Ein schlauer Zug
Auf den Spuren der Weldenbahn sieht man, wie Vergangenheit und Gegenwart verknüpfen werden / Serie (6)
Adelsried/Horgau Ein paar Meter vom Sitz des Gartenbau- und Landschaftspflegevereins Adelsried ist in einem Gebüsch ein stummer Zeuge vergangener Zeiten versteckt. Nur ein kurzes Gleisstück im Gras erinnert daran, dass hier früher einmal ein Bahnhof in Betrieb war. Adelsried zählte zu den Stationen der 1903 ins Leben gerufenen Weldenbahn. Sie verband auf ihrer Strecke Neusäß und Welden.
1982 fuhr hier der letzte Zug. Rund fünf Jahre später kaufte die Gemeinde die Immobilie von der Bahn. Für den mittlerweile verstorbenen Bürgermeister Ewald Zirch ein Stück Heimatpflege. Ihm ist auch zu verdanken, dass das erwähnte Schienenstück noch heute aus dem Gras schaut. Quasi als DreiMeter-Freilichtmuseum. Alles andere als museumsreif ist dagegen die neue Nutzung des ehemaligen Empfangsgebäudes: Es dient seit 1997 als Vereinsheim der Gartenfreunde.
Obwohl das Gebäude bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, musste wenig saniert werden. Nicht nur die Bausubstanz ist authentisch: An der Fassade hängt noch das Bahnhofsschild mit dem Ortsnamen in altmodischen Lettern. Darüber hängt die Bahnhofsuhr. An Stelle eines Namensschilds steht an der Eingangstür „Bahnhofsvorsteher“. Wenn Petra Lohwasser den Aufenthaltsraum betritt, werden Kindheitserinnerungen wach: „Das war früher die Wartehalle. Da saß ein Schaffner im Kämmerle und hat die Karten verkauft.“Der Raum, in dem heute der Vereinstisch steht, diente zu Zeiten der Bahn als Lager. Durch die Schiebetore wurden Lasten in die Züge gezogen. Holzkohle und Gänse beispielsweise.
Endstation Welden? Das gilt auch am ehemaligen Bahnhof Horgau nicht mehr. Mitte der 80er Jahre wurde der Bahnbetrieb eingestellt. kurz darauf an Stelle des Schienennetzes ein Radweg errichtet. Der Zahn der Zeit nagte seitdem am Empfangsgebäude wie ein Specht am nahen Wald. Ein erster Versuch, die Räumlichkeiten zu sanieren und für die Gastronomie zu nutzen, scheiterte. Mittlerweile gibt es einen neuen Investor. Bauamt-Mitarbeiter Albert Vogg ist zuversichtlich, dass die Gemeinde noch in diesem Jahr „um eine Attraktion reicher sein wird“. Auch Thomas Gewitsch, Geschäftsleiter der Gemeinde, ist voller Vorfreude und empfindet das Projekt als „positiv für ganz Horgau“. In Zukunft sollen Spaziergänger, Radfahrer und Camper im Bahnhof einkehren. Koch Hermann Lauter will mit seiner Frau Andrea ein Restaurant mit Biergarten errichten. Geplant ist auch ein Campingplatz mit Camping Pods nach schwedischem Vorbild. Das alte Empfangsgebäude soll als Herzstück originalgetreu bestehen bleiben und zur Wirtsstube werden. Links davon soll das „Rampenstüble“entstehen, rechts die Gaststube. „Unbeschreiblich teuer“sei die Sanierung. Nervös macht die Bausumme von 700000 Euro den Gastronomen dennoch nicht. Ebenso wenig die Tatsache, dass viele Mitbewerber nach kurzer Zeit ihren Laden wieder dichtmachten. „Es braucht einen Branchenprofi, der im Vorfeld überlegt, was zum Ort und Angebot passt.“Ein solcher Profi ist der 53-Jährige: Bevor er in seine schwäbische Heimat zurückkehrte, um den Traum vom eigenen Restaurant zu leben, war er in einer Betriebskantine in Dresden tätig. Ist die Geschichte der Weldenbahn damit zu Ende erzählt? Nicht, wenn es nach der Ortsgruppe Welden des Bundes Naturschutz geht: Die wünscht sich die Weldenbahn zurück.
ⓘ
Serie In unregelmäßigen Abständen stellen wird ehemalige Bahnhofsge bäude vor und erzählen, wie sie jetzt ge nutzt werden.