Von Liebe, Mord und den Gedanken eines Busfahrers
In Friedberg werben die Kandidaten mit teils lustigen, teils tiefgründigen Texten um Applaus. Auch sprachlich war einiges geboten
Friedberg Was passiert, wenn eine Frau sich entschließt, zu erben? Was sind die Vorteile konsequenter sexueller Enthaltsamkeit für Frauen? Und wie ist eigentlich der Segmüller-Werbespruch auf den Straßenbahnen entstanden? Wer am Freitag auf dem Poetry Slam war, weiß nun Bescheid. Die jährlich stattfindende Veranstaltung mit dem Namen „Moët für den Poet“war im wahrsten Sinne des Wortes Kunst mit Perspektive: Die Bühne stand am Friedberger Berg, das Publikum hatte daher beste Sicht auf die Dichter, die Unterstadt und den Sonnenuntergang. Trotz der Kälte am Freitag waren fast alle 200 Plätze besetzt. Mit vier Kandidaten war das Feld ungewöhnlich klein für einen Poetry Slam. Abwechslung gab es dennoch reichlich, denn die Dichter hatten nicht nur ihren ganz eigenen Stil, sondern präsentierten sich sehr vielseitig. In drei Runden gaben sie ihr Können zum Besten, nach jedem Durchgang schied der Poet mit dem wenigsten Applaus aus.
Korbinian Schmid aus dem oberbayerischen Gerolsbach (Kreis Pfaffenhofen an der Ilm) gab vor, Mühe mit dem Hochdeutschen zu haben, beeindruckte aber mit einer geschliffen erzählten Einsicht in die Gedankenwelt eines Busfahrers.
Der Augsburger Michael Friedrichs sinnierte darüber, wie wohl der Werbespruch „Nach Friedberg fahren heißt Geld sparen“auf die öffentlichen Verkehrsmittel gelangt sein könnte, in denen die Augsburger in Richtung Segmüller fahren. Er war überzeugt, dass ein mäßig begabter Werbetexter und dessen dem Alkohol nicht abgeneigter Chef eine tragende Rolle gespielt haben mussten – „Und wenn es nicht so war: Umso schlimmer!“
Heide Rose aus Nürnberg tat, was jeder große Poet tut: Sie dichtete über Liebe, gebrochene Herzen und zweite Chancen. Mit ihren Reimen schaffte sie es bis ins Finale, wo sie dann andere Saiten aufzog: Alle anwesenden Frauen rief sie zur sexuellen Abstinenz auf und zog ins Feld gegen schlaflose Nächte und wunde Schöße. Ein Hang zu skurrilen Geschichten in Reimform ließ sich bei Skog Ogvans Auftritten erkennen. Das erste Poem des Leipzigers erzählte von Waldemar, der im Wald gezeugt und später in demselben ausgesetzt wird. Dort trifft er auf Waltraud, die eine ähnliche Vergangenheit zu haben scheint, und findet in ihr die Liebe seines Lebens. Als sie ihn scheinbar verlässt, sieht er im Freitod den einzigen Ausweg und als die Dame seines Herzens vom Toilettengang wieder zurückkehrt, kommt für Waldemar jede Rettung zu spät. Ogvans drängender Stil mit stark variierenden Verslängen erzeugte viel Spannung und zog das Publikum in seinen Bann. Der witzige Inhalt seiner poetischen Ergüsse ebnete ihm schließlich den Weg ins Finale, wo er sich gegen Rose durchsetzen konnte.
Ebenfalls viel Zulauf hatte die Bergbühne am darauffolgenden Abend mit einem gänzlich gegensätzlichen Programm. Bei der Percussion Show „Drums alive“konnte das Publikum getrost die Gedanken einmal abschalten und sich ganz dem Rhythmus überlassen.