Eine Sache fehlt bei der Fledermausführung
Die fliegenden Säugetiere faszinieren Susanna Eberl. Im Botanischen Garten sucht sie nach ihnen
Stück für Stück dreht Susanna Eberl den Regler im Uhrzeigersinn. In ihrer Hand hält sie ein Gerät, das aussieht wie ein Funkgerät – und eigentlich auch eines ist. Ihre Augen streifen durch die Dunkelheit über den Teich vor ihr, ihre Ohren horchen in die Nacht hinein. Der Zeiger am „Bat-Detektor“(„bat“bedeutet auf Englisch Fledermaus) in ihrer Hand knackt leise bei jeder Drehung, hinter ihr klingt gedämpft Tanzmusik aus dem beleuchteten Botanischen Garten, das Ziehen an einer E-Zigarette lässt gelegentlich aufhorchen.
Nur das Geräusch, auf das Susanna Eberl und ihre etwa zehn Begleiter warten, bleibt aus. Bis jetzt: „Das war eine!“, freut Eberl sich. „Ich bin gerettet! Hören Sie das? Das ist eine Fledermaus.“
Auf einen Schlag beugen sich zehn Oberkörper nach vorne zum Detektor und halten die Ohren zum Gerät. Noch einmal zischt ein Geräusch aus dem kleinen Lautsprecher, dann reißen die Fledermaussucher ihre Augen auf und starren auf den Teich, den Susanna Eberl mit einer Taschenlampe anstrahlt. Aber sie starren auch ins Leere: Kein Tier ist zu sehen.
Dass überhaupt eines zu hören ist, verdanken Eberl und ihre Begleiter dem Bat-Detektor. Er macht die Ultraschallwellen hörbar, mit denen Fledermäuse sich orientieren und kommunizieren. Wenn Eberl die richtige Frequenz gefunden hat, hört sie an manchen Abenden einen regelrechten Geräuschteppich, wenn die Fledermäuse von überall her funken und flattern. So erhofft sie es sich auch an diesem Abend am Samstag im Botanischen Garten. Während hunderte den lauen Sommerabend im erleuchteten Garten genießen, versammeln sich erst über vierzig Leute um Eberl, die jetzt schon nach Sonnenuntergang die letzte der vielen Führungen in der Langen Nacht der Natur leitet. Im schummrigen Licht glänzen rund um Eberl die Augen ihrer Zuhörer und ruhen auf ihren gelockten, schulterlangen Haaren.
Sie ist Biologin und Realschullehrerin. Ihr brauner Teint verrät, dass sie nicht nur bei Nacht in die Natur geht, um Fledermäuse zu sehen. Der Schotter knirscht unter den Fußsohlen, als Eberl sich mit ihren noch verbliebenen Begleitern aus dem Botanischen Garten auf den Weg in die benachbarten Siebentischanlagen macht. Einen Weiher möchte sie anvisieren, das Schlaraffenland für Fledermäuse, wo viele Mücken und Motten über das Wasser surren. Rund ein Drittel ihres Körpergewichts futtern Fledermäuse, wenn sie auf der Jagd sind. Wenn sie ruhen, hängen sie kopfüber in dunklen Verstecken – auch bei der Geburt.
„Mit ihren Händen fangen sie das Junge dann im Fallen auf“, erklärt Philipp. Er ist zehn Jahre alt und vielleicht der jüngste Teilnehmer der Führung. Eine Verwandte von ihm hat gelegentlich Fledermäuse zu Hause. Eberl bestätigt: Ein dunkler Platz zum Abhängen und ein nahes Feuchtbiotop ist genau der Ort, an dem Fledermäuse am liebsten leben. Stören lassen die Fledermäuse sich dabei von Menschen nicht, nur extreme Nähe setze sie tatsächlich unter Stress. Philipp hat schon viel über Fledermäuse gelesen und mag die Tiere. Eberls Beziehung zu ihnen ist gleichwohl eine besondere: „Vor ein paar Jahren habe ich ein geschwächtes Junges gefunden, so groß wie ein Fingernagel.“Mit Katzenmilch und einer Pipette wollte sie das Tier aufziehen, doch ihre Ausrüstung war für das winzige Geschöpf nicht fein genug. Sie gab es in eine Auffangstation ab, wo es dann letztlich gerettet werden konnte.
Noch einmal zischt der Bat-Detektor, kurz bevor Susanna Eberl die Führung beenden will. Noch einmal suchen ihre Augen mit ihren Begleitern den Weiher ab. Im Licht der Taschenlampe glänzt das Wasser, Mücken tummeln sich im Lichtkegel.
Alle warten darauf, dass eine Fledermaus ins Helle stößt und sich auf eine der Mücken stürzt. Aber auch diesmal bleibt es aus. Enttäuscht ist die Gruppe aber nicht: Schon früh hatte Eberl angekündigt, dass es den Fledermäusen heute Nacht wohl zu kühl sein könnte, „da finden sie nicht genug Futter“. So sahen die Tiere das wohl auch: Viele blieben lieber daheim.