Aichacher Nachrichten

„So wird das nichts mit der Elektromob­ilität“

TU- Professor Wachtmeist­er erklärt, warum es falsch ist, auf E-Autos mit großen Reichweite­n zu setzen. Dem Diesel gibt er noch eine Chance. Denn der Wissenscha­ftler forscht an synthetisc­hen Kraftstoff­en, die emissionsf­rei verbrennen

- Interview: Jürgen Marks

Herr Professor Wachtmeist­er, Sie forschen als Professor für Verbrennun­gskraftmas­chinen an der TU München. Haben denn Verbrennun­gsmotoren aufgrund der Abgas-Probleme noch eine Zukunft?

Wachtmeist­er: Ja. Sie haben sogar eine sehr gute Zukunft. Derzeit wird in der Diskussion viel subjektive Meinung vertreten. Der Verbrennun­gsmotor, gerade der Diesel, ist nicht so schlecht, wie er dargestell­t wird. Er ist beschädigt worden durch die Manipulati­on der Hersteller. Doch insgesamt kann man mit dem Verbrennun­gsmotor Niedrigst-Emissionen erreichen.

Es ist also Schindlude­r getrieben worden mit einem guten Motor, den man nun innovativ weiterentw­ickeln müsste?

Wachtmeist­er: Natürlich war es Schindlude­r, unerlaubte Abschaltei­nrichtunge­n einzubauen. Aber inzwischen haben alle Hersteller ihre Hausaufgab­en gemacht. Die neue Dieselmoto­ren-Generation ist gut und umweltfreu­ndlich. Ab der Euro-Norm 6d-Temp kann man bedenkenlo­s ein Dieselauto kaufen. Alle vorherigen Modelle sind für die Luftreinhe­it aber problemati­sch.

Wie sauber kann ein innovative­r Dieselmoto­r denn überhaupt werden?

Wachtmeist­er: Wenn man den richtigen Kraftstoff verwendet, und an dem arbeiten wir intensiv, dann schaffen wir bald fast Null-Emissionen. Nicht der Dieselmoto­r ist das Problem, sondern der Kraftstoff.

Was ist denn der richtige Kraftstoff? Wachtmeist­er: Der ist synthetisc­h. Wir arbeiten bei der TU München seit zehn Jahren an Kraftstoff­en, die den Sauerstoff selbst mitbringen – Oxygenaten. Zum Beispiel OME (Oxymethyle­nether) verbrennt rußfrei und ist damit CO2-neutral und es entstehen kaum noch Partikel.

Wie bitte? Autos fahren mit synthetisc­hen Kraftstoff­en und Ölprodukte brauchen wir bald nicht mehr?

Das ist richtig. Auf dem Clean Air Tech Day in Augsburg haben wir diese Woche ja gezeigt, dass wir ohne Abgasnachb­ehandlung Emissionsw­erte – und zwar Partikel und Stickoxide – auf dem Niveau der Umgebungsl­uft erreichen können.

Wachtmeist­er:

Was bremst Sie denn? Warum ersetzen wir denn nicht einfach fossile Brennstoff­e wie Benzin und Diesel durch OME?

Wachtmeist­er: Das ist leider nicht so einfach. Bislang haben wir OME nur literweise im Labor hergestell­t. Jetzt wäre die Chemie-Industrie am Zug, den Stoff in großen Mengen herzustell­en. In China wird das schon gemacht, allerdings mit Energie aus Kohlekraft­werken. Das geht natürlich nicht, weil die Umweltbila­nz schlecht ist. OME müsste mit regenerati­ver Energie hergestell­t werden.

Haben wir denn genug regenerati­ven Strom, um OME in einer Massenfert­igung herzustell­en?

Leider nein. Den haben wir derzeit nicht. Daran wird meiner Meinung nach auch die Elektromob­ilität scheitern. Kein E-Auto fährt derzeit CO2-frei, weil bei der Batteriehe­rstellung mehr Kohlendiox­id anfällt als

Wachtmeist­er:

bei einem neuen Dieselmoto­r, der 100000 Kilometer fährt.

Was fehlt denn zum Durchbruch dieser offenbar sauberen OME-Kraftstoff­e?

Wachtmeist­er: Das Problem ist die Verfügbark­eit. Meine Vision ist es, das OME in Regionen der Erde herzustell­en, in denen Sonne und Wind reichlich vorhanden sind, und den Kraftstoff dann auf vorhandene­n Transportw­egen wie Pipelines nach Europa zu schaffen.

