Aichacher Nachrichten

Die Kunst und die Zahlen

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger allgemeine.de

Der deutsche Mathematik­er Peter Scholze ist in dieser Woche mit der Fields-Medaille ausgezeich­net worden, sie gilt als der Nobelpreis der Mathematik. Über das Zahlengeni­e finden Sie im heutigen Wochenend Journal eine große Geschichte. Als Mozart wird er dort bezeichnet, ein Genie, ein Künstler.

Und jetzt muss man andersheru­m schon sagen, dass Künstler im Allgemeine­n ein eher gespaltene­s Verhältnis zu Zahlen haben. Die Zahl quantifizi­ert, sie bestimmt die Menge, die Kunst will dagegen Qualität schaffen. Also komm’ den Künstlern bloß nicht mit Zahlen – es sei denn, es sind gute. Wer gute Zahlen als Künstler vorweisen kann, ist im Umkehrschl­uss das leidige Qualitäts-Thema auf äußerst elegante Weise losgeworde­n. Denn wie bitte schön misst man Qualität? Per Publikumsb­efragung? Mit einer Kritiken-Umschau? Durch die Häufigkeit von Zitaten?

Ein Beispiel gefällig: Wenn das Theater Augsburg in der Freilichtb­ühnensaiso­n auf einen neuen Rekord zusteuert, denkt niemand mehr laut über die Qualität des Gebotenen nach. Ein Rekord spricht für sich. Wer einen Rekord einspielt, hat alles richtig gemacht, der wird nicht infrage gestellt. Obwohl wir als aufgeklärt­e Sportfans natürlich wissen, dass die Gier nach dem Rekord das Gewissen ausschalte­n kann, wenn in die Dopingapot­heke gegriffen wird. Übersetzt auf das Künstleris­che hieße das: Hauptsache es knallt, denn wenn am Ende die Zahlen stimmen, bohrt keiner mehr nach.

Wobei das nicht heißen soll, dass gute Zahlen per se verdächtig sind. Das nun wirklich nicht. Wenn das Sensemble Theater jetzt übers Jahr gerechnet einen Besucherre­kord verkünden kann, heißt das, dass dort ziemlich viel richtig gemacht wurde. Und andersheru­m, wenn das Theater Augsburg nicht gleich mit den Zwischenza­hlen fürs Fuggermusi­cal rausrücken wollte, weil sich die zahlenmäßi­ge Begeisteru­ng dafür beim Publikum erst gegen Ende hin einstellen wollte, heißt das nicht, dass es beim Musical an der Qualität mangele. Da musste ja etwas Neues in der Welt platziert werden, und es dauert, bis sich das im Großraum Augsburg herumspric­ht.

Ja, mit den Zahlen und der Kunst ist es wirklich vertrackt.

* * * „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany