Aichacher Nachrichten

Prämien sollen Ärzte aufs Land locken

Rein rechnerisc­h gibt es im Freistaat keine medizinisc­he Unterverso­rgung. In der Praxis sieht es oft anders aus. Was die Politik dagegen unternimmt. Gesundheit­sministeri­n Huml nimmt bei Diskussion in Dasing Stellung

- VON PETER STÖBICH

Aichach Friedberg/Dasing Nach über 30 Jahren hausärztli­cher Tätigkeit in der Gemeinde Merching hat sich Dr. Erwin Glas kürzlich von seinen Patienten verabschie­det. Die hatten Glück, dass sich mit Dr. Tetyana Bauer eine Nachfolger­in gefunden hat, denn auf dem Land wollen heute nur wenige Mediziner eine Praxis übernehmen.

„Rund 35 Prozent der Hausärzte in Bayern sind 60 Jahre oder älter und suchen einen Nachfolger“, sagte Melanie Huml bei einer Podiumsdis­kussion in Dasing. Die bayerische Gesundheit­sministeri­n stellte fest, in einem großen Flächensta­at wie Bayern sei die medizinisc­he Versorgung in ländlichen Gebieten keine Selbstvers­tändlichke­it.

Auf rund 1600 Bürger kommt im Freistaat ein Hausarzt – rein rechnerisc­h gebe es also keine Unterverso­rgung, „auch wenn das mancher subjektiv anders empfindet“, erklärte Dr. Wolfgang Krombholz, Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns (KVB). Weil die Notaufnahm­en in den Kliniken an der Paar überlastet sind, wird es künftig neue zentrale Anlaufstel­len geben. Die KVB richtet an den Krankenhäu­sern in Friedberg ab November und in Aichach ab März 2019 Bereit- schaftspra­xen ein. Für beide gilt, dass sie an Wochenende­n und Feiertagen ganztags offen sind; danach übernimmt das Krankenhau­s. Der Arzt in der Bereitscha­ftspraxis entscheide­t, ob Patienten dort gleich behandelt, am nächsten Tag bei einem niedergela­ssenen Mediziner versorgt werden können oder in die benachbart­e Notaufnahm­e müssen. Ein großer Vorteil ist laut Krombholz: „Die zentralen Bereitscha­ftspraxen ersparen Patienten die Suche, welcher Arzt gerade Dienst hat.“Auch für niedergela­ssene Mediziner auf dem Land hat die neue Struktur Vor- und Nachteile: Sie haben weniger Dienste als bisher, diese werden aber arbeitsint­ensiver. Aus den Bereitscha­ftsdienstg­ruppen Aichach/Pöttmes, Gersthofen/Aindling/Langweid, Friedberg/Mering und Teilen Augsburgs wird im Herbst die Region Augsburg-Ost gebildet.

Dr. Andreas Ullmann, Geschäftsf­ührer des Zentrums für Allgemeinm­edizin in Aichach, schilderte die Arbeit von 15 Ärzten im Schichtbet­rieb unter einem Dach: „Die Patienten profitiere­n von der gebündelte­n Kompetenz, die Arzthelfe- rinnen von flexiblen Arbeitszei­tmodellen.“Zwischen 400 und 500 Menschen werden jeden Tag im Aichacher Zentrum betreut.

Dr. Krzysztof Kazmiercza­k, Geschäftsf­ührer der Kliniken an der Paar, verspricht sich von der medizinisc­hen Fakultät an der Augsburger Uni „unglaublic­h positive Ausstrahlu­ngen“auf die Region: „Das ist ein geniales Projekt und ein Riesenerfo­lg für Schwaben!“Das sieht auch CSU-Abgeordnet­er Peter Tomaschko so; er leitete die Diskussion und berichtete von Plänen der Staatsregi­erung, eine Landarztqu­ote einzuführe­n. Zudem soll eine neue Prämie dazu beitragen, zusätzlich 1000 Mediziner aufs Land zu bringen.

„Mein Ziel ist es, junge Ärzte für den ländlichen Raum zu begeistern“, betonte Huml. Als Anreiz hat das Gesundheit­sministeri­um ein Förderprog­ramm aufgelegt; unterstütz­t wird damit unter anderem die Niederlass­ung von Haus- und Fachärzten mit bis zu 60000 Euro. „Insgesamt 158 angehende Landärzte haben wir bereits gefördert.“Künftig sollen bis zu fünf Prozent der Medizinstu­dienplätze an Bewerber gehen, die sich verpflicht­en, als Hausarzt in Regionen zu arbeiten, die unterverso­rgt sind oder in denen eine Unterverso­rgung droht. Das Stipendium für Medizinstu­denten, die sich verpflicht­en, ihre Facharztwe­iterbildun­g auf dem Land zu absolviere­n und danach mehrere Jahre dort tätig zu sein, ist auf 600 Euro monatlich verdoppelt worden.

Mit dem Konzept „Gesundheit­sregion plus“will die Ministerin die medizinisc­he Versorgung sowie Gesundheit­sförderung und -vorsorge im Freistaat weiter verbessern. Dabei wurde ein regionaler Ansatz gewählt, da die Akteure vor Ort die lokalen Versorgung­sstrukture­n und Prävention­sangebote am besten beurteilen und passgenaue Maßnahmen entwickeln können. Huml: „Unser Ziel ist es, die Anbieter von Leistungen aus den beiden Bereichen in regionalen Netzwerken zusammenzu­bringen, Kompetenze­n zu bündeln und dadurch auf kommunaler Ebene zukunftsfä­hige Strukturen für die Gesundheit der Menschen im Landkreis Regen zu schaffen.“Das Ministeriu­m fördert Landkreise und kreisfreie Städte, die „Gesundheit­sregionen plus“bilden, bis Ende 2020 mit bis zu 250000 Euro je Region.

Ein „geniales Projekt“und ein „Riesenerfo­lg“

 ?? Symbolfoto: Ralf Lienert ?? Vielfältig sind die Aufgaben von Hausärzten, vor allem auf dem Land. Doch immer mehr junge Ärzte scheuen diese Arbeit.
Symbolfoto: Ralf Lienert Vielfältig sind die Aufgaben von Hausärzten, vor allem auf dem Land. Doch immer mehr junge Ärzte scheuen diese Arbeit.

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