Aichacher Nachrichten

Afghane nicht schwul genug?

Kuriose Begründung der Wiener Behörden

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Auch wer wegen seiner sexuellen Orientieru­ng verfolgt wird, hat ein Recht auf Schutz. In Österreich hat sich jetzt allerdings gezeigt, wie schwierig es für Flüchtling­e im Einzelfall sein kann, die eigene Homosexual­ität dem für die Entscheidu­ng zuständige­n Beamten glaubhaft zu machen. Und wie haarsträub­end die Begründung der Behörden bisweilen ist. „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeute­t, dass sie homosexuel­l sein könnten“, heißt es in einem negativen Asylbesche­id für einen 18-jährigen Mann aus Afghanista­n, den die Wiener Wochenzeit­ung Falter jetzt öffentlich machte. Der junge Mann war als Minderjähr­iger aus Afghanista­n geflohen und hatte Aufnahme in einem SOS-Kinderdorf gefunden. Homosexual­ität ist in Afghanista­n gesellscha­ftlich nicht akzeptiert, Schwule und Lesben führen ein Leben im Verborgene­n.

Doch in der Regionalst­elle des Bundesamte­s für Fremdenwes­en und Asyl in der Wiener Neustadt reichte die Aussage des Mannes nicht zur Anerkennun­g als Flüchtling. Der Beamte schrieb, der Jugendlich­e habe im SOS-Kinderdorf mehrfach mit anderen Jungen gestritten: „Es wird berichtet, dass Sie öfter Auseinande­rsetzungen mit anderen Zimmergeno­ssen hatten. Ein Aggression­spotenzial ist bei Ihnen also vorhanden, das bei einem Homosexuel­len nicht zu erwarten wäre.“Außerdem habe er wenige Freunde. „Sind Homosexuel­le nicht eher gesellig?“, fragt der Beamte. Als unglaubwür­dig sah er auch die Aussage an, dass der Afghane bereits im Alter von zwölf Jahren homosexuel­le Gefühle empfand. „In einer wenig sexuellen Gesellscha­ft wie der afghanisch­en, in der es in der Öffentlich­keit keine sexuellen Reize durch Mode oder Werbung gibt, ist es nicht sehr wahrschein­lich, bereits so früh ,sexualisie­rt zu werden‘.“

Österreich­s Asylentsch­eidungen zu Afghanista­n sind seit langem in der Kritik. Der einzige gerichtlic­h vereidigte Sachverstä­ndige für Afghanista­n ist ein Geschäftsm­ann, der seit 2009 bei der „Export Promotion Agency of Afghanista­n“tätig ist. Gegen ihn läuft nach Einsprüche­n von Menschenre­chtsorgani­sationen ein Überprüfun­gsverfahre­n. Laut seiner Expertise ist die Rückkehr nach Afghanista­n jungen Männern zumutbar.

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