Er lässt sich kaum eine Beerdigung entgehen
Anton Holzmüller ist Mesner der katholischen Stadtpfarrei St. Ulrich und Afra. In seiner Freizeit geht er zu Trauerfeiern und sammelt Sterbebilder – vorzugsweise von Promis. Er sagt: „Jeder hat seinen Vogel“
Anton Holzmüller interessiert sich sehr für Prominente. Vor allem, wenn sie gestorben sind. Dann mischt sich der 54-Jährige im schwarzen Anzug unter die Trauergäste. Manchmal hält Holzmüller eine weiße Rose in der Hand, damit er nicht so auffällt. Holzmüller versucht, keine Promi-Bestattung auszulassen. Dafür reiste er sogar einmal Hals über Kopf nach England. In 25 Jahren hat er bereits einige tausend Sterbebilder gesammelt. Der Mann, der beruflich auch mit dem Tod zu tun hat, spricht offen über seine ungewöhnliche Leidenschaft und was ihn antreibt.
„Jeder hat seinen Vogel. Andere sammeln Briefmarken“, meint Anton Holzmüller fast entschuldigend, als er etliche Alben auf den riesigen Holztisch in der Sakristei packt. Holzmüller ist seit 35 Jahren Mesner der katholischen Stadtpfarrei St. Ulrich und Afra. Er bezeichnet sich als „Handlanger des Pfarrers“, bereitet Taufen, Trauungen und Beerdigungen vor. In seinen vielen Alben, die den Keller der Sakristei und den bei ihm zuhause füllen, bewahrt er unzählige Sterbebildchen, selbstgeschossene Fotos von Beerdigungen und Zeitungsausschnitte auf.
Allein 250 Sterbebilder von Schauspielern, Musikern, Politikern und Adeligen hat er gesammelt. Wie von Johannes Heesters etwa, Max Greger oder CSU-Politikerin Michaela Geiger. Darüber hinaus hortet der Mesner 5000 Bildchen von „normalen“Menschen, die längst tot sind. Aber vor allem ziehen ihn die Promi-Beerdigungen magisch an. Sobald Holzmüller vom Tod eines bekannten Menschen erfährt, ob über Todesanzeige oder Medienbericht, plant er seinen Besuch der Beerdigung.
Kollegen werden bisweilen gefragt, ob sie mit ihm spontan Dienst tauschen können. Kaum ein Mensch geht gerne zu Bestattungen. Was treibt also den gemütlichen Mann mit dem schwäbischen Dialekt an? „Das ist die Neugierde, das will ich nicht verneinen“, gibt Holzmüller zu. „Mich interessieren die Geschichten, die hinter den Menschen stecken.“Er überlegt. „Und natürlich auch der liturgische Ablauf und wie eine Beerdigung gestaltet wird.“Er blättert in einem der Alben. Holzmüller zeigt auf ein Foto mit einem bemalten Holzsarg, auf dem Sonnenblumen liegen.
Es ist der Sarg des Kabarettisten Hildebrandt. „Das war a lustige Leich’ – wenn man das so sagen darf. Die Enkel hatten den Sarg bemalt.“Der Schriftzug des TSV 1860 München ist darauf zu sehen, eine gemalte Kerze sowie ein lustiger Spruch von Erich Kästner. Ob er keine Skrupel habe, sich als Fremder unter eine Trauergemeinde zu mischen? „Nein. Manchmal muss man etwas täuschen, sonst kommt man ja zu nichts.“Holzmüller winkt ab und zeigt rasch ein nächstes Stück: das Sterbebild des einstigen Unternehmers Georg Hipp.
Der Babynahrungs-Hersteller hatte vor dem Tod sein eigenes Kärtchen gestaltet. „Wer ist mir jetzt noch neidig? Bitte legt mir keine Kränze auf das Grab, die Erde ist schon schwer genug“, ist darauf zu lesen. So etwas gefällt Holzmüller. Wie auch das Sterbebild, auf dem gleich zwei Frauen mit unterschiedlichen Todesdaten zu sehen sind. Ein Mann hat es für seine beiden einstigen Ehefrauen anfertigen lassen. „Vor zehn Jahren wollte mir jemand dafür 1000 Euro geben. Ich will nicht wissen, was es jetzt wert ist.“Tatsächlich gibt es eine Art Tauschbörse für die Erinnerungskarten. Fast so wie bei den PaniniFußball-Bildern. Holzmüller steht im ständigen Austausch mit zwei Sammlern in München und RegensDieter burg. Gegenseitig bringen sie sich von Beerdigungen Sterbebildchen mit. Man kann schließlich nicht überall sein, wie im April 2005.
Da kam der Mesner in die Bredouille, weil die Beerdigungen von Harald Juhnke, Fürst Rainier von Monaco und Papst Johannes Paul II. nahezu zeitgleich stattfanden. Er entschied sich für die päpstliche Beerdigung und kam sogar ziemlich nah an den Sarg heran. Wie auch an den von Queen Mum.
16 Jahre liegt die Trauerfeier für die Königinmutter inzwischen zurück. Sie war Holzmüllers bislang eindrucksvollstes Erlebnis. „Ich flog nur mit einer Jacke ausgestattet am Tag zuvor nach London.“Die ganze Nacht wartet Holzmüller vor Westminster Abbey. „Die Sanitäter wickelten mich in ihre Silberfolie ein, damit ich nicht so fror“, erinnert er sich. Ganz vorne stand der Augsburger Mesner, als der Sarg mit der Krone darauf aus der Kirche getragen wurde. Er hatte sich unter die Königstreuen gemischt und tat so, als ob er dazugehörte.
Seine eigene Beerdigung stellt sich Holzmüller „pfiffig“vor. „Da muss sich was rühren. Vielleicht musikalisch ein bisserl Bach.“Angst vor dem Tod hat der Mesner nicht. „Der kann gerne kommen, wann und wo er will. Es ist, wie es ist.“