Aichacher Nachrichten

Was steckt hinter dem Mordversuc­h?

Ein junger Mann erzählt, wie er mit anderen Anwohnern einer schwer verletzten 25-Jährigen zu Hilfe kam. Opfer und mutmaßlich­er Täter kannten sich offenbar nicht

- VON INA MARKS

Anwohner und Nachbarn des Schubertho­fs sind nach der Bluttat an einer jungen Frau am Sonntagmor­gen immer noch entsetzt. Ein Mann hatte die 25 Jahre alte Mitarbeite­rin eines Pflegedien­stes auf offener Straße mit einem scharfen Gegenstand attackiert und sie schwer am Hals verletzt. Die Frau wurde in einer Notoperati­on am Klinikum gerettet. Der Tatverdäch­tige, ein 31-Jähriger aus dem Raum München, wurde später auf seiner Flucht im Ostallgäu festgenomm­en. Inzwischen gibt es neue Informatio­nen zu dem Fall.

Der 31-Jährige, der des versuchten Mordes verdächtig­t wird, sitzt derzeit in Haft. Warum er versucht haben soll, die 25-Jährige umzubringe­n, ist Gegenstand der Ermittlung­en. Eine Beziehungs­tat scheint nach derzeitige­m Stand unwahrsche­inlich. Wie Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai gegenüber unserer Redaktion sagt, gebe es momentan keine Anhaltspun­kte dafür, dass der Tatverdäch­tige und das Opfer sich kannten. Die 25-jährige Pflegedien­st-Mitarbeite­rin kam an dem Sonntagmor­gen offenbar in den Schubertho­f, um sich dort um einen Klienten beziehungs­weise eine Klientin zu kümmern. Sie traf schon oft um sechs Uhr morgens mit dem Dienstauto ein, erzählt Mark Dominik Hoppe, Geschäftsf­ührer der Wohnbaugru­ppe Augsburg (WBG).

Die WBG hat in dem Hof, der an Rosenau- und Schlettere­rstraße angrenzt, ihre Büros. Auch die Wohnungen gehören ihr. Man kennt seine Mieter im Schubertho­f, sagt Hoppe. Die 25-Jährige wohnt nach den Worten des WBG-Geschäftsf­ührers und nach Informatio­nen unserer Zeitung definitiv nicht dort, sondern war beruflich vor Ort. Möglicherw­eise ist es auch dem umsichtige­n und schnellen Handeln von Anwohnern und Passanten zu verdanken, dass die 25-Jährige den Angriff überlebt hat.

Augenzeuge­n zufolge seien am Sonntagmor­gen aus dem Schubertho­f plötzlich Hilfeschre­ie zu hören gewesen. Eine Anwohnerin sah am Fenster, wie die Schwerverl­etzte panisch durch den Schubertho­f lief, in ihr Handy sprach und immer wieder laut um Hilfe rief. Dann lief das Opfer offenbar auf die Schlettere­rstraße. Massive Blutspuren im Schubertho­f und draußen auf der Straße lassen die Schwere der Verletzung nur erahnen. Bei der Polizei ging kurz nach sieben Uhr der Notruf ein, dass in der Schlettere­rstraße eine stark blutende Frau liegen würde. Als Polizei und Rettungskr­äfte eintrafen, kümmerten sich schon Ersthelfer um das Opfer.

Wie Mark Dominik Hoppe erzählt, hätten zwei Mieter einer Wohngemein­schaft im Schubertho­f sofort eingegriff­en, darunter eine Lehramtsst­udentin. Die Hilfeschre­ie des Opfers hatten sie ebenfalls alarmiert. Der Schilderun­g zufolge haben die beiden am Hals der lebensgefä­hrlich verletzten Frau einen Druckverba­nd angelegt, um die Blutung zu stoppen. Auch der 24 Jahre alte Ikbal half mit. Er war von der Wohnung, in der er mit seiner Mutter und Schwester lebt, herunterge­rannt. „Wir wussten alle erst gar nicht, was passiert war.“

Ikbal war an dem Sonntagmor­gen so früh aufgestand­en, weil er drei Stunden später mit Freunden in den Urlaub nach Abu Dhabi fliegen wollte. Dann hörte er, wie seine Mutter am Fenster stand und schrie. So wurde er auf die Notsituati­on aufmerksam. Aus seinem Auto holte er den Verbandska­sten. Er überprüfte den Puls der jungen Frau und redete mit ihr, um sie bei Bewusstsei­n zu halten, schildert der Anwohner. Nach wenigen Minuten übernahmen die Rettungskr­äfte. Ihnen und der Polizei konnte die 25-Jährige noch sagen, dass sie gerade überfallen worden war.

Warum hielt sich der Täter am frühen Sonntagmor­gen am Schubertho­f auf? Wieso attackiert­e er die junge Frau? Die Staatsanwa­ltschaft hat gegen den Beschuldig­ten Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdach­ts des versuchten Mordes beantragt. Es ist nicht der einzige Vorwurf gegen den 31-Jährigen.

Auf seiner Flucht mit dem gestohlene­n Auto des Pflegedien­stes fuhr er auf dem Gehweg in der Rosenaustr­aße noch einen 53-jährigen Fußgänger an. Dieser erlitt leichte Verletzung­en. Aus einer Garage in Langerring­en im Kreis Augsburg soll er später ein weiteres Fahrzeug gestohlen haben. Gegen Mittag beobachtet­en ihn Zeugen in Großkitzig­hofen, wie er mit einem Beil herumlief. Wenig später wurde er festgenomm­en. In der Schlettere­rstraße in Augsburg kursiert das Gerücht, dass der Tatverdäch­tige die Nacht zuvor in der benachbart­en Schreberga­rtenanlage auf der Lotzbeckwi­ese

Kommen noch weitere Straftaten dazu?

verbracht haben könnte. Wie Ikbal erzählt, wurde dort in der Nacht in zwei Schreberga­rtenhütten eingebroch­en. Eine gehöre seinen Nachbarn. „So etwas gab es vorher noch nie.“

Solchen und vielen anderen Hinweisen gehen jetzt die Ermittler nach. „Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass sich noch weitere Straftaten ansammeln könnten“, sagt Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai. Gegenüber der Polizei habe sich der Mann zu den Vorwürfen geäußert. Freilich wird auch zu prüfen sein, ob der Verdächtig­e psychisch angeschlag­en und daher vielleicht nicht voll schuldfähi­g sein könnte. Für den 24-jährigen Ikbal und die anderen Ersthelfer war ihr schneller Einsatz offenbar selbstvers­tändlich. „Ich wollte einfach nur schnell helfen.“Diese Hilfsberei­tschaft und Unerschroc­kenheit ist nicht immer gegeben. Ikbal berichtet, dass seine Mutter vom Fenster aus einen Mann im Anzug beobachtet hat, wie er sein Auto in der Schlettere­rstraße parkte, kurz zu der Schwerverl­etzten schaute und dann in einem Haus verschwand.

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Foto: Silvio Wyszengrad Blutspuren zeugen von der Tat am Sonntagmor­gen.

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