Hanfplantage auf Bäumen
Im vergangenen Jahr fand die Polizei knapp 300 Töpfe mit Cannabispflanzen, die im Wald in teils 25 Metern Höhe angebracht waren. Jetzt ist ein 35-Jähriger angeklagt. Bei der Polizei hat er sich schon geäußert
Wer weiß, wie lange die Töpfe noch in den Bäumen gehangen hätten, wäre ein Spaziergänger im Juli des vergangenen Jahres nicht stutzig geworden. Der Mann war im Haunstetter Wald unterwegs, als ihm 35 Pflanzenkübel auffielen, die am Waldrand auf dem Boden standen. Er erkannte, dass es sich bei den Pflanzen mit den langen, schmalen Blättern um Cannabis handelt, und rief die Polizei. Als einer der Beamten den Kopf in den Nacken legte, erspähte er ein paar Kanister, die in den Ästen der Bäume hingen.
Die Polizisten sahen nun genauer nach und wurden „maximal überrascht“, wie ein Sprecher später sagte. Denn mehr als 200 weitere Töpfe voll Cannabispflanzen waren in den Wipfeln der Bäume angebracht, teils in 25 Meter Höhe. Um die Töpfe überhaupt herunterzubekommen, mussten die Höhenretter der Augsburger Feuerwehr anrücken, die einen ganzen Tag damit beschäftigt waren, einen Kübel nach dem anderen nach unten zu bugsieren. Insgesamt stellten die Ermittler 275 Töpfe sicher, einige der Cannabispflanzen waren bis zu einem Meter hoch und erntereif.
Der ungewöhnliche Fall machte bundesweit Schlagzeilen, die Bild schrieb etwa, es handele sich um „Deutschlands höchste Hanfplantage“. Einen vergleichbaren Fundort, sagten Polizisten damals, hatten sie auch noch nicht. Eine irre Idee sei das doch, sagte ein Feuerwehrmann. Wer mache sich so eine Arbeit?
Lange wusste die Polizei die Antwort auf diese Frage nicht. Nun sind sich die Beamten allerdings sicher, den in jedem Fall ziemlich schwindelfreien Gärtner ermittelt zu haben. Ein 35-jähriger Mann aus Augsburg sitzt nach Informationen unserer Zeitung seit Ende März in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Mann erhoben, wie ein Sprecher der Behörde auf Anfrage bestätigt. Es geht um den Vorwurf des „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, der Prozess soll vor einem Schöffengericht am Amtsge- verhandelt werden. Die Polizei kam dem 35-Jährigen offenbar über DNA-Spuren auf die Schliche, die er an Gegenständen im Wald zurückließ. Die DNA des Mannes hatte die Polizei dem Vernehmen nach gespeichert, weil der Verdächtige bereits in der Vergangenheit durch Betäubungsmitteldelikte aufgefallen sein soll. Die Töpfe im Wald hatte der Gärtner gut getarnt; die Hanfplantage in den Bäumen anzulegen und sie zu verstecken, muss einiges an Aufwand erfordert haben. Es war nicht nur die Höhe, in der die Kübel angebracht waren, die dafür sorgte, dass sie den Blicken von Spaziergängern und Joggern gut verborgen blieben. Die Pflanzentöpfe waren von unten auch grün angemalt und teils mit grünem Material ummantelt, sodass sie in den Ästen von unten kaum zu erkennen waren. Anders als die hellen Kanister, die zehn Liter fassten und möglicherweise dazu gebraucht wurden, um die Pflanzen zu wässern.
Zunächst war unklar, ob ein einzelner Täter für die Hanfplantage verantwortlich war oder eine Gruppe von Menschen die Pflanzen gericht meinsam in den Bäumen platzierte. Nun ist der 35-Jährige der einzige Angeklagte. Der Mann hat die Vorwürfe bei der Vernehmung bei der Augsburger Kriminalpolizei gestanden. Sein Verteidiger Klaus Rödl bestätigt auf Anfrage, sein Mandant habe soweit eingeräumt, für den Anbau alleine verantwortlich gewesen zu sein.
Der 35-Jährige soll die Töpfe offenbar mit einem Seil in die Wipfel gezogen haben. Darauf deuteten schon damals entsprechende Spuren hin: An einem Baum war eine Stammseite regelrecht von Ästen kahlrasiert, damit die Kanister wie in einer Schneise hochgezogen werden konnten. Das muss angesichts von mehr als 200 Töpfen ziemlich oft passiert und auch eine Weile unentdeckt geblieben sein.
Das Gewicht des später im Zuge der Ermittlungen abgeernteten Materials betrug rund sechs Kilogramm. Angesichts dieser Menge erklärt sich auch der Tatvorwurf in der Anklageschrift: Da es sich nicht gerade um geringe Grammbeträge handelt, gehen die Strafverfolger offenbar davon aus, dass vom Verdächtigen geplant war, Teile davon nicht für den Eigenbedarf zu verwenden, sondern an andere Menschen zu verkaufen. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
Töpfe wurden wohl mit einem Seil nach oben gezogen