Der Tänzer wusste, wo und was er tanzt
Zu „Aufregung über ,Homo Peinlichkei ten‘ in der Kirche“vom 19. Juli:
Ja, ich habe die Vesper gerne mitgefeiert. Ich betone das „mitgefeiert“, weil es von Form und Inhalt eben die gottesdienstliche Form der Vesper war mit allem, was dazu gehört. Sogar mit einer Auslegung des Wortes der biblischen Lesungstexte. Auch wenn ich die Vesper nicht ohne Fragen verlassen habe, so möchte ich die Art und Weise, wie die Texte ausgelegt wurden, in keiner Weise missen!
Es war stets zu erkennen, dass der Tänzer darum weiß, wo er tanzt und was er tanzt: In einem Sakralraum schlüpft er in die Rolle des Propheten Jeremia. Dass dies auf kath.net mit dem Schlagwort „Homo-Peinlichkeiten“ charakterisiert wird, offenbart eher das Kopfkino eines anonymen Autoren. Es ist klar: Diese Form von Verkündigung provoziert. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Botschaft der Propheten provokant war für ihre Zeit und ihre Verkündigung offenbar von Zeichen-Handlungen begleitet war, wie etwa die, dass Jeremia sich ein Joch auf den Rücken band, um auf die bevorstehende Unterjochung des Volkes Israel hinzuweisen (vgl. Jer 27).
Ich kann mir vorstellen, dass es für den einen oder anderen ein Zuviel an nackter Haut war. Aber das ist keine Frage von sexueller Orientierung, sondern eher eine Frage, die im Verhältnis von Kunst und Kirche zu diskutieren ist. Auf einer Ebene, der – Gott sei Dank! – in der Moritzkirche sehr hohe Wertschätzung zukommt. Auf dieser Ebene kann von der Vesper ein Nachdenk-Prozess ausgehen, der zur Frage führen kann, wie sehr man selbst noch berührbar ist für Gott und die Menschen. Dr. Bernhard Klinger, Augsburg