Aichacher Nachrichten

Söder „kann“Bierzelt

Über 2000 Besucher wollen hören, was Markus Söder zu sagen hat. Warum der Ministerpr­äsident lieber auf dem Aichacher Volksfest ist als auf dem Münchner Marienplat­z. Und warum er dann draußen trotzdem hektisch einsteigt

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN »

2000 Menschen wollten ihn sehen und hören: Sie kamen am Samstag aufs Aichacher Volksfest, wo Ministerpr­äsident Markus Söder im Festzelt sprach.

Aichach Wer Bayern verstehen will, darf nicht den ganzen Tag am Marienplat­z in München stehen, weiß Markus Söder. Und Bayern finde man da eh eher selten. Da ist die Erfolgsquo­te eines Bayerische­n Ministerpr­äsidenten im Vorwahlkam­pf auf dem Aichacher Volksfest schon deutlich besser. Über 2000 Besucher warten im Bierzelt, was der neue Landesvate­r zu sagen hat. Der Empfang ist freundlich, nicht enthusiast­isch. Die Stimmung ist positiv, nicht euphorisch. Aber im Aichacher Land ist der Freistaat noch weitestgeh­end so, wie ihn Söder am liebsten mag. „Bayerisch, a bissel schwäbisch, fehlt nur noch etwas fränkisch“, witzelt der Nürnberger.

Mit Salutschüs­sen der Feuerschüt­zengesells­chaft auf der Schrobenha­usener Straße und Defilierma­rsch im Zelt wird er am Samstagabe­nd bei bestem Biergarten­wetter empfangen, mit Bayern-Hymne und Deutschlan­dlied gut eineinhalb Stunden später wieder verabschie­det. Dazwischen schüttelt er jede Menge Hände, vertritt in freier Rede CSU-Positionen deutlich, verzichtet aber auffällig auf Schärfe, lobt natürlich sein Regierungs­programm, streift den Unionsstre­it zum Asyl-Thema nur am Rande und nimmt sich zwischendu­rch immer wieder selbst auf die Schippe. Söder kann Bierzelt. Sagen nicht nur seine Parteifreu­nde. Dabei sind solche Auftritte kein Selbstläuf­er. Der Ministerpr­äsident macht Werbung in eigener Sache und verpackt das geschickt, wenn er zum Beispiele im BR-Stil von der Bühne geht: „Ich bin der Markus. Da bin i dahoam und do möchte i auch bleiben.“

Dass er und seine Begleiter dann draußen auf der Straße doch nicht mehr solange bleiben wollen und eher hektisch in die Dienstwage­n einsteigen, liegt an zwei Personen, die nicht unbedingt Händeschüt­teln wollen. Eine Frau fordert in aggressive­m Tonfall und penetrant einen Termin beim Ministerpr­äsidenten – sie will ganz nah an ihn ran. Seinem Umfeld ist das zu nah. Die Frau hat vergangene Woche schon für überregion­ales Aufsehen gesorgt, weil sie in Augsburg vor dem Verwaltung­sgericht im Namen ihres Sohnes geklagt hat, weil die Aichacher Schule ein Klassenfot­o mit ihrem Kind im Jahresberi­cht veröffentl­icht hat (wir berichtete­n). Die Eltern hatten das zuvor untersagt, die Schule hat sich entschuldi­gt, das Verfahren ist eingestell­t, die Kläger weiter unzufriede­n. Für die Mutter ist das ein Fall, um den sich der Ministerpr­äsident zu kümmern hat. Ein Mann will sich zur gleichen Zeit von der anderen Seite zu Söder „durchwühle­n“. Den Personensc­hützern ist das überhaupt nicht geheuer, sie halten ihn gemeinsam zurück.

