Drei Länder erhöhen den Druck auf Flüchtlinge
Deutschland, Österreich und Italien bilden eine „Kooperation der Tätigen“
Innsbruck Mit einem engen Schulterschluss wollen Deutschland, Italien und Österreich die Verschärfung des Asylrechts in der EU durchsetzen. Das haben die Innenminister Horst Seehofer, Matteo Salvini und Herbert Kickl bei ihrem Treffen in Innsbruck gestern klargemacht. Obwohl am Donnerstag keine konkreten Beschlüsse gefasst wurden, sprach Seehofer (CSU) im Anschluss von einem neuen „Gemeinschaftsgeist“.
Österreich hatte die 28 Minister der EU-Mitgliedstaaten nach Innsbruck eingeladen. Ziel war es, Einzelheiten der Migrationsbeschlüsse des letzten EU-Gipfels zu klären. Innenminister Kickl kündigte an, das Modell der „Ausschiffungsplattformen“in Drittstaaten nun umsetzen zu wollen. Er wolle „möglicherweise“einen Modellversuch in Nordafrika starten. Welches Land dafür infrage kommen soll, wollte Kickl nicht sagen. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos betonte hingegen, er habe bereits Niger und Ägypten besucht, um diese Lager, in denen Menschen sich sammeln, die in die EU fliehen wollen, vorzubereiten. Niger sei bereit, mit der EU über ein Zentrum für Flüchtlinge in Afrika zu verhandeln, sagte der Kommissar. Solche Zentren könnten allerdings nur in Abstimmung mit internationalen Organisationen eingerichtet werden. Avramopoulos bat jene EU-Mitglieder um Unterstützung, die besonders gute Beziehungen zu afrikanischen Staaten unterhalten, etwa die frühere Kolonialmacht Frankreich.
Laut Avramopoulos waren sich alle Innenminister zudem darüber einig, dass die Grenzschutzagentur Frontex mit einem erweiterten Mandat die EU-Außengrenzen stärker schützen und die Such- und Rettungsaktionen im Mittelmeer organisieren soll. Frontex soll auch für Abschiebungen herangezogen werden. Allerdings zeigte er eine grundsätzlich andere Sicht auf die Flüchtlingspolitik als etwa Seehofer. „Wir befinden uns nicht mehr in einer Migrationskrise“, sagte der Grieche und verwies auf die im Vergleich zu 2015 gesunkenen Zahlen.
Keine Einigung gab es bei der von Seehofer geforderten Reform des Dublin-Abkommens. Kickl räumte ein, dass es derzeit keine Fortschritte bei einem europäischen Asylver- fahren oder einem reformierten Dublin-Verfahren gebe.
Deutschland, Österreich und Italien nutzten das informelle Treffen, um sich als „Kooperation der Tätigen“, so Österreichs Innenminister Kickl, zu präsentieren. Vor den gemeinsamen Beratungen aller Minister führten die drei Gespräche im kleinen Kreis. Was die übrigen Mitgliedstaaten und der Vertreter der EU-Kommission von dieser Kooperation hielten, blieb nicht verborgen. Der Luxemburger Jean Asselborn sagte an die Adresse Österreichs: „Wenn man die Präsidentschaft hat, muss man wissen, dass man sich nicht ergötzen kann in nationalen Vorstößen, sondern alles tun muss, damit Europa zusammenbleibt.“Österreich hat 2018 die EURatspräsidentschaft inne. Asselborn mahnte: „Keine Präsidentschaft hat das Recht, die Genfer Konvention außer Kraft zu setzen.“
FPÖ-Politiker Kickl hatte gefordert, dass langfristig keine Asylan- träge mehr auf EU-Gebiet, sondern nur in Drittstaaten gestellt werden dürften. Außerdem verlangt er, dass Staaten, die die Rückübernahme ihrer Bürger verweigern, bestraft werden sollen.
Trotz seines optimistischen Auftretens ist es Seehofer gestern nicht gelungen, eine gemeinsame Lösung mit Italiens Innenminister Matteo Salvini zu finden. Deutschland will Flüchtlinge nach Italien zurückschicken. Er kündigte weitere Treffen an. Auf der Ebene von Ministerialbeamten sollten am 19. Juli in Wien die offenen Fragen und möglichen Lösungen erörtert werden.
Offenbar haben Kickl und Seehofer erkannt, dass sie für die von ihnen angestrebte Verschärfung der Flüchtlingspolitik mehr Zeit als die kommenden sechs Monate brauchen. Deshalb rief Kickl einen sogenannten „Wiener Prozess“aus, der garantieren soll, dass das Thema bis zur deutschen Ratspräsidentschaft 2020 auf der Tagesordnung bleibt.