Söder „kann“Bierzelt
Über 2000 Besucher wollen hören, was Markus Söder zu sagen hat. Warum der Ministerpräsident lieber auf dem Aichacher Volksfest ist als auf dem Münchner Marienplatz. Und warum er dann draußen trotzdem hektisch einsteigt
2000 Menschen wollten ihn sehen und hören: Sie kamen am Samstag aufs Aichacher Volksfest, wo Ministerpräsident Markus Söder im Festzelt sprach.
Aichach Wer Bayern verstehen will, darf nicht den ganzen Tag am Marienplatz in München stehen, weiß Markus Söder. Und Bayern finde man da eh eher selten. Da ist die Erfolgsquote eines Bayerischen Ministerpräsidenten im Vorwahlkampf auf dem Aichacher Volksfest schon deutlich besser. Über 2000 Besucher warten im Bierzelt, was der neue Landesvater zu sagen hat. Der Empfang ist freundlich, nicht enthusiastisch. Die Stimmung ist positiv, nicht euphorisch. Aber im Aichacher Land ist der Freistaat noch weitestgehend so, wie ihn Söder am liebsten mag. „Bayerisch, a bissel schwäbisch, fehlt nur noch etwas fränkisch“, witzelt der Nürnberger.
Mit Salutschüssen der Feuerschützengesellschaft auf der Schrobenhausener Straße und Defiliermarsch im Zelt wird er am Samstagabend bei bestem Biergartenwetter empfangen, mit Bayern-Hymne und Deutschlandlied gut eineinhalb Stunden später wieder verabschiedet. Dazwischen schüttelt er jede Menge Hände, vertritt in freier Rede CSU-Positionen deutlich, verzichtet aber auffällig auf Schärfe, lobt natürlich sein Regierungsprogramm, streift den Unionsstreit zum Asyl-Thema nur am Rande und nimmt sich zwischendurch immer wieder selbst auf die Schippe. Söder kann Bierzelt. Sagen nicht nur seine Parteifreunde. Dabei sind solche Auftritte kein Selbstläufer. Der Ministerpräsident macht Werbung in eigener Sache und verpackt das geschickt, wenn er zum Beispiele im BR-Stil von der Bühne geht: „Ich bin der Markus. Da bin i dahoam und do möchte i auch bleiben.“
Dass er und seine Begleiter dann draußen auf der Straße doch nicht mehr solange bleiben wollen und eher hektisch in die Dienstwagen einsteigen, liegt an zwei Personen, die nicht unbedingt Händeschütteln wollen. Eine Frau fordert in aggressivem Tonfall und penetrant einen Termin beim Ministerpräsidenten – sie will ganz nah an ihn ran. Seinem Umfeld ist das zu nah. Die Frau hat vergangene Woche schon für überregionales Aufsehen gesorgt, weil sie in Augsburg vor dem Verwaltungsgericht im Namen ihres Sohnes geklagt hat, weil die Aichacher Schule ein Klassenfoto mit ihrem Kind im Jahresbericht veröffentlicht hat (wir berichteten). Die Eltern hatten das zuvor untersagt, die Schule hat sich entschuldigt, das Verfahren ist eingestellt, die Kläger weiter unzufrieden. Für die Mutter ist das ein Fall, um den sich der Ministerpräsident zu kümmern hat. Ein Mann will sich zur gleichen Zeit von der anderen Seite zu Söder „durchwühlen“. Den Personenschützern ist das überhaupt nicht geheuer, sie halten ihn gemeinsam zurück.
Aber solche „Zwischenfälle“gehören fast schon zum Tagesprogramm. Der Ministerpräsident, seit gut 100 Tagen im Amt und gut 100 Tage vor der Landtagswahl, ist im Dauereinsatz. Söder kommt vom CSU-Bezirksparteitag der Oberpfälzer in Amberg und hat an diesem Samstag noch einen Anschluss- termin. Sein Auftritt im Aichacher Festzelt verläuft dagegen störungsfrei. Bei seinem Vorbild Franz-Josef Strauß waren noch Gegen-Demonstranten aufmarschiert. Kein Gegenplakat in Sicht, allenfalls sind ein paar Zwischenrufe aus der zweiten Reihe bei Söders Rede herauszuhören. Anwesende Jungsozialisten tragen heute Lederhosen und als Gipfel des Protestes gegen CSU und Söder ist auszumachen, dass ein oder zwei Gäste das Festzelt noch vor der Intonation von „Gott mit Dir du Land der Bayern ...“durch die Stadtkapelle demonstrativ verlassen. Bei den anderen ist der Ministerpräsident deutlich besser angekommen. Das ist in der ersten Reihe, wo vor allem CSU-Mitglieder sitzen, nun wahrlich keine Überraschung. Dem früheren Aichacher Bürgermeister Heinrich Hutzler hat es „sehr gut gefallen“. Das sagen aber auch unisono mehrere Frauen, die gemeinsam an einem Tisch draußen im Biergarten vor dem Zelt sitzen: „Wir können eigentlich alles, was er gesagt hat, unterstreichen.“
Gesagt hat er jede Menge in seiner gut halbstündigen Rede. Er spannt den weiten Bogen vom Pflegegeld zur Grenzpolizei, verteidigt seinen Kreuzerlass vehement und erklärt, warum er allein regieren will und eine Koalition blockiere: „Ich will Macher und Kümmerer sein und ein Land regieren, in dem was passiert.“Am meisten Beifall bekommt er aber für Aussagen zu Asylpolitik und Sicherheit. Die beginnen immer so: „Wir helfen gerne, aber ...“Die „aber“: Die einheimische Bevölkerung dürfe nicht vergessen werden. Wer als Asylbewerber abgelehnt sei oder gar Straftaten begehe, müsse das Land verlassen. Urteile wie jetzt zur Rückholung des abgeschobenen Leibwächters von Osama bin Laden verstehe kein Mensch.
Aber eins will Söder schon noch mal, bei aller Unzufriedenheit und schlechter Stimmung, die durchs Land wabert, in Erinnerung rufen: „So gut wie jetzt ist es uns noch nie gegangen.“Woran das liegt? Für Söder ist das selbsterklärend. Das liege an den Bayern und an Bayern. Für ihn das schönste Land der Welt, in dem modernste Technologie und Brauchtum eine Heimat haben: Dort gehe der Forscher für Künstliche Intelligenz am Sonntag in die Kirche und der Weltbürger mit Tracht ins Bierzelt ...
Bilder vom Söder Auftritt im Bierzelt in Aichach im Internet unter der Adresse aichacher nachrichten.de/aichach
Dieser Programmpunkt durfte selbstverständlich nicht fehlen, als Ministerpräsident Markus Söder (Mitte) am Samstagabend in der Kreisstadt Aichach zu Besuch weilte. Bürgermeister Klaus Habermann hatte natürlich das Goldene Buch der Stadt Aichach mitgebracht, auf dass sich der Landesvater eintragen konnte. Weder der CSU-Politiker noch das Stadtoberhaupt, bekanntlich seit Urzeiten SPD-Mitglied, zeigten bei dieser Begegnung Berührungsängste. Den festlichen Augenblick verfolgten ebenfalls: (von links) stellvertretender Landrat Manfred Losinger, Bezirkstagskandidatin Stefanie Kopold Keis, Landtagsabgeordneter Peter Tomaschko, Landrat Klaus Metzger, Bundestagsabgeordneter Hansjörg Durz, Klaus Habermann und CSU-Ortsvorsitzender Josef Dussmann. »Seite 1