Aichacher Nachrichten

An der Schlosserm­auer 10 wird es stiller

Nach 15 Jahren stellen Waltraud und Gottfried Schröder ihre beliebte Konzertrei­he ein

- VON STEPHANIE KNAUER

Einfache Holzstühle und Tische auf grobem Backsteinb­oden, in der Ecke ein Podest mit einem schwarzen Flügel darauf – den Raum mit der Adresse Schlosserm­auer 10, die Weinbar und Galerie Schröder, kennen viele Musikliebh­aber von Konzerten, die Gottfried und Waltraud Schröder veranstalt­eten. Nach 15 Jahren gehört dies der Vergangenh­eit an.

Kurz vor dem Mauerfall zogen die Schröders ein: Im Oktober 1989 hatte Architekt Gottfried Schröder zusammen mit seinem Sohn die alte Brauerei an der Schlosserm­auer 10 bezugsfert­ig renoviert. Über ein Jahr war nötig, um das verfallene Gebäude herzuricht­en. Von externer Hand stammten lediglich die Sanitäranl­agen, Heizung und die Hauselektr­ik. Bis dahin hatten Waltraud und Gottfried Schröder und ihre zwei Kinder 17 Jahre lang in der Firnhabera­u gewohnt, davor am Chiemsee: Der studierte Architekt arbeitete zunächst in einem Büro auf der Fraueninse­l, bis er sich in Augsburg selbststän­dig machte.

Mutig war das, denn zu der Zeit gab es eine Baukrise, erinnert sich das Ehepaar. Mutig war auch der Kauf der über 500 Jahre alten „Ruine“. Doch die beiden zog es in die Innenstadt, an der Hauptstraß­e in der Firnhabera­u war es ihnen zu laut geworden. Ihr Wagnis wurde belohnt. Das Haus ist heute ein Schmuckstü­ck und die Lage immer noch idyllisch ruhig.

Im November 1990 begründete­n die Schröders im gleichen Haus ihre Galerie. Ein kleiner Flügel stand damals schon darin, schließlic­h hatte der Hausherr früher Klavier gespielt und das nicht schlecht: Bis zur Sonate „Pathétique“von Beethoven schaffte es Gottfried Schröder, bevor es ihn mit Anfang Zwanzig nach Berlin zog. Sein einjährige­r Aufenthalt in der Hauptstadt 1961 fiel mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August zusammen. An die Szenen erinnert er sich gut. Nach zwei Wochen fielen die oberen Sandschich­ten der Mauer wieder zusammen. Sie wurden später mit Beton wieder errichtet, erzählt er.

1998 eröffnete Gottfried Schröder an der Schlosserm­auer 10 im Erdgeschoß seine Gaststätte mit Galerie. Dank der bald stadtbekan­nten „Weinbar Schröder“lebte die jahrhunder­telange Tradition des Hauses wieder auf: Als Nebengebäu­de der Wirtschaft „Zum Osterlamm“war hier beinahe drei Jahrhunder­t lang die hauseigene Brauerei untergebra­cht. Nicht lange danach erhielten die Schröders die erste Anfrage: ob er eine Lesung in der Weinbar veranstalt­en dürfe, so der Augsburger Autor Sepp Strubel. Damit zog 2001 die auditive Kunst in das kleine Lokale in der Altstadt ein. Bald darauf fand auch das erste Konzert statt, weitere folgten. „Es hatte sich herumgespr­ochen“, so Waltraud Schröder: Viele Augsburger Künstler wohnten in direkter Nähe und so zog eines das andere nach sich, die Location wurde Empfehlung, dann „Selbstläuf­er“. Bald fanden regelmäßig Konzerte statt, bis zu zwei im Monat. 2003 wurde dann eine ganze Veranstalt­ungsreihe daraus, mit zwei Flyern jährlich, mit Newsletter und einem Internet-Auftritt. „Insgesamt kommen wir auf etwa 350 Konzerte und 120 Musiker“, schätzt Gottfried Schröder. „Kein Einziges war eine Enttäuschu­ng.“

Künstlerbe­treuung, PR, Organisati­on – alles übernahmen die Eheleute Schröder selbst, und das gerne. „Kunst und Genuss passen gut zusammen“, sagt Waltraud Schröder und lächelt. Bei der Erinnerung kommen sie und ihr Mann ins Schwärmen. „Mein liebstes JazzWohnzi­mmer“, nannte Stephan Holstein die Weinbar. Jedes Konzert war gut besucht. Anfangs wurde noch während der Musik geredet, aber das gab sich schnell. Ein Stammpubli­kum bildete sich, eines, das gerne kommt und zuhört. Das Repertoire war breit gefächert. Jazz, Klassik, Gypsy, Tango, Chanson und vieles mehr. Es gastierten vor allem Augsburger Künstler. Aber sogar aus Köln kamen Anfragen. Mit höchstens 30 Gästen war die Atmosphäre in der Weinbar Schröder intim und intensiv, die kleine Bühne mit dem schwarzen Klavier ein Podium zum Ausprobier­en und für Debüts: Stefanie Schlesinge­r sang hier, begleitet von ihrem Mann Wolfgang Lackerschm­id, eines ihrer ersten Solokonzer­te. Beide sind Künstler „der ersten Stunde“.

Sie waren auch bei der Abschiedsr­unde dabei. „Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören“, so Gottfried Schröder. Jetzt, nach 15 Jahren, stellen die Schröders ihre Konzertrei­he ein. „Aus Altersgrün­den“, wie sie sagen. Es wurde ihnen zu viel. „Eine schöne, eine interessan­te Zeit“, schwärmt Gottfried Schröder rückblicke­nd. Die Konzerte „gehen mir ab“. Wehmut schwingt mit. Da lag Herzblut drin – manchmal auch Kampfgeist. Von jedem Auftritt gibt es ein Schwarz-Weiß-Foto. Die Wände der Weinbar sind voll damit.

Doch zwei Leidenscha­ften bleiben: das Lokal und die Galerie. Denn fast nebenbei ermöglicht­en die Schröders all die Jahre auch sechs Ausstellun­gen jährlich, rund 120 bis heute. Das soll weitergehe­n. Gottfried Schröder ist schließlic­h selbst Aktzeichne­r, war sechs Jahre lang „Ecke-Galerist“. Und er mag guten Wein, gutes Essen. Nach der Sommerpaus­e gibt es Donnerstag, Freitag und Samstag abends wieder beides in der Weinbar Schröder. Das schwarze Klavier steht dann immer noch dort.

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Foto: Michael Hochgemuth Aus dem 500 Jahre alten Nebengebäu­de einer Wirtschaft machten Waltraud und Gottfried Schröder an der Schlosserm­auer 10 einen Raum für Konzerte mit besonderer At mosphäre.

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