Fahrlehrer: „Führerschein verliert an Stellenwert“
Im Landkreis Aichach-Friedberg ist die Durchfallquote niedriger als im Bundesdurchschnitt. Trotzdem beobachten die Fahrschulen ein anderes Lernverhalten als früher. Das hat auch mit den Eltern zu tun
Aichach Friedberg Das erste Mal vorne auf der linken Seite ins Auto einsteigen, anschnallen, freudig den Schlüssel umdrehen, langsam Gas geben. Die erste Fahrstunde ist für Jugendliche aufregend und ein Schritt in die Unabhängigkeit. Wirklich? Nicht mehr so wie früher, sagen Fahrlehrer aus dem Landkreis. Christian Schenk von der gleichnamigen Aichacher Fahrschule sagt: „Der Führerschein hat an Stellenwert verloren.“Nach aktuellen Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes fällt jeder dritte Fahrschüler durch die Prüfung – der schlechteste Wert seit 2006. Woran liegt das? Werden die Schüler immer schlechter? Liegt es an den Fahrschulen?
Christian Schenk zögert bei der Frage nicht lange. „Der Führerschein ist nicht mehr so viel wert wie früher“, sagt er. Seit über 30 Jahren ist Schenk Fahrlehrer: Er hat schon viele zum Führerschein begleitet und betont, seine Durchfallquote sei deutlich niedriger.
Über die Fahrschüler sagt er: „Sie sind auf keinen Fall dümmer geworden. Die Jugendlichen haben sich nur gewandelt.“Die digitale Welt habe ihre Prioritäten verändert. „Inzwischen ist das neueste Handy wichtiger, als mit 17 oder 18 Jahren bereits Autofahren zu können“, sagt Schenk.
Ulrich Eberl, der ebenfalls in Aichach eine Fahrschule betreibt, hat festgestellt, dass junge Leute oft erst kommen, wenn sie den Führerschein aus beruflichen Gründen brauchen. Viele könnten sich mit 18 Jahren kein Auto leisten und verzichteten dann erst einmal darauf, den Führerschein zu machen.
Im Jahr 2017 sind laut Kraftfahrtbundesamt über als ein Drittel aller Prüflinge in der Theorie und ein Viertel in der Praxis durchgerasselt. Es fallen also mehr durch, wenn Wissen abgefragt wird, als in der praktischen Umsetzung. Ulrich Eberl bestätigt, dass an der Theorie mehr als früher scheitern. Er betont aber: „Wer Interesse hat und dranbleibt, der fällt sicher nicht durch.“Großen Anteil daran hätten allerdings Leute mit Sprachproblemen. Auch wenn sie oft sehr schnell Deutsch lernen, hätten sie Schwierigkeiten, wenn es für die gleiche Sache verschiedene Begriffe gibt. Wenn etwa statt von „bremsen“von „verzögern“oder „Geschwindigkeit reduzieren“die Rede ist.
Unabhängig von der Muttersprache gebe es auch Schüler, die Fahrstunden sparen und zu früh zur Prüfung antreten wollen. Das sagt auch Daniel Burkhardt, der seit 18 Jahren die Fahrschule Drive Academy im Affinger Ortsteil Mühlhausen betreibt. Er betont aber: „Das entscheidet bei mir nicht der Fahrschüler.“Bei ihm sei die Durchfallquote nicht sehr hoch. Die Theorie, hat er festgestellt, nähmen manche nicht so ernst. Dabei gebe es heute deutlich mehr Hilfsmittel, um sich gut vorzubereiten: das klassische Buch, eine App fürs Smartphone, mit der man gezielt lernen kann, und „Drivers cam“, ein FührerscheinPraxistraining, mit dem man für das konkrete Prüfgebiet üben kann. „Die Hilfsmittel werden aber oft nicht benutzt oder erst kurz vor der Prüfung“, beobachtet er immer wieder. „Und dann ist es zu spät.“Vor der Theorieprüfung gibt es bei ihm die Möglichkeit, eine Vorprüfung abzulegen.
Generell gilt, wie Burkhardt sagt: „Es gibt welche, die kommen gut zurecht.“Es gebe aber auch andere. Ein Problem sei, dass es manchen jungen Leuten an Selbstständigkeit fehle. „Ihnen wird alles von den Eltern abgenommen.“Am Steuer müssten sie plötzlich selbst Entscheidungen treffen. Davon seien sie dann überfordert. Auch Christian Schenk sagt mit Blick auf diese sogenannten Helikopter-Eltern: „Die Schüler müssen auch Fehler machen, um dazuzulernen.“Wenn Fahrschülern die Lösung stets präsentiert werde, könnten sie ihr Wissen in der Prüfung nicht abrufen, sagt er. Auch ihm fällt auf, dass die Selbstständigkeit bei Jugendlichen abgenommen hat. „Die Eltern fahren sie überall hin.“Auch deshalb sei der Führerschein nicht mehr so wichtig. Burkhardt macht zudem die Erfahrung, dass sich viele schlecht über längere Zeit konzentrieren können. Und wer zu viel Zeit zwischen der Theorieprüfung und den Fahrstunden vergehen lasse, habe vieles schon wieder vergessen.
Einen Teil der Schuld am häufigen Scheitern sah der Auto-Club Europa (ACE) in einer Studie 2013 in der mangelhaften Ausbildung mancher Fahrschulen. Durch bewusst schlechte Vorbereitung würden Fahrschulen hohe Durchfallquoten provozieren, um doppelt abkassieren zu können. Schenk betont, seiner Fahrschule brächten Wiederholer nichts. „Sie blockieren nur freie Plätze“, sagt er. Das Gleiche sagt Daniel Burkhardt. „Ich schaue, dass ich meine Fahrschüler so schnell wie möglich durchbringe“, sagt er. „An den Fahrstunden ist nichts verdient.“