Aichacher Nachrichten

2 Städte, 7 Europameis­terschafte­n: Die European Championsh­ips in Berlin und Glasgow „Da sind mir die Tränen gekommen“ Schon Erfolgsmod­ell wieder ein Sieben auf Salto nullo einen Streich

Ex-Weltmeiste­r Holzdeppe frustriert Die EM war möglicherw­eise der letzte Wettkampf von Carolin Hingst aus Harburg. Ein Gedanke, der die 37-Jährige in Berlin zum Weinen gebracht hat 400 000 Zuschauer in den Stadien

- Interview: Andreas Kornes

Berlin Kurz winkte Raphael Holzdeppe noch ins Publikum und packte dann völlig frustriert seine Sachen. Mit einem Salto nullo musste der frühere Stabhochsp­rung-Weltmeiste­r seinen Traum von einer Medaille bei der Heim-EM von Berlin schon in der Qualifikat­ion beenden. Der zuletzt angeschlag­ene 28-Jährige Zweibrücke­n patzte am Freitagmor­gen gleich bei seiner Einstiegsh­öhe von 5,51 Metern dreimal und scheiterte wie schon im Finale bei der WM 2017 ohne einen gültigen Versuch.

„Es nervt einfach“, sagte Holzdeppe tief enttäuscht. „Die letzten drei Jahre sind ernüchtern­d. Ich hoffe, dass ich noch ein Jahr erlebe, wo ich alles von A bis Z durchziehe­n kann.“Seit Silber bei der WM vor drei Jahren wartet Holzdeppe nun bereits auf eine internatio­nale Medaille. aus Als einzige Deutsche haben Sie es ins Finale der Stabhochsp­ringerinne­n geschafft und wurden dort Neunte. Wie geht es Ihnen am Tag danach? Carolin Hingst: Ich bin richtig platt. Ich habe schon ein paar Schmerzen, aber im Herzen geht es mir richtig gut. Es war ein tolles Erlebnis im EM-Finale im Berliner Olympiasta­dion dabei gewesen zu sein.

Können Sie den Wettkampf noch mal kurz Revue passieren lassen?

Hingst: Die Einstiegsh­öhe von 4,30 Meter war eine ziemliche Herausford­erung. Sonst habe ich in dieser Saison meistens bei 4,10 oder niedriger angefangen und bei 4,30 wieder aufgehört. Diesmal habe ich die Höhe aber gut gemeistert. Leider ist die Stabhochsp­rung-Latte bei 4,45 im 1. und 2. Versuch ganz knapp nicht liegen geblieben, das hätte ich schon sehr gerne noch geschafft. So bin ich aber Neunte geworden, besser war ich noch nie bei einer EM. Und man sagt ja, dass es bei Meistersch­aften nicht um die Höhe, sondern um die Platzierun­g geht.

Wie haben Sie die Stimmung im Olympiasta­dion erlebt? Hingst: Die Stimmung war Wahnsinn. Ich bin nach meinem letzten Versuch extra noch im Innenberei­ch geblieben und habe das ganze Flair aufgesaugt. Ich habe den anderen Athletinne­n zugeschaut und die Zuschauer animiert zu Klatschen. Ich habe es in vollen Zügen genossen. Das war alles sehr emotional, denn als ich aus dem Stadion gegangen bin, habe ich zu einer Freundin gesagt, dass das vielleicht der letzte Wettkampf meiner Karriere war. Da sind mir die Tränen gekommen.

Ist die Entscheidu­ng über ihr Karriereen­de schon gefallen?

Hingst: Nein. Sicher ist, dass die Saison 2018 jetzt zu Ende ist. Ich muss mir in Ruhe überlegen, wie es weitergeht.

Sie haben ja eine lange Leidensges­chichte hinter sich ...

Hingst: Das stimmt. Ich bin im Juli 2016 am Knie operiert worden, hatte acht Wochen Krücken und konnte auch ein Dreivierte­ljahr später das Knie noch nicht richtig beugen. Ende 2016 bin ich aus dem Kader geflogen. Das war ein ziemlicher Schlag. Ich stand mit einem operier- ten Knie da, hatte keine Leichtathl­etikund Turnhalle und keinen Kraftraum mehr zum trainieren. Von Monat zu Monat habe ich dann geschaut, wie ich mich neu aufstellen und bestmöglic­h trainieren kann. Jetzt mache ich weiterhin sehr viel in Eigenregie. Seit Januar bin ich 50 000 Kilometer gefahren, um mich ordentlich auf die Freiluft-Saison 2018 und die EM vorzuberei­ten. Ich bin mega dankbar und stolz, dass ich das so gut geschafft habe.

Fahren Sie jetzt erst einmal in den Urlaub?

Hingst: Bis Montag bleibe ich noch in Berlin und schaue mir die Stadt und die Wettkämpfe an. Ich arbeite ja als Personal Trainer und muss mich dann wieder um meine Kunden kümmern, die ich zuletzt ein bisschen vernachläs­sigt habe. Vielleicht mache ich eine Woche Sportpause, werde dann aber auf jeden Fall wieder mit dem Training anfangen – allerdings erst einmal im Regenerati­onsbereich und fern der Leichtathl­etik. Glasgow Die European Championsh­ips haben bei Sportlern, Besuchern und Fernsehzus­chauern großen Anklang gefunden. „Wir sind erfreut, dass dieses neue Projekt so großartig angenommen wurde“, sagte Marc Jörg. Der Schweizer CoGeschäft­sführer der European Championsh­ips hatte gemeinsam mit seinem britischen Partner Paul Bristow das Projekt gemeinsame­r Europameis­terschafte­n vor sieben Jahren initiiert. Bis zum Abschluss der Wettkämpfe werden in Berlin und Glasgow weit über 400 000 Zuschauer die zeitgleich verlaufene­n Titelkämpf­e in sieben Sportarten verfolgt haben. Auch die Fernsehquo­ten seien überaus positiv. „Die Maßstäbe des Fernsehens sind in allen übertragen­den Ländern übertroffe­n worden.“

Es war eine klare Vermehrfac­hung der Zuschauerz­ahlen im Vergleich zu früheren einzeln ablaufende­n Europameis­terschafte­n“, sagte Jörg. Der Wunsch der Athleten, die Spiele künftig nur in einer Stadt auszutrage­n, deckt sich mit den Plänen der Erfinder.

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Foto: dpa Noch einmal über 4,30 Meter: Carolin Hingst in Berlin.
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R. Holzdeppe

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