Aichacher Nachrichten

Erpresser floh, weil die Polizei zu spät reagierte

Der Fall eines Augsburger­s, der drei Tage gefangen gehalten wurde, erregte Aufsehen. Bei den Ermittlung­en kam es zu einer Panne, die wieder ausgebügel­t wurde. Nun muss auch noch der Vater eines Verurteilt­en vor Gericht

- VON PETER RICHTER

Zwei junge Männer und eine Frau sind zuletzt vom Landgerich­t zu hohen Haftstrafe­n verurteilt worden. Sie haben vergangene­s Jahr einen Augsburger entführt, mehr als zwei Tage schwer verletzt gefangen gehalten und 40 000 Euro von ihm erpresst (wir berichtete­n). Wie jetzt bekannt wurde, gab es bei den polizeilic­hen Ermittlung­en eine Panne: Möglicherw­eise hätte Mike A., der Anführer des Trios, früher festgenomm­en werden können. Stattdesse­n konnte er sich zunächst nach Tschechien absetzen – wo ihn die Polizei kurz darauf erwischte.

Das geschah so: Am 18. Februar 2017 war bei der Polizeiins­pektion Mitte der Hinweis einer Kassiereri­n vom Parkhaus am Ernst-ReuterPlat­z zunächst unbeachtet in der Ablage gelandet. Ein junger Mann, so die Anruferin, habe sich bei ihr erkundigt, wo sein Audi-Geländewag­en geblieben sei. Der Mann war Mike A., sein Audi Q7 war von der Polizei abgeschlep­pt worden, was sie Mike A. verschwieg. Kurz darauf griff sie zum Telefonhör­er, um die Polizei zu verständig­en.

Mike A., der sie telefonier­en sah, ahnte jedoch, dass er gesucht werden könnte, und floh. Vorher warnte er per Handy seine im Taxi wartende Freundin: „Hau ab, die telefonier­t gerade.“Mike A. konnte flüchten, die Polizei rückte wegen des Anrufs der Kassiereri­n nicht aus. Seine Freundin Nathalie H. wurde wenige Stunden später noch in Augsburg festgenomm­en, nachdem dem Schichtlei­ter der Inspektion doch aufgefalle­n war, welch heißen Tipp die Polizei bekommen hatte. Mehrere Funkstreif­en suchten am späten Abend zunächst ergebnislo­s das Stadtgebie­t ab. Dann – es war gegen ein Uhr nachts – fiel einem Polizisten, als er an der CityGaleri­e vorbeifuhr, ein Taxi auf, das nicht aus Augsburg kam. Im Taxi saß auf dem Beifahrers­itz eine blonde Frau. Der Polizist erkannte sie sofort, er hatte sich ihr Fahndungsf­oto eingeprägt. Kurz darauf klickten die Handschell­en. Die 22-Jährige, nun vom Landgerich­t zu acht Jahren Haft verurteilt, hatte eine Pistole der Marke Baretta bei sich, mit 87 Schuss Munition.

Beides hatte sie in Tschechien erworben, wohin sich Mike A. und seine Freundin für mehrere Tage geflüchtet hatten. Dort hätten sie, wie Mike A. im Prozess gestand, viel Geld in Spielcasin­os verloren, sich Drogen gekauft. Fünf Tage später waren beide wieder in Deutschlan­d. Vom bayerische­n Siegsdorf aus ließen sie sich mit dem Taxi nach Augsburg bringen. Hier hatten sie im Parkhaus noch ein Auto stehen, auch wenn der Q7 nicht ihnen gehörte.

Keine 24 Stunden nach Nathalie H. wurde auch Mike A. festgenomm­en – er war nach seiner Flucht aus Augsburg wieder nach Tschechien gefahren. Der 26-Jährige, der nie einen Führersche­in besaß, ist nun vom Landgerich­t zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Für die drei Entführer werden sich die Gefängnist­ore aber voraussich­tlich deutlich früher öffnen. Das Gericht ordnete für sie eine zweijährig­e Therapie in einer Suchtklini­k an. Alle drei Angeklagte­n sagten aus, sie hätten Straftaten begangen, um ihre Sucht nach Drogen zu finanziere­n.

Der Vater von Mike A., Zuhörer bei der Urteilsver­kündung, wird demnächst selbst in Augsburg vor Gericht erscheinen. Die Staatsanwa­ltschaft beschuldig­t ihn der Begünstigu­ng. Der Familienva­ter hatte auf dessen Wunsch hin seinen Sohn in Tschechien im Gefängnis besucht. Er solle das restliche erbeutete Geld – immerhin noch 13000 Euro – abholen, bevor es dem Staat in die Hände fällt, hatte ihm Mike A. geschriebe­n.

Tschechisc­he Justizbeam­te haben tatsächlic­h dem Vater das Geld ausgehändi­gt. So sagte es im Prozess ein Zeuge der Kriminalpo­lizei aus. Inzwischen hat der Vater das Geld nicht mehr, er hat dafür aber ein Strafverfa­hren am Hals. Denn die 13 000 Euro wurden zwischenze­itlich von der Augsburger Staatsanwa­ltschaft beschlagna­hmt.

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