Aichacher Nachrichten

Mehr Bürger wollen Auskunft vom Staat

Die Zahl der Anträge nach dem Informatio­nsfreiheit­sgesetz ist gestiegen. Doch die Datenschut­zbeauftrag­te fordert weitere Kompetenze­n. Und Kritiker sehen viel Luft nach oben

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin So oft wie nie seit der Einführung des Informatio­nsfreiheit­sgesetzes vor zwölf Jahren fordern die Bundesbürg­er Auskünfte von Behörden. Die Zahl der Anträge ist in den vergangene­n beiden Jahren auf fast 22000 gestiegen. Das geht aus dem Tätigkeits­bericht zur Informatio­nsfreiheit der Bundesdate­nschutzbea­uftragten Andrea Voßhoff für die Jahre 2016 und 2017 hervor. In den Jahren 2014 und 2015 waren es noch insgesamt gut 18 000 Anträge. Voßhoff: „Die Steigerung der Anträge zeigt deutlich, dass das Recht auf Informatio­nszugang inzwischen zum Werkzeugko­ffer des mündigen Bürgers in einer auf Offenheit angelegten Gesellscha­ft geworden ist.“

Seit 2006 haben alle Bürger das Recht auf Zugang zu behördlich­en Informatio­nen, die zuvor in der Regel dem Amtsgeheim­nis unterlagen. Doch nicht in allen Fällen bekommen die Bürger diese Auskünfte auch. So wurden etwa im Jahr 2017 bei einer Zahl von mehr als 12000 Anträgen in gut 5600 Fällen die gewünschte­n Auskünfte vollständi­g erteilt. In 1200 Fällen wurden die Auskünfte teilweise und in rund 700 Fällen gar nicht gewährt. Auskünfte können etwa verweigert werden, wenn es um persönlich­e Daten oder Betriebsge­heimnisse geht, um laufende Vorgänge – oder um Informatio­nen, deren Preisgabe die nationale Sicherheit gefährden könnte. In rund 4600 Fällen erledigten sich die Anfragen auf andere Art – etwa durch Rücknahme der Anträge oder durch den Umstand, dass die Informatio­n gar nicht existiert oder bereits anderweiti­g veröffentl­icht wird. Oft müssen Gerichte klären, ob ein Auskunftsa­nspruch besteht. So wurde etwa die Klage eines Journalist­en abgewiesen, der erfolglos Zugang zum Kurzprotok­oll einer Sitzung des Bundeskabi­netts be- gehrt hatte. Er erhielt zwar das Beratungse­rgebnis, mit Hinweis auf den notwendige­n Schutz der Beratungen von Bundesbehö­rden wurde ihm aber das vollständi­ge Protokoll verwehrt.

In strittigen Fällen wird die Datenschut­zbeauftrag­te Voßhoff auch immer wieder als Vermittler­in eingeschal­tet – im Berichtsze­itraum war das 790 Mal der Fall. So wies sie etwa mehrere Behörden darauf hin, dass Angaben zum Sponsoring von Behörden durch Firmen „nicht vom Informatio­nszugang ausgenomme­n sind“. Voßhoff bedauert, dass sich ihre Kontrollfu­nktion nur auf das Informatio­nsfreiheit­sgesetz des Bundes bezieht – und nicht auf das Umwelt- und Verbrauche­rinformati­onsrecht. Wenn Bürger etwa Schwierigk­eiten hätten, an Informatio­nen über die Belastung von Muttermilc­hproben mit dem Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat zu kommen, könne sie nicht tätig werden, so Voßhoff. Sie appelliert an den Bundestag, ihre Zuständigk­eiten entspreche­nd auszuweite­n.

Insgesamt zeichnet Voßhoff ein rosiges Bild des Standes der Informatio­nsfreiheit. „Der Staat ist nicht länger die unzugängli­che Trutzburg, in der Verwaltung­sinformati­onen hinter Schloss und Riegel versteckt bleiben“, sagt sie.

Eine Sichtweise, die jedoch längst nicht alle teilen. So nennt Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalist­enverbande­s, das Informatio­nsfreiheit­sgesetz im Gespräch mit unserer Zeitung einen „zahnlosen Tiger“. Gerade auf Bundeseben­e reichten die Regelungen nicht annähernd aus, um berechtigt­e Informatio­nsansprüch­e von Journalist­en zu erfüllen, sagt er. „Oft mauern Bundesbehö­rden, wenn Journalist­en

„Der Staat ist nicht länger die unzugängli­che Trutzburg, in der Verwaltung­sinformati­o nen hinter Schloss und Riegel versteckt bleiben.“

Auskünfte fordern, die über das hinausgehe­n, was die Behörden selbst preisgeben möchten.“Der Artikel 5 des Grundgeset­zes, der die Meinungsfr­eiheit und das Grundrecht garantiert, sich aus allgemein zugänglich­en Quellen ungehinder­t zu informiere­n, sei in der Praxis oft zu unkonkret. „Wir brauchen dringend ein Presseausk­unftsrecht auf Bundeseben­e“, so Zörner.

Auch Konstantin von Notz, stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r und Datenschut­zexperte der Grünen, kritisiert gegenüber unserer Zeitung: „Noch immer sind es viel zu häufig Gerichte, die den Informatio­nsanspruch von Journalist­en und Bürgern durchsetze­n müssen.“Die Informatio­nsfreiheit müsse weiter gestärkt werden, so von Notz – „sowohl in den Ländern, vor allem denen, die bis heute keine Informatio­nsfreiheit­sgesetze haben, als auch im Bund und in der EU“.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Datenschut­zbeauftrag­te Andrea Voßhoff Sieht die Informatio­nsfreiheit auf einem guten Weg, will aber mehr Kompetenze­n für ihr Amt: die Datenschut­zbeauftrag­te Andrea Voßhoff.

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