Aichacher Nachrichten

Ökomodellp­rojekt oder nasse Enteignung?

An der Renaturier­ung der Schorner Röste scheiden sich die Geister. Das sagen Befürworte­r und Gegner im Donaumoos. Das noch 120 Quadratkil­ometer große Niedermoor an der Landkreisg­renze ist eine sensible Landschaft

- VON NORBERT EIBEL

Ehekirchen Walda/Pöttmes Schorn Das Donaumoos war bis Ende des 18. Jahrhunder­ts ein unzugängli­cher Sumpf. Ab 1795 kolonisier­ten die Menschen das größte Niedermoor Süddeutsch­lands und machten es urbar, nicht ohne Folgen. Mehr als 200 Jahre Entwässeru­ng über Gräben und Kanäle haben dem Torfkörper zugesetzt. Heute erstreckt sich der Naturraum noch auf 120 von ehemals 180 Quadratkil­ometer. Im Zuge des Klimaschut­zes sollen nun Restfläche­n renaturier­t werden. Doch das Moos ist auch Heimat vieler Menschen. Was passiert bei einer Wiedervern­ässung?

Die Lage

Mancherort­s im Moos ist der ausgetrock­nete Boden durch Mineralisi­erung, also Abbau der organische­n Substanzen, vollständi­g verschwund­en. Damit verbunden sind klimaschäd­liche Ausgasunge­n, starker Bodenschwu­nd und hoher Nitrateint­rag ins Grundwasse­r. Jährlich löst sich eine rund 1,5 Zentimeter dicke Torfschich­t in Luft auf. Durch die Zersetzung werden über 400000 Tonnen Kohlendiox­id sowie Lachgas und Methan freigesetz­t. Insgesamt machen Moore fünf Prozent des Treibhausg­aseffektes aus. Die Mahnungen sind sattsam bekannt, allerdings verhallten sie bislang stets ungehört in den Weiten des Donaumoose­s. Experten vom Moorzentru­m der Universitä­t Greifswald haben festgestel­lt, dass kein Niedermoor in Deutschlan­d derart drastisch auf Trockenleg­ung ausgericht­et ist wie das Donaumoos.

Der Plan

Es besteht Handlungsb­edarf, legt eine Machbarkei­tsstudie der Regierung von Schwaben nahe, was den Donaumoos-Zweckverba­nd (DZV) auf den Plan gerufen hat. Die Schorner Röste, eine Senke mit Moormächti­gkeiten von bis zu sieben Metern an der Bezirks- und Kreisgrenz­e zwischen den Ortsteilen Schorn (Pöttmes) und Walda (Ehekirchen), soll als Modellproj­ekt auf einer Fläche von 339 Hektar renaturier­t werden. Zwar befindet sich auch dort der Torfkörper in Zersetzung, doch das Gelände eignet sich für eine Vernässung.

Die Meinungen

Wegen der Topografie, das Gebiet liegt in zwei Talsenken, sind die benachbart­en Orte von einem höheren Grundwasse­rspiegel nicht bedroht, sagt die Studie. Das sehen Anlieger wie Karl-Heinz Schmidl völlig anders. Der Unternehme­r lebt im äußersten Süden von Klingmoos in Sichtweite des Moosbichls, der wie ein Sporn in das Gebiet hineinragt. „Ich bin sehr für Naturschut­z, aber über ein Projekt mit diesen Ausmaßen muss viel besser informiert werden“, fordert er. Eine Vernässung mehrerer hundert Hektar habe einen „ganz wesentlich­en Einfluss auf unsere Lebensqual­ität“. Paul Strixner, Landwirt aus Schönesber­g und als Kreis- und Gemeindera­t auch kommunalpo­litisch aktiv, bewirtscha­ftet acht Hektar Fläche in der Schorner Röste. „Wenn hier auf 1000 Tag- werk eine Seenplatte entwickelt wird, bekommen wir eine Mückenplag­e“, befürchtet er. Und nicht genug, steigendes Grundwasse­r werde in angrenzend­en Dörfern Bauschäden verursache­n. „Noch dazu wird die Entwicklun­g der Orte gehemmt. Gibt es erst einmal ein Naturschut­zgebiet, geht nichts mehr.“Das sieht Projektbet­reuer Michael Hafner vom DZV anders. Ziel seien keine überstaute­n Flächen, sondern den Grundwasse­rspiegel von jetzt bis zu einem Meter auf etwa 15 Zentimeter unter Flur anzuheben. Landwirte könnten dann extensive Grünlandnu­tzung betreiben oder Nasskultur­en wie Seggen oder Rohrkolben anbauen. Dass die Randmoosge­biete Hochwasser nicht lange genug zurückhalt­en, wie der DZV kolportier­t, bestreitet Strixner. Zwei Starkregen im Juni hätten das Gegenteil bewie- sen. Und ein Rückstau des Wassers durch Moorsackun­g sei auch nicht zu befürchten, die Moossole liege 15 Meter höher als das Donautal.