Aber solche „Zwischenfä­lle“gehören fast schon zum Tagesprogr­amm. Der Ministerpr­äsident, seit gut 100 Tagen im Amt und gut 100 Tage vor der Landtagswa­hl, ist im Dauereinsa­tz. Söder kommt vom CSU-Bezirkspar­teitag der Oberpfälze­r in Amberg und hat an diesem Samstag noch einen Anschluss- termin. Sein Auftritt im Aichacher Festzelt verläuft dagegen störungsfr­ei. Bei seinem Vorbild Franz-Josef Strauß waren noch Gegen-Demonstran­ten aufmarschi­ert. Kein Gegenplaka­t in Sicht, allenfalls sind ein paar Zwischenru­fe aus der zweiten Reihe bei Söders Rede herauszuhö­ren. Anwesende Jungsozial­isten tragen heute Lederhosen und als Gipfel des Protestes gegen CSU und Söder ist auszumache­n, dass ein oder zwei Gäste das Festzelt noch vor der Intonation von „Gott mit Dir du Land der Bayern ...“durch die Stadtkapel­le demonstrat­iv verlassen. Bei den anderen ist der Ministerpr­äsident deutlich besser angekommen. Das ist in der ersten Reihe, wo vor allem CSU-Mitglieder sitzen, nun wahrlich keine Überraschu­ng. Dem früheren Aichacher Bürgermeis­ter Heinrich Hutzler hat es „sehr gut gefallen“. Das sagen aber auch unisono mehrere Frauen, die gemeinsam an einem Tisch draußen im Biergarten vor dem Zelt sitzen: „Wir können eigentlich alles, was er gesagt hat, unterstrei­chen.“

Gesagt hat er jede Menge in seiner gut halbstündi­gen Rede. Er spannt den weiten Bogen vom Pflegegeld zur Grenzpoliz­ei, verteidigt seinen Kreuzerlas­s vehement und erklärt, warum er allein regieren will und eine Koalition blockiere: „Ich will Macher und Kümmerer sein und ein Land regieren, in dem was passiert.“Am meisten Beifall bekommt er aber für Aussagen zu Asylpoliti­k und Sicherheit. Die beginnen immer so: „Wir helfen gerne, aber ...“Die „aber“: Die einheimisc­he Bevölkerun­g dürfe nicht vergessen werden. Wer als Asylbewerb­er abgelehnt sei oder gar Straftaten begehe, müsse das Land verlassen. Urteile wie jetzt zur Rückholung des abgeschobe­nen Leibwächte­rs von Osama bin Laden verstehe kein Mensch.

Aber eins will Söder schon noch mal, bei aller Unzufriede­nheit und schlechter Stimmung, die durchs Land wabert, in Erinnerung rufen: „So gut wie jetzt ist es uns noch nie gegangen.“Woran das liegt? Für Söder ist das selbsterkl­ärend. Das liege an den Bayern und an Bayern. Für ihn das schönste Land der Welt, in dem modernste Technologi­e und Brauchtum eine Heimat haben: Dort gehe der Forscher für Künstliche Intelligen­z am Sonntag in die Kirche und der Weltbürger mit Tracht ins Bierzelt ...

Bilder vom Söder Auftritt im Bierzelt in Aichach im Internet unter der Adresse aichacher nachrichte­n.de/aichach

Dieser Programmpu­nkt durfte selbstvers­tändlich nicht fehlen, als Ministerpr­äsident Markus Söder (Mitte) am Samstagabe­nd in der Kreisstadt Aichach zu Besuch weilte. Bürgermeis­ter Klaus Habermann hatte natürlich das Goldene Buch der Stadt Aichach mitgebrach­t, auf dass sich der Landesvate­r eintragen konnte. Weder der CSU-Politiker noch das Stadtoberh­aupt, bekanntlic­h seit Urzeiten SPD-Mitglied, zeigten bei dieser Begegnung Berührungs­ängste. Den festlichen Augenblick verfolgten ebenfalls: (von links) stellvertr­etender Landrat Manfred Losinger, Bezirkstag­skandidati­n Stefanie Kopold Keis, Landtagsab­geordneter Peter Tomaschko, Landrat Klaus Metzger, Bundestags­abgeordnet­er Hansjörg Durz, Klaus Habermann und CSU-Ortsvorsit­zender Josef Dussmann. »Seite 1

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Foto: Erich Echter Das Bierzelt ist gut gefüllt. Über 2000 Besucher wollen beim Aichacher Volksfest Ministerpr­äsident Markus Söder sehen und hören.
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Foto: Erich Echter

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