Geburt eines Romans auf einer Lesung
Zurück in Augsburg: Ralf Rothmann mit seinem Buch „Der Gott jenes Sommers“
2003 veröffentlichte Ralf Rothmann seinen Roman „Hitze“. Der Titel hätte für Rothmanns Lesung am Donnerstagabend im Taschenbuchladen gut gepasst, wo sich rund 40 passionierte Zuhörer bei nicht ganz 40 Grad drängten, um Ralf Rothmann aus seinem jüngsten Buch „Der Gott jenes Sommers“lesen zu hören. Der in Berlin lebende Autor ist ein Phänomen der Alterslosigkeit. 65? Manche im Saal erinnerten sich, so wie Buchhändler Meinolf Krüger, noch an Rothmanns Lesung 1991 in Augsburg. Lange her, 27 Jahre immerhin. Der Autor scheint jedenfalls nicht gealtert seither – das volle Haar, die schlanke Gestalt.
Fast 20 Bücher sind in diesen 27 Jahren dazugekommen. Und eine Menge Preise, wichtige Literaturpreise. Um nur einige zu nennen: der Wilhelm-Raabe-Preis (2004), der Heinrich-Böll-Preis (2005), der Hölderlin-Preis (2013), der KleistPreis (2017) und, ganz frisch in diesem Jahr, der spanische „Premio San Clemente“. Auf den, so sagt Rothmann, sei er besonders stolz, weil er von Abiturienten vergeben wird. Er bekam den Preis für seinen in 22 Sprachen übersetzten Roman „Im Frühling sterben“, in dem Rothmann basierend auf der Geschichte seines eigenen Vaters von siebzehnjährigen Freunden erzählt, die im Februar 1945 zwangsrekrutiert werden und dramatisch in den Wahnsinn der letzten Monate des Zweiten Weltkrieges verstrickt werden. „Der Gott jenes Sommers“(besprochen in unserem Feuilleton am 5. Juni), aus dem Rothmann in Augsburg eine gute Stunde präzise und eindringlich liest, nimmt den Zeithintergrund des Vorgängerromans (und die Figur des jungen Melkers Walter, Rothmanns Vater) wieder auf und spielt nahe Kiel auf einem Gutshof. Hauptperson: die 12-jährige Luisa. Es war auf einer Lesung, als eine alte Dame den Autor angesprochen hatte und sich ihrer Kriegsende-Kindheit auf einem Gutshof erinnerte, wo sie sich zart in Rothmanns Vater verliebt hatte, den jungen Melker. Dieses Erlebnis, erzählt der Schriftsteller, habe ihn dazu geführt, „Der Gott jenes Somzwei mers“und die, natürlich fiktionale, Geschichte des Mädchens zu schreiben. Sechs Passagen in dem Buch erzählen von einer Episode im Dreißigjährigen Krieg – in der Sprache, im Ton der Zeit. „Ich habe für diese Stellen keine plausible Erklärung“, sagt Rothmann – doch diese eingeflochtene zweite Erzählebene, mit der manche Kritiker und Leser Probleme hatten, habe er hingeschrieben und nicht mehr geändert.