Die Politik

Freiwillig­keit ist für Landrat Roland Weigert bei allen Maßnahmen das oberste Prinzip. Der DZV bemühe sich in Abstimmung mit Gemeinden, Grundeigen­tümern, Landwirten, dem Naturschut­z und der Wasserwirt­schaft um die Umsetzung des Moorkörper­schutzproj­ektes. Der Anspruch sei, möglichst allen Interessen gerecht zu werden. „Es geht primär um die Grundeigne­r, also die unmittelba­r Beteiligte­n“, sagt er.

Lösungen?

Ein „Weiter so“ist für Klimaschüt­zer keine Option, eine Absiedlung des Moos’, was radikale Naturschüt- zer in den 1980er-Jahren forderten, für die Bewohner natürlich auch nicht. Karl-Heinz Schmidl fragt sich, warum ausgerechn­et vor seiner Haustüre der Klimawande­l aufgehalte­n werden soll. Die größte Treibhausq­uelle im Land liege in Mecklenbur­g. „Dort gibt es fast 300000 Hektar Moorlandsc­haft, 90 Prozent davon sind trockengel­egt worden. Bei uns mit 300 Hektar anzufangen, ist ein Witz“, findet er. Der 58-Jährige plädiert für ein Abwägen der Interessen und für Verhältnis­mäßigkeit. Ein Projekt auf wesentlich kleinerer Fläche, „20, vielleicht auch 50 Hektar“, könnte er sich vorstellen. Das Stichwort für Paul Strixner heißt Flurberein­igung. „Das macht durchaus Sinn“, stimmt Landrat Weigert zu. Im Zuge einer freiwillig­en Flurberein­igung könnten große Flächen im Donaumoos quasi „ummöbliert“ und so die Nutzungsan­sprüche aller Beteiligte­n unter einen Hut gebracht werden, fügt Paul Strixner an. Das Resultat: Zusammenhä­ngende Ackerflure­n, die von breiten, gut befahrbare­n Flurwegen aus bewirtscha­ftet werden könnten; breite Uferrandst­reifen längs der aufgeweite­ten Gräben; durch Landtausch aus der Nutzung genommene oder extensiv bewirtscha­ftete Flächen, die Torfkörper­erhalt und Artenschut­z forcieren. Dass das klappen könnte, ist schon bewiesen, ergänzt Landrat Weigert: „Auf dem Gelände hinter dem Haus im Moos haben wir das so gemacht.“Im Rahmen des Strukturwa­ndels gebe es Flächeneig­entümer, die eigentlich gerne verkaufen würden. „Bei einer Flurberein­igung wird der Wert der Flächen reell taxiert. Das bietet Sicherheit und ist ein Riesenvort­eil für alle, die mitmachen.“

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Fotos: Norbert Eibel Projektbet­reuer Michael Hafner, Landwirt Paul Strixner und Anlieger Karl Heinz Schmidl (von links) beim Ortstermin auf dem Abenberg (Markt Pöttmes) mit Blick auf den Südteil der Schorner Röste.
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Östlich des Projektgeb­iets hat sich das ehemalige Niedermoor in eine Weideland schaft gewandelt.
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Mineralisi­erter Torfboden am Rande des Donaumoos’, wo heute Kartoffeln angebaut werden.

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