Erpresser floh, weil die Polizei zu spät reagierte
Der Fall eines Augsburgers, der drei Tage gefangen gehalten wurde, erregte Aufsehen. Bei den Ermittlungen kam es zu einer Panne, die wieder ausgebügelt wurde. Nun muss auch noch der Vater eines Verurteilten vor Gericht
Zwei junge Männer und eine Frau sind zuletzt vom Landgericht zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Sie haben vergangenes Jahr einen Augsburger entführt, mehr als zwei Tage schwer verletzt gefangen gehalten und 40 000 Euro von ihm erpresst (wir berichteten). Wie jetzt bekannt wurde, gab es bei den polizeilichen Ermittlungen eine Panne: Möglicherweise hätte Mike A., der Anführer des Trios, früher festgenommen werden können. Stattdessen konnte er sich zunächst nach Tschechien absetzen – wo ihn die Polizei kurz darauf erwischte.
Das geschah so: Am 18. Februar 2017 war bei der Polizeiinspektion Mitte der Hinweis einer Kassiererin vom Parkhaus am Ernst-ReuterPlatz zunächst unbeachtet in der Ablage gelandet. Ein junger Mann, so die Anruferin, habe sich bei ihr erkundigt, wo sein Audi-Geländewagen geblieben sei. Der Mann war Mike A., sein Audi Q7 war von der Polizei abgeschleppt worden, was sie Mike A. verschwieg. Kurz darauf griff sie zum Telefonhörer, um die Polizei zu verständigen.
Mike A., der sie telefonieren sah, ahnte jedoch, dass er gesucht werden könnte, und floh. Vorher warnte er per Handy seine im Taxi wartende Freundin: „Hau ab, die telefoniert gerade.“Mike A. konnte flüchten, die Polizei rückte wegen des Anrufs der Kassiererin nicht aus. Seine Freundin Nathalie H. wurde wenige Stunden später noch in Augsburg festgenommen, nachdem dem Schichtleiter der Inspektion doch aufgefallen war, welch heißen Tipp die Polizei bekommen hatte. Mehrere Funkstreifen suchten am späten Abend zunächst ergebnislos das Stadtgebiet ab. Dann – es war gegen ein Uhr nachts – fiel einem Polizisten, als er an der CityGalerie vorbeifuhr, ein Taxi auf, das nicht aus Augsburg kam. Im Taxi saß auf dem Beifahrersitz eine blonde Frau. Der Polizist erkannte sie sofort, er hatte sich ihr Fahndungsfoto eingeprägt. Kurz darauf klickten die Handschellen. Die 22-Jährige, nun vom Landgericht zu acht Jahren Haft verurteilt, hatte eine Pistole der Marke Baretta bei sich, mit 87 Schuss Munition.
Beides hatte sie in Tschechien erworben, wohin sich Mike A. und seine Freundin für mehrere Tage geflüchtet hatten. Dort hätten sie, wie Mike A. im Prozess gestand, viel Geld in Spielcasinos verloren, sich Drogen gekauft. Fünf Tage später waren beide wieder in Deutschland. Vom bayerischen Siegsdorf aus ließen sie sich mit dem Taxi nach Augsburg bringen. Hier hatten sie im Parkhaus noch ein Auto stehen, auch wenn der Q7 nicht ihnen gehörte.
Keine 24 Stunden nach Nathalie H. wurde auch Mike A. festgenommen – er war nach seiner Flucht aus Augsburg wieder nach Tschechien gefahren. Der 26-Jährige, der nie einen Führerschein besaß, ist nun vom Landgericht zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Für die drei Entführer werden sich die Gefängnistore aber voraussichtlich deutlich früher öffnen. Das Gericht ordnete für sie eine zweijährige Therapie in einer Suchtklinik an. Alle drei Angeklagten sagten aus, sie hätten Straftaten begangen, um ihre Sucht nach Drogen zu finanzieren.
Der Vater von Mike A., Zuhörer bei der Urteilsverkündung, wird demnächst selbst in Augsburg vor Gericht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn der Begünstigung. Der Familienvater hatte auf dessen Wunsch hin seinen Sohn in Tschechien im Gefängnis besucht. Er solle das restliche erbeutete Geld – immerhin noch 13000 Euro – abholen, bevor es dem Staat in die Hände fällt, hatte ihm Mike A. geschrieben.
Tschechische Justizbeamte haben tatsächlich dem Vater das Geld ausgehändigt. So sagte es im Prozess ein Zeuge der Kriminalpolizei aus. Inzwischen hat der Vater das Geld nicht mehr, er hat dafür aber ein Strafverfahren am Hals. Denn die 13 000 Euro wurden zwischenzeitlich von der Augsburger Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.