Merkels härtester G7 Gipfel
Plötzlich ist es, als würden sich Fremde treffen. Offen treten Brüche zutage, die sich unter Trump seit langem angedeutet haben. Was wird von dieser Staatengruppe bleiben?
La Malbaie Man kann in diesen Tagen dabei zusehen, wie Donald Trump mit beiden Händen an den Pfeilern der internationalen Ordnung rüttelt. Wie er alte Allianzen provoziert und offen bedroht. Der 44. Gipfel der G7 im kanadischen Ferienort La Malbaie ist der Ort, an dem der Westen mit sich selber ringt. In dieser Form womöglich das letzte Mal.
Kurz vor seiner Abreise legte Trump noch eine weitere Lunte an das gemeinsame Haus. Russland, 2014 wegen der Annexion der Krim ausgeschlossen, solle wieder zur Gruppe wichtiger Industriestaaten dazukommen, forderte Trump. Ungeachtet aller internationaler Kritik an Moskau, unbeschadet der Frage, welche Rolle Russland bei der USWahl 2016 spielte. Aber geht es dem Amerikaner wirklich um Russland? Oder will er mit seinem Vorstoß vor allem Aufmerksamkeit provozieren, die Gruppe spalten? Der neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte jedenfalls sprang Trump zu- nächst eilig per Twitter bei. Später wurde er aber anscheinend von seinen europäischen Kollegen wieder eingefangen, die europäischen Gipfelteilnehmer seien geschlossen gegen den Wiedereintritt Russlands, so Angela Merkel. Ebenso wie die EU. Die Sieben sei eine „Glückszahl“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Eine Glückszahl? Die G7 sind in einem historisch schlechten Zustand und drohen in zwei Lager zu zerfallen: Europa, Japan und Kanada hier, die USA dort. In einer Zeit der Umwälzungen in der Weltpolitik bleibt vom Schulterschluss einer westlichen Wertegemeinschaft nicht viel übrig. Ganz oben auf der Liste der Streitthemen stehen die Strafzölle der USA gegen die EU auf Stahl und Aluminium. Nicht weniger problematisch ist der Ausstieg der USA aus dem Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe. Und der Streit um den Klimaschutz schwelt ohnehin weiter.
Trump hatte schon vorab nicht verborgen, dass er keine Lust auf die zwei Tage in Kanada hat. Zu viel Gegenwind würde ihn dort erwarten, zu wenig Aussicht auf schnelle Rendite. Da passt es ins Bild, dass er an diesem Samstag früher abreisen will. Er hält den Nordkorea-Gipfel am Dienstag in Singapur für viel wichtiger. An Europäer und Kanadier sandte er schon vor dem Gipfel eine Kampfansage: Er werde in La Malbaie für „sein Land“kämpfen. Es klang, als seien die USA schon gar kein Teil mehr der G7.
Die Erfolgsaussichten des Gipfels sind dementsprechend miserabel. Die Europäer wollen im Handelsstreit keinesfalls klein beigeben, wobei sich auch hier Italien abzusetzen scheint: Man wolle die Positionen der Partner abwägen, so Conte. Beim Atomabkommen mit dem Iran ist ebenfalls schleierhaft, wie man wieder zusammenkommen kann. Wird es also eine Abschlusserklärung von nur sechs der G7 geben, G7 minus eins? Und wohin steuert Italien? Welche Zukunft hat dieses Gesprächsformat überhaupt noch? Angela Merkel will lieber keine Gipfelerklärung als einen Rückschritt. „Es ist aus meiner Sicht jedenfalls wichtig, dass wir hinter die Vereinbarungen, die wir getroffen haben, nicht zurückfallen.“Und: Es gebe bei so wichtigen Themen wie der atomaren Abrüstung Nordkoreas oder dem Iran weitgehende inhaltliche Einigkeit auch mit den USA. Ganz zu schweigen von der gemeinsamen Haltung des Westens gegenüber einem expansiven China oder beim Anti-Terror-Kampf. Merkel sagte nach der ersten Arbeitssitzung, die Diskussionen seien sehr lebhaft und auch sehr gut gewesen, es habe aber auch „eine Reihe von Divergenzen gegeben“. O-Ton Merkel: „Ich würde sagen, es ist ehrlicher, die Meinungsverschiedenheiten zu benennen.“Über dicke Brocken wie Handel oder Klimaschutz war da allerdings noch gar nicht gesprochen worden.
Martin Bialecki, Michael Fischer, Jörg Blank (dpa)