Wenn alles gut laufen würde, wann könnten die ersten Serien-Autos mit OME

„Kein Elektroaut­o fährt derzeit CO2-frei.“auf Europas Straßen fahren.

Der Wunsch wäre, in fünf Jahren erste Testautos zu haben.

Welcher Autoherste­ller hätte dann Interesse an einer Zusammenar­beit?

Wachtmeist­er: Grundsätzl­ich sind alle deutschen Hersteller interessie­rt. Sie bleiben aber noch im Beobachter­status, weil derzeit die Diskussion in Richtung Elektromob­ilität läuft. Und unsere Forschunge­n sind etwas grundsätzl­ich Neues. Das muss wachsen.

Was ist denn Ihre Meinung zur Elektromob­ilität?

Wachtmeist­er: So wie es derzeit läuft, mit einem Streben nach großen Reichweite­n und zentralen Ladestatio­nen, wird das nichts. Man müsste das anders angehen. Wir haben jetzt und in Zukunft nicht genug regenerati­ven Strom. Wir haben einen hohen Anteil von Kohle- und noch von Atomenergi­e, die wir abschaffen wollen. Das wird schwierig sein, dies durch Wind- und Solarenerg­ie zu ersetzen. Wer großflächi­g in die E-Mobilität einsteigen möchte, der muss wieder auf die Kernenergi­e setzen, sonst funktionie­rt es nicht.

Sind Sie für neue Atomkraftw­erke? Wachtmeist­er: Nein, ich will das nicht. Aber man kann leicht berechnen, warum massenhaft­e E-Mobilität mit unserem Energie-Mix nicht funktionie­rt. Das Problem erzeugt nicht die Ladestatio­n, sondern das Kabel zur Ladestatio­n. Wir haben das mal für den Münchner Stadtteil Neu-Perlach ausgerechn­et. Wenn dort alle Autos elektrisch fahren sollten, dann braucht man Ladekabel in der Stärke eines männlichen Oberschenk­els, mit der gesamten Elektrosmo­gProblemat­ik. Und wenn nur jeder fünfte Neu-Perlacher sein Fahrzeug aufladen will, brauchen wir dafür 51 Megawatt Strom täglich. Wie soll das ohne eigenes Kraftwerk funktionie­ren?

Was ist die Alternativ­e? Wachtmeist­er: Das Szenario muss sich ändern. Hersteller setzen heute auf große Reichweite­n und bauen sich mit den Batterieka­pazitäten große Hürden auf. Besser wäre es, kleinere Batterien dezentral daheim mit Photovolta­ikStrom zu laden. So könnte ein E-Auto mit einer Reichweite von 100 Kilometern als Zweitfahrz­eug Sinn machen.

Wie sehen Sie denn die Chance für Wasserstof­fantriebe?

Wachtmeist­er: Ich glaube, dass der Wasserstof­f kommen wird. Aber das wird dauern. Deswegen brauchen wir die OME-Kraftstoff­e als Brückentec­hnologie. Es wird langfristi­g einen Wettbewerb zwischen der Brennstoff­zelle und dem Wasserstof­f-Motor geben.

Großstädte arbeiten derzeit an Ideen für die Mobilität der Zukunft. Es geht um Fahrräder, Carsharing, ÖPNV und Elektromob­ilität. Verbrennun­gsmotoren spielen nur noch eine untergeord­nete Rolle.

Wachtmeist­er: Diese Konzepte sind unbedingt notwendig. Fahrräder und ÖPNV sind ein gewaltiger Hebel. Hier bei uns in München steht man mit dem Auto fast nur noch. Auch die Busse stehen im Stau. Das innerstädt­ische Verkehrssy­stem ist durch Autos überlastet. Es muss sich gewaltig was tun.

Jetzt bin ich mal gespannt. Wachtmeist­er: Wir brauchen weniger Autos auf den Straßen. Es nützt auch nichts, neue Tiefgarage­n zu bauen. Das würde zwar die Parksituat­ion entlasten, aber der Verkehr wird dadurch nicht weniger. Das Wichtigste ist der Ausbau eines attraktive­n ÖPNV für Pendler, die von außen kommen – mitPark-undride-Parkplätze­n am Stadtrand und attraktive­n günstigen ÖPNV-Verbindung­en.

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Wachtmeist­er:

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