Fliegerbombe: Hilfe bei der Evakuierung statt Hochzeit
Nicht nur die 1200 Anwohner waren betroffen. Drei Helfer erzählen, was sie erlebten
Die Fliegerbombe aus der Herrenbachstraße hat nicht nur 1200 Bewohnern den vergangenen Samstag gehörig durcheinandergebracht. Sie alle mussten aus Sicherheitsgründen ihre Wohnungen und Häuser verlassen. Auch die rund 450 Einsatzund Rettungskräfte hatten sich das Wochenende anders vorgestellt. Raphael Doderer etwa. Der 35-Jährige wollte eigentlich auf die Hochzeitsfeier seines Vaters.
Doderer und seine Frau waren an dem Nachmittag auf der Autobahn unterwegs, um ihre Tochter von einer Veranstaltung abzuholen. Anschließend wollte man zur Hochzeitsfeier. Dann ging auf Doderers Handy der Alarm ein. „Als ich die Worte Bombe und Evakuierung las, war mir klar, dass ich bestenfalls noch nachkommen kann.“Die Familie musste ohne ihn zum Fest. Als Medienbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft der Augsburger Hilfsorganisationen, wie Johanniter, Malteser, Bayerische Rotes Kreuz (BRK), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), war Doderer klar, dass er mithilft. „Mein Vater hatte vollstes Verständnis“, versichert er. Das war bei Patrick Spott anders. Immer wieder bekam er Nachrichten auf sein Handy, wann er endlich komme.
Der 24-Jährige engagiert sich ehrenamtlich bei den Johannitern. Für diese rückte er an dem Samstag aus. Dabei wurde doch gerade in seiner Arbeit das Sommerfest vorbereitet. Es sollte am frühen Abend beginnen. „BiertischGarnituren, Musikanlage und Pizzaofen – alles war schon aufgebaut“, berichtet Spott. Doch auch er wurde per Handy alarmiert. Der junge Mann ist ehrlich: „Erst dachte ich mir schon, ach bitte nicht jetzt.“
In so einem Moment hadere man kurz mit sich selbst, weil man eigentlich frei habe, gibt er zu. Aber natürlich rücke man aus. „Das könnte ich sonst mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“Spott koordinierte bei der Evakuierung die Helfer und Fahrzeuge der Hilfsorganisation. Im Vergleich zur Evakuierung bei der Weihnachtsbombe fand er die jetzige Räumung stressiger. Während die Evakuierung 2016 geplant werden konnte, musste im Fall des Blindgängers in der Herrenbachstraße schnell gehandelt werden. Die 225 Kilo schwere Bombe, ein amerikanisches Modell, sollte noch am Abend entschärft werden. Der Grund der Eile war die Hitze. Der Sprengkörper, der aufgrund von Bauarbeiten offen da lag, hätte bei den hohen Temperaturen gefährlich werden können. In einem Umkreis von 300 Metern mussten die Anwohner schnellstmöglich in Sicherheit gebracht werden. Während Patrick Spott beim Einsatz arbeitete, schrieben ihn immer wieder Kollegen an und fragten, wann er endlich zum Fest komme.
Tobias Eigl sagte seinen Freunden nach der Alarmierung sofort ab. Der 29-Jährige, der ehrenamtlich beim BRK tätig ist, hatte für den Abend zu sich daheim eingeladen. Man wollte grillen und Brettspiele spielen. Stattdessen brachte er Anwohner, die nicht mehr laufen konnten, mit dem Krankentransport zu den Notunterkünften. „Es war alles sehr strukturiert“, lobt er. „Auch unter den einzelnen Hilfsorganisationen läuft alles sehr professionell und freundschaftlich ab.“Wenn er aus einer Alltagssituation zu einem Einsatz gerufen werde, verrät Eigl, habe er anfangs Adrenalin im Blut. „Man weiß ja nicht, was passiert. Man weiß nur, dass Menschen Hilfe brauchen.“
Gegen 23.40 Uhr war die Bombe entschärft. Die Anwohner kehrten zurück. Mit dem letzten Krankentransport war für Tobias Eigl der Einsatz beendet. Das Grillen mit Freunden holte er am Sonntag nach. Für Raphael Doderer war die Hochzeit seines Vaters gelaufen. Patrick Spott fuhr noch zum Fest seiner Kollegen. „Die Pizza war längst weg. Aber vom Nachspeisenbuffet habe ich noch etwas bekommen.“