Merkel erklärt Zuwanderung zur Schicksalsfrage
Die Europäische Union will Flüchtlinge in Auffanglagern in Nordafrika unterbringen
Brüssel In der europäischen Flüchtlingspolitik stehen die Zeichen auf eine stärkere Abschottung nach außen. Den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten lag bei ihrem Gipfeltreffen am Dienstag ein erstes Konzept für Auffanglager für Flüchtlinge in nordafrikanischen Ländern vor: Menschen, die sich illegal auf den Weg nach Europa machen, sollen nach der Aufnahme durch Schiffe im Mittelmeer nicht mehr nach Europa, sondern in Auffanglager in anderen Staaten gebracht werden. Dies wird mittlerweile von vielen Mitgliedsländern als einzige Möglichkeit gesehen, um Schleuserbanden die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Aus den Lagern sollen nur noch Menschen eine Chance auf Zuflucht in Europa haben, die wirklich schutzbedürftig sind. Alle anderen müssten in ihre Heimatländer zurückkehren.
Die sogenannten Anlandestellen würden nicht gegen internationales Recht verstoßen, betonte die EUAußenbeauftragte Federica Mogherini. Kommissionspräsident JeanClaude Juncker warnte die Mitgliedstaaten jedoch vor einem, wie er es nannte, neokolonialistischen Verhalten: „Ich mache darauf aufmerksam, dass wir hier in Brüssel nicht entscheiden können für die nordafrikanischen Länder. Ich bitte da um Zurückhaltung.“Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich offen für Gespräche mit nordafrikanischen Ländern über die Aufnahme von Bootsflüchtlingen.
Schon bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag hatte sie zuvor klargemacht, dass sie auch auf einen verbesserten Außengrenzschutz durch eine Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex setzt. Wörtlich sagte sie: „Europa hat viele Herausforderungen. Aber die mit der Migration könnte zu einer Schicksalsfrage für die Europäische Union werden.“
Merkel bekräftigte ihren Wunsch, der Weiterreise registrierter Flüchtlinge von einem EU-Land in ein anderes einen Riegel vorzuschieben. Es sei klar, dass „Flüchtlinge und Migranten sich nicht aussuchen können, in welchem Land sie ein Asylverfahren durchlaufen“. Zugleich müsse die EU aber jene Länder unterstützen, in denen besonders viele Flüchtlinge ankämen.
Die Weiterreise registrierter Flüchtlinge innerhalb der EU steht auch im Zentrum des Streits unter den deutschen Unionsparteien. Innenminister Horst Seehofer droht damit, solche Migranten im nationalen Alleingang an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Auf diese Maßnahme will die CSU nur verzichten, falls Merkel in Brüssel eine europäische Vereinbarung zur Asylpolitik erreicht, die unter dem Strich den gleichen Effekt hätte.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, plädierte gegenüber unserer Zeitung dagegen für die von Merkel favorisierte europäische Lösung:
Röttgen plädiert für eine gemeinsame Lösung
„Es ist eine Grundwahrheit, dass man die Probleme des europäischen Asylsystems nur in Kooperation mit den betroffenen Staaten in den Griff bekommen kann. Es gibt keine Lösung, die im nationalen Alleingang gegen ein anderes Land wie Italien funktionieren könnte.“
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres haben die deutschen Behörden nach Angaben der Bundesregierung 4100 Flüchtlinge in andere EU-Länder abgeschoben. In der EU dürfen Flüchtlinge nur in einem Mitgliedstaat Asyl beantragen. Häufig ist dann das Land zuständig, in dem der Migrant erstmals EU-Territorium betreten hat. Wird er dann in einem weiteren EU-Land vorstellig, kann er in das zuständige Land abgeschoben werden.
Mehr über den jüngsten Fall von Bootsflüchtlingen finden Sie in der Politik.