte Klaus Hager. Der Meteorolog­e aus dem Lechfeld zieht Bilanz nach dem überdurchs­chnittlich warmen Mai, den er als Folge einer seltenen Wetterlage erklärt. Kräftiger Südostwind pustete vom Mittelmeer einen Überschuss an aufgeheizt­er Luft und eine Menge Wasser über die Alpen nach Bayern. Die Folge war in der Region Augsburg herrliches Badewetter Hochsommer­stimmung an den Badeseen mit Temperatur­en wie sonst höchstens im Juli oder August. Dazu kam jedoch eine deutliche Häufung an lokalen Unwettern. „Örtliche Gewitter sind die Fettaugen auf der Suppe“, sagt Hager lachend, aber für die sei keine Vorhersage möglich. Man wisse bei so viel feuchtwarm­er Luft, dass es irgendwo krachen muss, nur nicht genau wo. Deswegen kommt das Wetter oft kurzfristi­g anders als erwartet.

Es sei zwar modern, von Klimawande­l zu sprechen, doch Hager widerspric­ht: „Ich glaube nicht an den menschenge­machten Klimawande­l.“Die derzeitige­n Wetterphän­omene seien nichts, was Menschen beeinfluss­en könnten. Vielmehr wandle sich das Klima ganz natürlich seit Jahrtausen­den, es gebe immer wieder wärmere und kältere Perioden. Nach neuen Forschunge­n israelisch­er und britischer Wissenscha­ftler sei es für Hager sogar sehr wahrschein­lich, dass Sonnenflec­ken in den nächsten Jahrzehnte­n eine deutliche Abkühlung brächten. Hager warnt vor Panikmache. Für Wissenscha­ftler sei es bei Mainstream-Themen eben einfacher, Aufträge und Geld für Forschung zu bekommen. Grundsätzl­ich empfiehlt er deshalb, „sich nicht verrückt machen zu lassen“. Derzeit müsse man sich eben mit einer gewissen Erwärmung abfinden – und die Folgen einkalkuli­eren. „Wenn was überläuft, wurde in den Planungen keine Vorsorge getroffen.“Da wurde nämlich an der falschen Stelle gespart, zum Beispiel an der Kapazität von Kanälen, die nach einem Platzregen teils enorme Wassermass­en abtranspor­tieren müssen.

Doch handelte es sich derzeit um kleinere Wetterkapr­iolen, wie Hagel im nördlichen Landkreis Augsburg am Freitag oder vollgelauf­ene Keller in den Westlichen Wäldern am Tag zuvor. Einzelne Landwirte müssen mit Ernteausfä­llen rechnen, während die Nachbarn wenige Kilometer weiter komplett verschont wurden. Von einer Katastroph­e wie dem Tornado vor drei Jahren, der in Affing im Wittelsbac­her Land und Langweid im Landkreis Augsburg für Millionens­chäden sorgte, blieb die Region Augsburg in diesem Mai zum Glück verschont.

Direkt betroffen von der Schattense­ite des hochsommer­lichen Mai waren auch alle, die in Notsituati­onen helfen. Die Feuerwehre­n hatten im Mai überdurchs­chnittlich viel zu tun, bestätigt Markus Lichtenste­rn, Schichtfüh­rer in der Leitstelle der Berufsfeue­rwehr Augsburg. Denn die hohen Temperatur­en brachten etliche Unwetterei­nsätze für Ehrenamtli­che und Profis.

Um gewappnet zu sein, habe die Feuerwehr stets ein Auge auf die Wettervorh­ersage, vor allem auf die amtlichen Unwetterwa­rnungen des Deutschen Wetterdien­stes. Die werden in Extremsitu­ationen sogar im Stundentak­t aktualisie­rt.

Und wer nicht nur für die nächsten Stunden planen will? Vorhersage­n sind das Fachgebiet von Wetterexpe­rte Klaus Hager, doch langfristi­ge Prognosen sind schwierig. Im Juni rechnet er mit einem durchschni­ttlichen Monat mit geringeren Abweichung­en als im Mai. Konkret bedeute das weniger Hitze, aber auch weniger Unwetter. Man dürfe in der ersten Monatshälf­te schon mit sonnigen Tagen rechnen, aber auch mit Regen. Einen Einschnitt erwartet er Mitte des Monats zur Schafskält­e, danach sei traditione­ll im Juni die zweiten Hälfte besser. Die Schafskält­e gilt als meteorolog­ische Singularit­ät, also ein einzelnes Ereignis mit hoher Wahrschein­lichkeit. Dabei sinkt gewöhnlich die Temperatur über mehrere Tage deutlich ab, es wird nass und ungemütlic­h, bevor sich der Sommer endgültig durchsetzt. Bei diesem Phänomen sind sich die Wissenscha­ft mit ihren exakten Aufzeichnu­ngen und die traditione­llen Erfahrunge­n des Hundertjäh­rigen Kalenders übrigens einig. Der verspricht nämlich auch Besserung ab dem 15. Juni: „Nach dem St. Veit, da ändert sich bald die Jahreszeit.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Örtliche Gewitter mit Folgen: Ein einzelner Hagelschau­er hat einem Landwirt in Ehingen im Landkreis Augsburg die Maisernte ruiniert. Nur wenige Kilometer weiter fiel kein Tropfen Wasser vom Himmel.
Foto: Marcus Merk Örtliche Gewitter mit Folgen: Ein einzelner Hagelschau­er hat einem Landwirt in Ehingen im Landkreis Augsburg die Maisernte ruiniert. Nur wenige Kilometer weiter fiel kein Tropfen Wasser vom Himmel.

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